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Die Gleichheit

völlige Sicherheit für unsere Zukunft freigeben werden wir werden uns reale Garantien schaffen, daß Belgien nicht eng­ lisch - französischer Vasallenstaat, nicht militärisch und wirtschaft­lich als Bollwerk gegen Deutschland ausgebaut wird. Auch hier gibt es feinen status quo ante, auch hier kann Deutschland das lange niedergehaltene flämische Volkstum nicht wieder der Ver­welschung preisgeben.... Unsere Siege auf dem Kontinent wer­den uns einen Kolonialbesib sichern und der unverwüstlichen deutschen Unternehmungslust eine neue fruchtbringende Tätig­feit eröffnen."

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Die Norddeutsche Allgemeine 8eitung", die von der Deutschen Tageszeitung" als Regie­rungsorgan" tituliert wird, äußerte sich am 8. Juli über die Kriegsziele also:

Der innere Sinn dieses großen Kampfes ist die Verteidigung

des deutschen Volles, seiner Freiheit und seiner Zukunft. Das deutsche Volt in seiner Gesamtheit wird die tiefe Bedeutung dieses Sinnes, die in den Kungebungen Seiner Majestät des Kaisers und in den Reden des Reichskanzlers immer wieder her­vorgehoben worden ist, lebendiger als je empfinden. Man hat es vielfach so darstellen wollen, als sei dies Biel doch ein rein negatives. Wer aber nicht über die Reden des Reichskanzlers hinweggehen will, namentlich über die Reden vom 19. August 1915, 9. Dezember 1915 und 5. April 1916, in denen er früher wiederholt Angedeutetes so ausführlich als möglich dargelegt hat, wird zugeben müssen, daß die Regierungen jedenfalls die Verteidigung nicht im negativen Sinne, sondern in dem höchst pofitiven Sinne der Behauptung, Sicherung und Stärkung der deutschen Zukunftsstellung in der Welt faßt. Wenn die Einfall­tore in das Herz Deutschlands fremdem Einfluß entzogen, wenn Rußland hinter die Flüsse zurückgeworfen wird, die als kürzere Grenze Deutschlands einen befferen Schutz geben, wenn die wirt­schaftliche Entfaltung Deutschlands in der ganzen Welt gesichert sein soll ist das kein großes Biel?"

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Alle diese Außerungen ergänzen positiv" das klärende Wort, das der Vorsitzende des Preußischen Her­ renhauses schon im vorigen Jahre gesprochen: Wenn Deutschland nur zur Verteidigung seiner Grenzen Krieg führte, so könnten wir Frieden machen." Sie decken sich im Kern mit den Ausführungen, die Professor Hoesch in der Wochenschau der Kreuzzeitung " am 12. Juli machte:

Der Hinweis auf die Verteidigung des deutschen Volkes, feiner Freiheit und seiner Zukunft als den inneren Einn dieses großen Kampfes sagt heute bereits zu wenig. Diese Auf­gabe der unmittelbaren Verteidigung ist mit dem Frühjahr 1915 erfüllt. Seitdem wurde es immer dringender, die militärische Aktion in den Dienst bestimmter großer politischer Ziele und Pläne zu stellen."

Kurz, auch mit der schärfsten Lupe vermögen wir keinen grundsäglichen Trennungsstrich zu entdecken zwischen der Auffassung des Reichskanzlers über die Kriegsziele und der jener Ronservativen und Nationallliberalen, die Herrn b. Bethmann Holliveg als Flaumacher" übel mitspielen, ja sich gebärden, als möchten sie ihn am liebsten a. D. sehen. Ge­nau wie die Annerionspolitiker, so erachtet der Reichskanzler ,, reale Garantien" als die Voraussetzung des Friedens. Nur über das Maß, das Wieviel der realen Garantien" gehen die Ansichten auseinander. Herr v. Bethmann Hollweg schätzt die Lage Deutschlands und damit die politischen Möglichkeiten der Kriegsziele etwas anders ein als seine Angreifer.

Es scheint somit, als könnten die werktätigen Massen die wort- und bosheitreichen Bolemiken der maßlosen" und der " gemäßigten" Annerionspolitiker mit einem geringschäßigen Lächeln beiseite schieben, jenes Silbengefechts zwischen Rabbi und Mönch eingedenk, das Heinrich Heines unsterbliche Ironie gestaltet hat. Denn soweit die werftätigen Massen ihre eigene Lage, ihre eigenen Interessen verstehen, müssen sie zum Krieg und seinem Ausgang auf einem anderen grund­fäßlichen Boden stehen als alle bürgerlichen Politiker und Re­gierungen. Jedoch soweit die ungetrübte Erkenntnis ihrer Lage da ist, wissen die werktätigen Massen auch, daß es lezten Endes ihr Blut und Gut ist, das für die Ziele und die Dauer des Krieges zahlen muß. Und sie verkennen nicht die starken

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wirtschaftlichen und politischen Mächte, die hinter den streifen­den Parteien stehen. Diese Mächte haben bereits durchgesetzt, was dem arbeitenden Volke bis jetzt versagt geblieben ist: eine kaum beschränkte Erörterung der Kriegsziele, wie sie ihren Interessen förderlich dünken. Sie haben sich feste Orga­nisationen geschaffen, die den offensichtlichen Zweck der Stim­mungsmache verfolgen.

In einer Zeit, wo als Landesverräter" jeder verhaftet und prozessiert werden kann, der für den Frieden, für die Be­tätigung der internationalen Solidarität der Völker wirkt; wo sogar bürgerliche Friedensfreunde, wie Prof. Quidde , gewärtigen müssen, unter strengste Briefzensur usw. gestellt zu werden: in dieser Zeit wurde die Welt von der Kunde

überrascht, daß über Nacht in Berlin der Deutsche Na­

tionalausschuß für einen ehrenhaften Frie. den" gegründet worden sei. Es ist das die Organisation, die die Auffassung der maßvollen" Annegionsfreunde vertritt, die sich schirmend hinter den Reichskanzler und seine Politik stellen. Vorsitzender des Ausschusses ist Für st Wedel, der frühere Statthalter von Elsaß- Lothringen . Nach den Ber­liner Neuesten Nachrichten" gehören dieser privilegierten Friedensgesellschaft" außerdem an:

die beiden politisch radikalen Geschäftsführer, die Herren Ulrich Rauscher und Breuer, Großindusterielle, die mit der Regierung viel zusammenarbeiten, wie Herr Geheimrat b. Guilleau m e. Daneben Oberbürgermeister, Geheime Kom­mergienräte, Bankdirektoren. Ein wenig ist auch die Wissen­schaft vertreten. Vor allem aber der Erzberger - Konzern. Vor allem August Thyssen und Herr Riedemann, der Olgewaltige, der dem Zentrum so reich die Kasse füllt. Manche sehen nicht ohne Bedauern auch den Generaldirektor Heineken vom Nordeutschen Lloyd darin.... Für unser Gefühl ist der Norddeutsche Lloyd eine zu selbständige Firma in einer( unseres Erachtens zur Unzeit) aufgestellten offiziösen Schutztruppe."

Der Reichsanzeiger" gab die Gründung der Deutschen Nachrichten- Verkehrsgesellschaft m. b. H. be­kannt. Ihr gehören nach der Welt am Montag" an: die Herren Ulrich Rauscher ..., Röchling ( der be­fannte Schwerindustrielle) und Fieseler, Geschäftsführer von Lingner". Das genannte Blatt fügt noch diese Mitteilung hinzu: Ein eigentümlicher Zufall will es, daß die neue Ge­sellschaft in demselben Hause( Wilhelmstraße 37) domiziliert, in dem auch der unter so geheimnisvollen Umständen ins Leben gerufene Deutsche Nationalausschuß des Fürsten Wedel sein Heim hat."

Den Zielen der maßlosen" Annerionsfanatiker dient der ,, Unabhängige Ausschuß für einen deutschen Frieden". Seinen Vorsitz führt Professor Dietrich Schäfer , der sich einen politischen Namen erworben hat als einer der Hauptagitatoren für den rücksichtslosesten Unter­seebootskrieg wie für die Professoreneingabe, deren Kriegs­zielforderungen sich ungefähr mit dem Begehren der sechs Wirtschaftsverbände decken. Der Unabhängige Ausschuß" besteht bereits seit einem Jahre und in aller Stille wirken für ihn wie er selbst mitteilt- Tausende von Vertrauens­männern als Angehörige aller Lebensberufe in allen Landes­teilen Deutschlands ". Die bestehenden Verhältnisse hätten die Organisation, wie Professor Schäfer erklärt, bisher an einer wirksamen Arbeit verhindert". Nun aber, nach der Gründung des Deutschen Nationalausschusses" und nach der Ankündigung seiner allgemeinen Werbetätigkeit ist der Unabhängige Ausschuß" entschlossen, die gleiche Freiheit für seine Betätigung in Anspruch zu nehmen."

Die privilegierte Friedensgesellschaft" ist unbehindert durch die Fußangeln und Fallgruben des Belagerungszustan­des rasch von den Worten zur Tat geschritten. Sie hat alle Vorbereitungen getroffen, daß am 1. August in 75 größeren Städten werbende Versammlungen für ihre Ziele stattfinden sollen. Die Münchner Allgemeine Beitung" hat den Wortlaut eines Schriftstücks veröffentlicht, mit dem die Organisation demnächst an die Öffentlichkeit treten will. Der Aufruf erklärt als Ziel des Deutschen Nationalausschusses"