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Die Gleichheit

jeden Bürger das Verbot erging, den Angeklagten Zuflucht zu gestatten; aber niemand, selbst am Hofe, täuschte sich über die Macht solcher Befehle. Man wußte recht gut, wo die fünf Parlamentsmitglieder waren, selbst das Haus in Coleman Street, worin sie sich befanden, war bekannt, aber niemand glaubte, daß man bis dorthin dringen könne. Nur Lord Digby wollte durch seine Verwegenheit seine unklugen Ratschläge und die im Augenblick der Anklage im Oberhaus bewiesene Schwäche wieder gutmachen; er erbot sich gegen den König, mit Lunsford und einigen Kavalieren, die Angeklagten per­sönlich aus ihrem Zufluchtsort zu holen und sie ihm tot oder lebendig zu bringen. Karl wies aber, sei es nun aus einem überbleibsel von Achtung für die Geseze oder aus Furchtsam keit, den Vorschlag zurück und entschloß sich, am folgenden Tage selbst nach der City zu gehen, um feierlich von dem Kommunalrat die Auslieferung der Angeklagten zu berlan­gen, da er sich schmeichelte, durch seine Gegenwart und gnä­digen Worte das Volk, dessen Zorn er nicht vorausgesehen hatte, besänftigen zu können.

Wirklich verließ er( 5. Januar 1642) Whitehall gegen zehn Uhr morgens, ohne sich von seiner Garde begleiten zu lassen, wodurch er sein unbedingtes Vertrauen auf die Liebe seiner Untertanen beweisen wollte. Das Volk drängte sich auf den Straßen herbei, welche er durchfuhr, blieb aber kalt und düster und erhob die Stimme nur, um ihn zu beschwören, sich mit seinem Parlament zu vertragen. An einigen Stellen bernahm er drohendes Geschrei; die Worte: Immunität! Jmmuni­tät!" erschallten um ihn her, und ein gewisser Walker warf in feinen Wagen eine Flugschrift unter dem Titel: Zu deinen Belten, Ifrael!"( Der Empörungsruf der zehn Stämme bei der Trennung von Rehabeam .) In Guildhall( dem Rathaus) angekommen, verlangte Karl die fünf Mitglieder mit her­ablaffenden milden Worten, indem er zugleich seine Ergeben heit gegen die protestantische Religion und die Aufrichtigkeit seiner Zugeständnisse beteuerte und nur den Gesetzen gemäß zu handeln versprach. Seine Worte wurden nicht mit dem er­warteten Beifall aufgenommen. Der Kommunalrat war ernst und düster wie das Volk. Der König wendete sich zu einem von den Sheriffen, wie es hieß, einem eifrigen Presbyterianer, und sagte ihm, daß er bei ihm speisen wolle. Der Sheriff ver­neigte sich und empfing nach beendigter Sigung den König glänzend und ehrerbietig in seinem Hause. Bei der Rückkehr nach Whitehall fand Karl aber von der Menge wieder die gleiche Aufnahme und langte verstimmt und niedergeschlagen in seinem Palast an.

Die Kammer hatte sich bersammelt, aber sogleich beschlossen, daß sie nicht frei beraten können bei einer so ungeheuren Verletzung ihrer Privilegien, und solange ihr nicht Genug­tuung zuteil geworden und sie durch eine Wache für die Zu­funft vor dergleichen Gefahren nicht sichergestellt sei. Sie hatte sich auf sechs Tage vertagt. Während ihrer Vertagung hörte sie aber nicht auf zu handeln. Ein mit großer Gewalt bekleideter Ausschuß erhielt den Auftrag, sich in die City zu begeben, eine Untersuchung über das jüngste Attentat anzu­stellen und im Verein mit den Bürgern, den treuen Freunden des Parlaments, die allgemeine Lage des Reiches, besonders Irlands , in Betracht zu nehmen. Das Komitee installierte sich mit großem Prunk in Guildhall, es wurde dort von einer starken Wache erwartet, eine Deputation des Kommunal­rates ging ihm entgegen und stellte ihm alle Kräfte und Dienstleistungen der Bürger zu Gebote. Die Sigungen des Ausschusses waren so lebhaft wie die der Kammer selbst, jedes Mitglied hatte das Recht, ihnen beizuwohnen. Das Haus, worin die fünf Angeklagten Zuflucht gefunden hatten, war ganz in der Nähe, und es geschah nichts ohne ihr Vorwissen und ihren Rat. Mehrere Male begaben sie sich sogar persön­lich zu dem Komitee, und das Volk empfing fie auf dem Wege mit Freudengeschrei und war stolz, seine Vertreter allein zu besitzen und zu bewachen. Mitten in seinem Siege unterhiel­ten geschickte Vorkehrungen seinen Schrecken, um seinen Eifer noch mehr anzufeuern. Mit jedem Tage wurde das Bündnis

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zwischen der Kammer und der City inniger, und beide wur­den durch gegenseitige Aufmunterungen dreister. Endlich ließ der Ausschuß aus eigener Machtvollkommenheit, und als ob er die Kammer selbst gewesen wäre, das Resultat seiner Untersuchung in einer Erklärung veröffentlichen, und der Kommunalrat richtete an den König eine Petition, worin er sich über die schlechten Ratgeber, Kavaliere, Papisten und den neuen Gouverneur des Towers beklagte, offen die Sache der fünf Mitglieder zur seinigen machte und alle Reformen ver­langte, welche die Kammern nur hatten ahnen lassen.

Der König befand sich allein und von seinen redlichsten An­hängern verlassen in Whitehall . Selbst die Kavaliere waren eingeschüchtert und zerstreuten sich oder schwiegen. Er ver­suchte die Petition des Kommunalrats zu beantworten und von neuem die Verhaftung der Angeklagten zu befehlen. Seine Antworten blieben aber unbeachtet und seine Befehle wirkungslos. Er erfuhr, daß die Kammer in zwei Tagen ihre Sizungen wieder beginnen und die fünf Mitglieder durch die Milizen, das Volk und selbst die Themseschiffer, deren Zu­neigung der König bisher zu besitzen geglaubt hatte, feierlich nach Westminster zurückgebracht werden würden. Wie," sagte er ärgerlich ,,, berlassen mich selbst die Wasserratten?" Und dieser Ausdruck, der sich bald unter den Schiffern verbreitete, wurde von ihnen als eine Nache fordernde Beleidigung auf­genommen. Verlassen, gedemütigt und aufgereizt von dem allgemeinen Geschrei, das ihn täglich bestürmte, ohne daß sich auch nur eine Stimme zur Zurückweisung erhoben hätte, fonnte sich Karl nicht entschließen, den Triumphzug seiner Feinde an seinem Palast vorüberkommen zu sehen.

Die abwechselnd wütende und zitternde Königin beschwor ihn, sich zu entfernen. Royalisten und nach verschiedenen Punkten des Reiches gesendete Boten versprachen ihm ander­wärts Kraft und Sicherheit, die in London besiegten Rava­liere prahlten mit ihrem Ansehen in ihren Grafschaften, vom Parlament entfernt war der König frei, aber was fonnte das Parlament ohne den König tun? Der Beschluß wurde angenommen, man kam überein, sich zuerst nach Hamp­ ton- Court und dann, wenn es nötig sei, noch weiter zu be­geben. An die Gouverneure einiger Orte, von deren Ergeben­heit man versichert zu sein glaubte, wurden geheime Befehle gesendet; der Graf von Newcastle reiste nach dem Norden ab, wo er überwiegenden Einfluß besaß. Am 10. Januar, dem Tage vor der Rückkehr der Gemeinen, verließ Karl, nur von seiner Gemahlin, seinen Kindern und einigen Dienern be­gleitet, London und den Whitehallpalast, den er nur wieder durchschreiten sollte, um sich auf das Schafott zu begeben.

Notizenteil.

Für den Frieden.

Friedensaktionen der rumänischen Sozialdemokratie. Den rumänischen Kriegsheßern, die zumeist auf der Seite der Entente stehen, war die russische Offensive eine willkommene Gelegenheit, das alte Lied anzustimmen, daß jetzt der geeignete Zeitpunkt für Rumänien gekommen sei, in den Krieg einzugreifen. Durch die rus­sische Grenzverlegung geriet die ganze Frage in ein akutes Stadium, und für die Anhänger der Neutralitätspolitit, zumal für die Sozial­demokratie, war es höchste Zeit, gegen die Kriegshetzer aufs neue öffentlich Front zu machen.

Schon vor dem Ruffeneinfall vom 13. Juni hatten die Russen­freunde am 8. Juni in Bukarest eine friegsfreundliche Kund­gebung veranstaltet, für die in den Vorstädten Teilnehmer gegen Bezahlung und freien Wein angeworben worden waren. Die So zialisten gaben die Antwort darauf, indem sie zu einer kriegs­feindlichen Kundgebung am gleichen Tage aufforderten. Der Er­folg war mit ihnen. Hatten die Kriegsheber etwa 3000 Demon­stranten zusammengebracht, so musterten die Friedenskämpfer gut die doppelte Zahl. Unter dem Vorsitz des Genossen Mari­wie der Vorwärts" meldet wurde zuerst ein herz­liches Begrüßungstelegramm an den Genossen Karl Liebknecht abgeschickt, dann sprachen die Genossen Calin, Balineanu, Rakowski und Genossin Arbore. Einstimmig gelangte fol­

nescu

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