Nr. l Die Gleichheit 3 tionskosten eine solche riesige Preissteigerung rechtfertigt, wie sie eingetreten ist, nämlich um 7V bis 100 Prozent. Auf Kosten der Verbraucher werden den Erzeugern Preise zuge­billigt, die beispielsweise bei den Kartoffeln gegen den Frie­denspreis eine Verteuerung von 100 Prozent darstellen. Ilm der Knappheit der Waren oder wie wir es diesen Sommer bei den Kartoffeln erlebten zeitweisem Überfluß, sowie den immer noch steigenden Preisen für die wichtigsten Lebensmittel entgegenzuwirken, gibt es nur ein Mittel: staatliche Regelung der Produktion. Beschlagnahme und Enteignung. Das wäre der erste Schritt zur Minderung der Not der ärmeren Bevölkerung. Als zweiter müßte sich anschließen: einheitlich geregelte Verteilung der Lebensmittel für das ganze Reich und Verbilligung der wichtigsten Lebensmittel. Hinzu muß kommen eine planmäßige Ver­teilung, um endlich zu ermöglichen, daß jeder den auf ihn entfallenden Anteil an Lebensmitteln nicht im vollsten Sinne des Wortes zuerstehen" braucht. Heute ist es ein Rätsel, wie eine erwerbstätige Frau und Mutter überhaupt Zeit findet, auch nur die allernotwendigsten Nahrungsmittel zur Versorgung ihrer Familie einzukaufen. Die arbeitende Bevölkerung hat am schwersten zu leiden unter der Lebensmittelnot und Teuerung. Tritt die dringend notwendige Besserung nicht ein, so wird die unausbleibliche Folge sein müssen: Erhöhung der Arbeitslöhne und der Unterstützungen der Kriegerfamilicn und Arbeits­losen. Die Gemeinden sind gegen den Notstand machtlos. Weder auf die Erzeugung noch auf die Versorgung können sie irgendwie entscheidend einwirken. Sie müssen mit dem für­lieb nehmen, was ihnen das Kriegsernährungsamt zuweist, sei es gut oder schlecht, viel oder wenig. Nur eine reichsgesetzliche Regelung kann Abhilfe bringen. Was bis jetzt auf diesem Gebiet geschehen ist, wurde törichter­weise alsKriegssozialismus" bezeichnet. In Wirklichkeit ist es nur eine Organisierung der wirtschaftlichen Bedarfsdeckung unter weitestgehender Berücksichtigung der Interessen des Groß­kapitals in Landwirtschaft und Industrie. Dieser Schutz ist auch vollauf gelungen die Bedarfsdeckung aber mußte sich als eine unerfüllbare Aufgabe erweisen. So sieht der viel­geprieseneKriegssozialismus" aus! Mathilde Wurm  . Frauenkonferenz in Groß-Berlin. Groß-Berlin und einige andere Bezirke hatten bei dem Parteivorstand beantragt, in Anschluß an die Reichskonferenz eine Reichsfraucnkonferenz einzuberufen, um den Genos­sinnen im Reiche nach so langer Zeit und so welterschüttern­den Ereignissen Gelegenheit zu einer Aussprache zu geben über Organisation und Agitation unter den Frauen, über die Frauen­erwerbsarbeit, Arbeiterinnenschutz, Wahlrecht und Nahrungs­mittelversorgung. Leider lehnte der Parteivorstand diese An­träge ab. Für seinen Standpunkt führte er in einem Briefe an den Zentralvorstand von Groß-Berlin folgende Gründe an: Die Ernährungsfrage sei keine spezielle Frauenfrage, son­dern eine Angelegenheit der Gesamtpartei, die sich wiederholt und kürzlich in der Partei-Ausschußsttzung mit ihr beschäftigt habe. Eine Frauenkonferenz könne an den Dingen auch nichts ändern. Zur Frauenerwerbsarbeit Stellung zu nehmen, sei Gelegenheit nach Beendigung des Krieges, wenn man einen Überblick habe, wie die Dinge sich gestalten. Die Notwendig­keit der Agitation im allgemeinen und insbesondere unter den Frauen könne auf der Reichskonferenz mitbesprochen werden. Ein Vorstandsvertreter will gern die Notwendigkeit dieser Agi­tation betonen." Zur Zeit der Absendung dieses Ablehnungsschreibens dürfte dem Parteivorstand bereits bekannt gewesen sein, was Genosse Ebert in seinem Referat der Reichskonferenz mitteilte, daß seit Kriegsausbruch 39 Prozent der weiblichen Mitglieder der Organisation verloren gegangen sind, daß ihre Gesamtzahl von 174754 im Jahre 1914 auf 107336 im Jahre 1916 gesunken ist. Diese Tatsache allein würde die Einberufung einer Neichs- frauenkonferenz gerechtfertigt haben. Das aber um so mehr, als der Parteivorstand sich hätte sagen können, daß die Er­örterungen über die Haltung der Partei zur inneren und äußeren Politik die Reichskonferenz vollständig ausfüllen und beherrschen werde. So ist es auch in der Tat gekommcnl Der Frauen geschah nur Erwähnung in jener kurzen und doch so beredten Mitteilung Eberts über den Rückgang der Mit­gliederzahl. Der Zentralvorstand von Groß-Berlin hatte sich als weit­sichtiger erwiesen als der Parteivorstand und einen Antrag der Groß-Berliner Genossinnen auf Abhaltung einer Bezirks­konferenz in Anschluß an die Reichskonferenz einstimmig angenommen. So war wenigstens den Genossinnen von Groß- Berlin Gelegenheit gegeben, sich zu den wichtigsten Fragen der augenblicklichen Lage äußern zu können, wenn auch der eine Konferenztag zu einer gründlichen Behandlung aller die Genossinnen beschäftigenden Probleme lange nicht genügte. . Eine Anzahl Genossinnen anderer Städte waren auf eigene Kosten nach Berlin   gekommen, um als Gäste an der Fraueu- konferenz teilzunehmen. So Genossinnen aus Stettin  , Brau li­sch weig, Leipzig  , Düsseldorf  , Dresden  , Stuttgart  . Der Tagung wohnten noch einige andere Genossinnen und Ge­nossen bei, die als Delegierte zur Reichskonferenz aus Ham­ burg  , Remscheid  , Breslau  , Altena  -Iserlohn   entsandt waren, ebenso ein Vertreter der Redaktion derGleichheit". Die verhältnismäßig große Anzahl von Gästen hat gezeigt, wie stark das Bedürfnis nach Abhaltung einer Reichsfraucn­konferenz ist. Damit ist auch für die Notwendigkeit ihrer baldigen Einberufung der Beweis erbracht. Denn bei aller Anerkennung dessen, was die Berliner   Konferenz den Genos­sinnen an Anregung, neuem Mut und frischer Tatkraft geben konnte, eine Reichsfraucnkonferenz wollte sie' nicht er­setzen und hat sie nicht ersetzt. Aber eines noch ist klar zutage getreten. Nicht nur die Genossinnen in Groß-Berlin, sondern auch in weiten Teilen des Reiches, ganz besonders in den Jndustricgegenden, gehören mit ganz wenigen Ausnahmen derMinderheit" in der Partei an. Sic sind von Kriegsaus­bruch an eine starke Stütze derOpposition" innerhalb der Partei und geradezu eine vorwärts treibende Kraft gewesen. Sie stehen fest auf dem Boden des internationalen Sozialis­mus. Dieser Tatsache entsprach sowohl das ausführliche Re­ferat der Genossin Zietz überDie Frauenerwerbsarbeit mit allen ihren Konsequenzen" wie auch die gesamte Debatte, und sie kam. auch in den zahlreich eingelaufenen Re­solutionen zum Ausdruck. Die Darlegungen der Genossin Zietz gaben ein anschau­liches Bild der Zunahme der Frauenerwerbsarbeit seit dem Kriege in allen Berufen, auch in solchen, die vordem aus­schließlich von Männern ausgeübt wurden. Genossin Zietz schilderte die Umformung der Friedensindustrie in eine Kriegs­industrie, die Stockungen, ja die Betriebseinstellung aus Mangel an Rohmaterial in ganzen Gewerben, wie in der Textilindu­strie, und das Hweinströmcn der durch den Krieg arbeitslos Gewordenen in andere Berufe. Gerade bei den GewerbegruPpen, die durch den Krieg am schwersten geschädigt sind, wie die Textil- und Konfektionsindustrie, so hob Genossin Zietz hervor, seien die Arbeiterinnen aber meistens körperlich so schwach, daß ihnen die Ausübung eines anderen Berufs schwer mög­lich ist. Als die Kriegswirtschaft die außerordentliche Eignung der Frau zu fast allen Berufen erkannt, habe dies eine noch rücksichtslosere Einziehung der Männer zum Heeresdienst zur Folge gehabt. Dies auch die Ursache, weshalb die Zahl der erwerbstätigen Frauen sich fortwährend weiter vergrößere. I» den Einzelheiten ihrer Ausführungen stützte sich die Neferentin auf ihre bekannte BroschüreZur Frage der Frauenerwerbs­arbeit während des Krieges und nachher"."___ - Buchhandlung Vorwärts. Sozialdemokratische Frauenbibliothek IX. Herausgegeben vom Parteivorstand der sozialdemokratischen Partei Deutschlands  .