Nr. 2
27. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.
Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
Inhaltsverzeichnis.
Worauf es ankommt. Delegiertenversammlung des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes. Von**.- Postbeamtinnen und Krieg. Von b. t. Resolutionen der sozialistischen Frauenkonferenz für Groß Berlin . Aus der Bewegung: Genossin Hope Bridges Adams- Lehmann+. Gewerkschaftliche Rundschau. Genossen schaftliche Rundschau. Von H. F. Notizenteil: Aus dem öffentlichen Leben. Fürsorge für Mutter und Kind.
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Für den Frieden. Frauen in öffentlichen Ämtern.
Worauf es ankommt.
Seitdem der Reichstag wieder zusammengetreten ist, plätschert der Fluß des parlamentarischen Lebens in der gewohnten Kriegszeitweise weiter. Der Reichskanzler trug dem Reichstag den erwarteten Monolog vor, der sich in verschwommenen Redensarten mit den brennendsten Fragen der äußẞeren und inneren Politik auseinandersetzte und trop beachtens merter Konzessionen an die Auffassung der Fronde" bei feiner einzigen Partei die berühmte begeisterte Zustim mung" fand. Dann zog sich der Parlamentarismus in das verschlossene, dunkle Kämmerlein des Hauptausschusses zurück, bescheiden, wie es ihm im imperialistischen Zeitalter geziemt. Allein die Entwicklung der Dinge in der Auslandsund Heimatspolitik ist so stark, daß sie auch diesen demütig dienenden Gesellen ein Schrittchen vorwärtstreibt auf dem Wege, er selbst zu sein, wirklicher, machterfüllter Parlamentarismus zu werden.
Der Hauptausschuß hatte drei Anträge zu beraten, die einen schwachen Anlauf in der Richtung zum parlamentarischen Regierungssystem bedeuten. Nationalliberale forderten einen Reichstagsausschuß für auswärtige Politik mit der Befugnis, auch dann zu tagen, wenn der Reichstag nicht zusammengetreten ist. Die Fortschrittler stellten einen wesens gleichen Antrag mit der Abänderung, der Reichskanzler möge darauf hinwirken, daß die geheischte Befugnis dem Ausschuß eingeräumt werde. Das Zentrum endlich wollte den Hauptausschuß des Reichstags mit den erwähnten Aufgaben und der entsprechenden Befugnis betraut wissen. Kern der drei Anträge war das Begehren, dem Reichstag einen etwas stärkeren Einfluß auf den Krieg und die Fragen der Auslandspolitik einzuräumen.
Nach den vorliegenden Veröffentlichungen sind sie bei der Beratung im Hauptausschuß mit jener zahmen Behutsamfeit begründet worden, die dem beschränkten Untertanenverstand vor einer hohen Regierung gebührt. Immerhin lassen sie erkennen, daß bei den bürgerlichen Parteien leise Zweifel an der vorsehenden und handelnden Allweisheit der Neichsleitung vorhanden sind. Die bürgerlichen Parteien und die hinter ihnen stehenden Gesellschaftsschichten wollen neben der verwaltenden, diplomatisierenden und regierenden Bureaukratie mehr entscheidenden Einfluß auf die Reichsgeschäfte und namentlich auf die Auslandspolitik gewinnen. Die vom Krieg geschaffene politische Lage hat den Wunsch
Buschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( Zundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
danach sich kräftiger regen lassen, und die versteckten und offenen Ragbalgereien um die Person des Reichskanzlers, seine Politik und die von ihm vertretene Auffassung über die Methoden und Mittel der Kriegführung haben schließlich als Geburtshelfer mitgewirkt. Der letztere Umstand ist recht bezeichnend und lehrreich für die Beurteilung der Dinge. Die Broschüre des Junius alter zum Beispiel teilt Tatsachen darüber mit, daß bestimmende Einflüsse unverantwortlicher Persönlichkeiten beim Kriegsausbruch die Politik des allein Verantwortlichen durchkreuzt und die verhängnisvolle Entscheidung herbeigeführt haben..
Im Hauptausschuß wurde der nationalliberale Antrag gegen 2, der fortschrittliche gegen 5 Stimmen abgelehnt, der des Zentrums gelangte mit großer Mehrheit gegen das Votum der Konservativen zur Annahme. Zur Stunde, wo wir schreiben, ist die Entscheidung über ihn im Plenum des Reichstags noch nicht gefallen. Voraussichtlich wird er aber auch dort gegen das Nein der Konservativen triumphieren. Wir sind außerstande, die freundliche Illusion zu nähren, als ob die Schwalbe dieser Reichstagsentscheidung den Sommer einer parlamentarischen Regierung machen könnte. Die Entschließung des Parlaments wird das Schicksal so mancher Vorgängerin teilen. Verbindliche Worte des Verständnisses für die achtungswerten, schönen Beweggründe des Begehrens, sorgenschwere Bedenken gegen vermeintlich unübersteigliche Schwierigkeiten und verderbliche Folgen der Durchführung werden den Beschluß in das parlamentarische Totenhaus geleiten. Wie dürften wir auch einen Zuwachs an Macht für ein Parlament erwarten, das sich selbst jeder entscheidenden Macht begeben, das nie den festen, unbeugsamen Willen zur Macht betätigt hat?
Vergessen wir nicht der Gelassenheit, mit der der Reichs tag seine tatsächliche Ausschaltung als Machtfaktor in der Frage der Ernährungspolitik, des Belagerungszustandes und der Zensur trägt, des Eifers, mit dem er im Falle Liebknecht die Immunität der Volksvertreter, das Grundrecht und die Grundbedingung jedes Parlamentarismus, preisgegeben hat. Es bedurfte nicht einmal der Ausnahmeverhältnisse dieses Krieges, damit der Parlamentarismus der herrschenden Klassen Deutschlands seine Ohnmacht, seinen freiwilligen Berzicht auf die entscheidende Macht enthüllte. Die Geschichte des Reichstags ist ein fortlaufender Beweis dafür. Der„ Vorwärts" fonnte mit Recht darauf hinweisen, daß die bürgerlichen Parteien auch jetzt nur mit kleinen Palliativmittelchen an unseren Verfassungszuständen herumdoktern wollen, wo lediglich eine Radikalfur die Besserung bringen kann: die Einführung des parlamentarischen Regierungssystems in Deutschland ". Und er erinnerte daran, daß die Sozialdemokratie allein die Konsequenzen aus der Verfassungskrise des Jahres 1908 gezogen hatte, die sich an die Veröffentlichungen des Daily Telegraph ' über gewisse Äußerungen Wilhelms II. anschloß". Sie beantragte einen detailliert ausgearbeiteten Gesezentwurf, der verlangte, daß der Neichskanzler für seine Amtsführung und das poli