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Die Gleichheit

vorstandes wurde durch ein Referat der Vorsitzenden, Ge­nossin Bloch, ergänzt und einstimmig gutgeheißen.

Zu recht ausgiebigen und zum Teil stürmischen Ausein­andersetzungen kam es beim ersten Punkt der Tagesordnung: Neuregelung der Redaktionsverhältnisse der Vorkämpferin", des Verbandsorgans. Der Zen­tralvorstand hatte dazu diesen Antrag gestellt: In Anbe­tracht, daß seit Mai 1916 der Zentralvorstand gemeinsam die Vorfämpferin' redigiert und daß sich diese Art der Redak­tion bewährt, beschließt der Delegiertentag, die Redaktion des Blattes sei vom Zentralvorstand zu übernehmen." Der Antrag bedeutete eine einschneidende Änderung. Die ver­dienstvolle Genossin Hüni hatte eine Reihe von Jahren die Redaktion der Vorfämpferin" allein geführt. Seit Mai 1916 war jedoch die Druckerei vom Zentralvorstand ange­wiesen worden, nur Manuskript zu setzen, das sein Visum trug. Die Neuerung wurde mit der Notwendigkeit begrün­det, daß das Verbandsorgan zu den auftauchenden und be­handelten Fragen grundsäßlich Stellung nehme. Nicht als ob gegen die Redakteurin der Vorwurf erhoben worden wäre, sie stehe mit ihrer eigenen Auffassung nicht auf einem festen grundsätzlichen Boden. Nicht als ob man es getadelt hätte, daß sie in der Vorfämpferin" die verschiedensten Richtungen zum Wort kommen ließ. Was der Zentralvorstand forderte und erreichen wollte, war bei voller Freiheit der Meinungs­äußerung eine grundsäßlich kritische, bestimmte Stellung zu den verschiedenen Meinungen und damit eine einheitliche, ge­schlossene Haltung des Blattes. Aber wie die sachlichen und technischen Dinge in einer Redaktion liegen, mußte die Maß­regel des Zentralvorstandes zu Reibungen und Unzuträglich­feiten führen. Die Debatten über den heißumstrittenen An­trag ließen hervortreten, daß es sich weder um zwei verschie­dene grundsätzliche Strömungen in der schweizerischen Frauen organisation handelte, noch um den Gegensatz zwischen Kopf und Herz". Deshalb konnte auch der nachstehende Einigungs­antrag zur Annahme gelangen, der vom Genossen Greu I ich eingebracht und begründet wurde: Als geschäfts­führende Redakteurin wird Genossin Marie Hüni gewählt. Der Zentralvorstand entscheidet über die Aufnahme und Ab­lehnung von Artikeln, Einsendungen und Illustrationen."

Rege Erörterungen galten organisatorischen Fra gen. Die wichtigste davon war die, daß der Arbeiterinnen­verband sich in der jezigen Form auflöse und ganz in die Partei eingehe. Der Zentralvorstand beantragte diesen Schritt und legte darüber eine Reihe von Thesen vor, die mit unwesentlichen Abänderungen zur Annahme gelangten und in den einzelnen Sektionen diskutiert werden sollen. Nach diesen Thesen soll der Zentralverband der Arbeiterinnen­vereine in der bisherigen Form aufgelöst werden, die Ar­beiterinnen- und Frauenvereine sind innerhalb einer bestimm­ten Frist in die allgemeine Arbeiterorganisation einzuglie­dern. Innerhalb der allgemeinen lokalen Organisation der Partei soll eine Frauengruppe gebildet werden, die für die besondere Agitationsarbeit unter dem weiblichen Proletariat gesonderte Sizungen abhalten muß. Die Frage der Beitrags­leistung ist zu regeln. Unter den neun Mitgliedern der Par­teileitung haben sich drei Genossinnen zu befin­den. Die Geschäftsleitung wählt eine dem seitherigen Zen­tralvorstand entsprechende Frauenagitationskom mission, der diese drei Genossinnen als Erekutivausschuß vorstehen. Die Frauenagitationskommission besorgt die Agi­tationsarbeit unter dem weiblichen Proletariat, unterhält die Beziehungen der Frauengruppe mit der Geschäftsleitung so­wie mit der internationalen Organisation der sozialdemokra­tischen Frauen und führt die Frauentage durch. Die Partei Teistet eine jährliche, vom Parteivorstand festzusetzende Sub­vention zu den Kosten der Agitationsarbeit unter den prole­tarischen Frauen. Die Partei übernimmt die ,, Vorfämpferin", die das Organ der Genossinnen bleibt, bis eine regelmäßige Frauenbeilage zu der Parteipresse geschaffen worden ist. Die Tagung erklärte sich ferner für einen Antrag der Sektion

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Biel, den Frauentag fünftig auf den ersten und zwei­ten Sonntag im März festzusehen.

über die Gewerkschaftliche und politische Mitarbeit der Frauen" hielt Genossin 3 in a( Bern ) ein treffliches Referat. Genossin Turnheer( Luzern ) vertrat den Antrag: Wie kann die Agitation unter den Frauen in Gegenden mit vorwiegend fatholischer Bevöl­kerung gefördert und erleichtert werden?" In der Debatte darüber gingen die Meinungen auseinander. Es wurde unter Berufung auf den Parteigrundsatz: Religion ist Privatsache" davor gewarnt, einen Kampf gegen die Kirche zu führen. Eine Rednerin teilte mit, daß ein Fabrikant am Zürichsee für seine Arbeiterinnen eine eigene Kirche unter­hält, um sie vollständig beherrschen zu können. Ein Beschlußz wurde nicht gefaßt. In anderem Zusammenhang wurden Mit­teilungen über die elenden Lohnverhältnisse der Heimarbeiterinnen gemacht. Für ein Dußend hand­genähter Handtuchsäume gab es zum Beispiel einen Lohn von 90 Centimes, für das Anfertigen eines Hemdes 25 Cen­times, wobei die Arbeiterinnen noch selbst den Faden zu lie­fern hatten. Scharfe Kritik richtete sich gegen die Wohl­tätigkeitsdamen", die solche Bettellöhne zahlen. In eine Heim­arbeiterinnenversammlung kamen zwar geschlossen die Unter­nehmer, aber die Heimarbeiterinnen blieben aus Furcht vor ihren Brotgebern" der Versammlung fern.

Als Vorort des Verbandes wurde Zürich bestätigt. Zum Schlusse wurde eine Sympathiekundgebung für die inter­nationale Sekretärin der sozialdemokratischen Frauen be­schlossen, in der es unter anderem heißt:

" In einem Zeitpunkt, wo auch in unserer kleinen Schweiz , die bis heute von dem europäisch- imperialistischen Kriege ver­schont war, eine kriegsheberische Partei an der Arbeit ist, wo sich gegen unsere Jugendorganisation, gegen unsere Partei­genossen und unsere Presse ein blindwütendes Kampfgeschrei erhebt, erinnern sich die Genossinnen, welche die Delegierten­versammlung des Schweizerischen Arbeiterinnenverbandes sehr zahlreich besuchten, daß durch Ihr Bemühen die soziali­ stischen Frauen die ersten waren, welche für die Friedens­aktion in Bern zusammentraten.... Der Wunsch, die allge­meinen Fraueninteressen und die Friedensaktion mit Ver­treterinnen der sozialistischen Frauen aller Länder zu beraten, ist so groß und allgemein, daß wir die Frage an Sie richten, ob Sie unseren Zentralvorstand bevollmächtigen könnten, eine zweite internationale Frauenkonferenz einzuberufen...." Die prächtig verlaufene Delegiertenversammlung wurde von der Präsidentin, Genossin Bloch, mit einem Hoch auf die Internationale geschlossen.

Postbeamtinnen und Krieg.

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Wie die meisten anderen Frauenberufe hat der Krieg auch den der Postbeamtin in mannigfacher Weise beeinflußt. Auch beim Postdienst hat man Frauen Arbeiten übertragen, die bisher von Männern geleistet wurden, und man darf wohl annehmen, daß dabei der allgemein übliche kapitalistische Grundsatz befolgt worden ist, den Frauen für die gleiche Ar­beit weniger Lohn zu gewähren. Leider stehen uns dafür keine zahlenmäßigen Belege zur Verfügung. Für die Mehrbeschäfti­gung von weiblichen Beamten, für die Umgruppierung der Arbeit sowie für die Beurteilung der verschiedenen schwierigen Probleme, die der Krieg für die Postbeamtinnen mit sich gebracht hat, gibt ein Aufsatz von Else Kolshorn einiges Material. Die Verfasserin ist Vorstandsmitglied des Verbandes der Post- und Telegraphenbeamtinnen. Ihre Ausführungen über Krieg und Arbeit, Post- und Tele­graphenbeamtinnen" ist im Archiv für Frauenarbeit" er­schienen. Der genannte Verband hat über die Erweiterung der Frauenarbeit im Bereich der Reichspost- und Telegraphen­verwaltung eine Umfrage angestellt, die sich jedoch nur auf die Arbeit der Beamtinnen erstreckt.