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Die Gleichheit
Kriegskosten dar. Es gibt aber noch zwei weitere Kostenanschläge: Erstens: Die während des Kriegs verlorene Arbeit. Zweitens: Der Wert, der für immer verlorenen Männer, ohne Berücksichtigung der Verkrüppelten.
Ich unterbreite Ihnen zunächst den Wert der verlorenen Arbeit. Es befinden sich 61/2 Millionen Männer unter der Fahne. Auf diese 6/2 Millionen kommen sicherlich 5 Millionen wirklich Schaffender. Wenn ich den sozialen Wert der Arbeit eines jeden Mannes mit 10 Franken täglich ansetze und das Arbeitsjahr mit 300 Tagen be= rechne, so ergibt das für jeden einzelnen einen Gesamtwert von 3000 Franken jährlich oder, mit 5 Millionen multipliziert, 15 Milliarden Franken am Ende des Jahres. Da nun der Krieg bei dieser Politit der Regierung wenigstens noch ein Jahr dauern wird, so haben wir mit drei Jahren Krieg zu rechnen. Infolgedessen wird Frankreich an Werten sozialer Arbeit dreimal 15 Milliarden, also 45 Milliarden eingebüßt haben. Das ist der zweite Kostenaufriß: 45 Milliarden glatter Verluste!
Der dritte Kostenaufriß ist der schmerzlichste. Er betrifft den wirtschaftlichen Wert der auf den Schlachtfeldern gefallenen Männer. Ich will nicht einmal den moralischen Wert in Betracht ziehen, denn der moralische Wert eines Mannes im ureigensten Sinne des Wortes genommen, ist einfach unberechenbar. Welch ungeheures Kapital an Gefühlen, Neigungen, Klugheit, Talenten, Erfindungskunst, Wissenschaft und vielleicht sogar an Genie stellen unsere Toten dar! Kein Sterblicher könnte das berechnen! Ich möchte hier nur sozusagen in roher Form versuchen, den Durchschnittswert der Arbeit zu be= rechnen, die all die Männer hätten leisten können, die jetzt unterm grünen Rasen liegen. Um diese Arbeit, meine Herren, kommen wir nicht herum! Wieviel Männer werden wir zu Ende des Kriegs verloren haben? Ich habe bereits gesagt, daß der Krieg bei dieser Politik des Herrn Briand wenigstens noch ein Jahr dauern wird. Nehmen wir an, daß am Ende des Kriegs Frankreich ein und eine halbe Million an Toten zu beklagen hat. Wie ich vorhin berechnet habe, beziffert sich der wirtschaftliche Wert der verlorenen Arbeit für jeden einzelnen auf 3000 Franken jährlich. Wenn ich einen Durchschnitt von 33 Arbeitsjahren annehme, so komme ich zu der Biffer von 100000 Franken für jeden einzelnen Mann. Vervielfältigen Sie diese 100000 Franken mit 1 Millionen, so erhalten Sie 150 Milliarden Franken an wirtschaftlicher Kraft getöteter Franzosen verloren, 150 Milliarden verloren für Frankreich .
Wir haben also mit drei Ziffern zu rechnen: Erstens: 50 Milliarden öffentlicher Ausgaben zur augenblicklichen Stunde, zu denen in einem Jahre wenigstens noch 30 Milliarden gekommen sein werden. Die öffentlichen Kriegskosten werden sich also sicherlich auf 80 Milliarden belaufen. Ich glaube nicht zu übertreiben, wenn ich die Kosten der Schadenvergütungen usw. auf wenigstens 5 Milliarden veranschlage. Man bedenke demgegenüber, daß man ehemals nicht einmal Geld für die geringsten Forderungen sozialer Fürsorge fand. Zu diesen 85 Milliarden muß man jedoch auch noch unsere alten Schulden in Höhe von 30 Milliarden hinzufügen, die jetzt gar zu sehr in Vergessenheit geraten. Das macht also im ganzen 115 Milliarden. Das ist der Abgrund, der zugedeckt werden muß.
Die zweite Ziffer stellen die 45 Milliarden der bereits jetzt verlorenen Arbeit dar, zu denen in einem Jahr weitere 15 Milliarden kommen werden. Im ganzen also 60. Milliarden. Die dritte Ziffer sind die 150 Milliarden, die mit unseren Toten in der Erde liegen. Also 115 bis 120 Milliarden Staatsschuld und zirka 200 Milliarden andere Verluste. Im ganzen 320 Milliarden! So sieht der Krieg aus, zahlenmäßig dargestellt. Ich betone, daß ich das moralische Problem unberührt lasse.
Der Krieg, meine Herren, ist ein„ Geschäft"! In unserer kapitalistischen Zeitperiode sind die Kriege und auch der augenblickliche Krieg nichts als Geschäfte. Ein Geschäft muß aber auch wie ein Geschäft behandelt werden! Einsichtig, vorsichtig und mit einem Blick auf die Zukunft. Anstatt das Blut seines Landes zu vergießen, sollte Herr Briand um das gewünschte Endziel, den Sieg, also die nationale Unabhängigkeit, die wir alle wünschen, zu erreichen, sich lieber überlegen, ob man dieses Ziel nicht durch Verhandlung oder Vermittlung erreichen kann. Man kann und muß verhandeln. Be= vor man den unerschütterlichen Beweis hat, daß jede friedliche Lösung unmöglich ist, hat man nicht das Recht, so fortzufahren und ohne zu rechnen die Milliarden des Volkes in den Abgrund und seine Männer in das rasende Feuer des Todes zu werfen!"
Von der Friedensbewegung in England. Eine Reihe angesehener englischer Persönlichkeiten hat ein Friedensmani= fest unterzeichnet, das in der Zeitschrift" The Arbitrator"( Der Schiedsrichter) veröffentlicht worden ist, dem Organ der International Arbitration League( Liga für internationalen Schieds
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spruch), die William Randall Cremer 1870 begründet hat. Das Manifest wendet sich an die Freunde ven Frieden und internatio naler Gerechtigkeit in Schweden , Norwegen und Dänemark , die berufen sind, den Völkerfrieden und das Recht zwischen den Völ fern wieder aufzurichten". Die Einleitung des Dokuments enthält Ausführungen, die zeigen sollen, daß die Unterzeichner vom eng lisch - vaterländischen Gesichtspunkt aus für den Frieden und das Völkerrecht eintreten. Dann wird die Eröffnung von Friedensver= handlungen auf einer Grundlage gefordert, die dem Völkerrecht die meiste Rücksicht trägt. Zur Begründung heißt es unter anderem nach dem„ Berliner Tageblatt" vom 5. Oktober:„ Wir denken nicht daran, Deutschland vernichten zu wollen. Wir wissen, daß ein großes Volk nicht vernichtet werden kann und daß ein derartig unsinniger Versuch nur auf diejenigen zurückschlagen würde, die ihn unternehmen wollten. Wenn unsere Minister von der Vernichtung des preußischen Militarismus sprechen, so verurteilen sie hiermit lediglich ein System, das ganz Europa zur Bewaffnung zwang und jetzt Millionen in den Kampf und Tod getrieben hat. Dieses System könnte aber leicht aus der Welt geschafft werden. Deutschland dürfte nur bereit sein, sich freiwillig dem zu fügen, was die meisten Völker schon vor, vor allem aber während dieses Krieges immer mehr ersehnen: die Lösung internationaler Streitigkeiten durch ein internationales Schiedsgericht und eine internationale Kommission, die zu verhindern hat, daß offen oder geheim durch Militärmacht ein Druck auf internationale Verhandlungen geübt werden kann."
Friedenswille in der englischen Arbeiterschaft. Der„ Vorwärts" berichtet nach der Morning Post" von einer Sibung des beratenden Ausschusses der schottischen Arbeiterpartei, die am 23. September in Edinburg unter dem Vorsitz No= bert Smillies vom Bergarbeiterverband stattgefunden hat. Smillie sagte, es bestehe ein zunehmender Wunsch, daß jede Gelegenheit für einen befriedigenden Frieden ausgenutzt werden müsse. Der Krieg dürfe auch nicht einen Augenblick länger um der Nache willen fortgesetzt werden. Es kam in der Sizung zu einer heftigen Erörterung über einen Antrag, der die militärische und industrielle Wehrpflicht verurteilt und die sofortige Annullierung des Wehrpflichtgesebes fordert. Der Antrag wurde mit 50 gegen 33 Stimmen angenommen. Ferner ging ein Antrag durch, der eine baldige Versammlung der Arbeiter- und Sozialistenparteien aller europäischen Länder befürwortet. Ebenso erklärte sich der Ausschuß mit 57 gegen 29 Stimmen zugunsten der Einleitung von Friedensverhandlungen bei der ersten sich bietenden
Gelegenheit.
Die Sozialisten von San Marino gegen den Krieg. Der kleinste der am Weltkrieg teilnehmenden Staaten ist die Republik San Marino mit ihren 10.655 GEinwohnern. Sie hat Österreich den Krieg erklärt. Nach einer Meldung der„ Daily News" haben die Sozialisten dieses Zwergstaats einen Agitationsfeld= zug gegen den Krieg eingeleitet.
Fürsorge für Mutter und Kind.
Vorlesungen über Kleinkinderfürsorge werden in diesem Winterhalbjahr im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht in Berlin abgehalten. Vor Weihnachten werden sprechen: Prof. Dr. Bangstein über„ Die förperliche Entwicklung und Pflege des Kleinkindes" und Fräulein Lili Droescher , Leiterin des PestalozziFröbel- Hauses I, Berlin , über Entwicklung und gegenwärtiger Stand der außerhäuslichen Kleinkinderfürsorge". Die Vorlesungen finden Dienstags und Freitags von 8 bis 9 Uhr abends im Gebäude Potsdamer Straße 120 statt. Beginn im Oktober. Die Teilnehmergebühr beträgt für jede der beiden achtstündigen Vorlesungsreihen 3 Mt. Anmeldung schriftlich oder mündlich im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, Berlin W 35, Potsdamer Straße 120, von 11 bis 1 Uhr und 5 bis 6 Uhr.
Die Frau in öffentlichen Aemtern.
Die oberste Staatsschulinspektion in Idaho ein Frauenamt. Seit der Staat Idaho in Nordamerika 1896 das Frauenwahlrecht eingeführt hat, wird die oberste Schulinspektion von Frauen ausgeübt. Daß darin in zwanzig Jahren kein Wandel eingetreten ist, spricht für die tüchtigen Leistungen der Schulinspektorinnen, die gewählt werden.
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