Nr. 3
27. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen
Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.
Um den
Jahres- Abonnement 2,60. Mart.
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Inhaltsverzeichnis.
10. November 1916
Zuschriften an die Redaktion der Gleichheit find zu richten an Frau Klara Zetkin ( 3undel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bei Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.
,, Borwärts" im Geist der nationalistischen Mehrheitspolitik
Vorwärts". Nachdenkliches über die Massenspeisung. oder im Geist der Opposition dagegen zu halten. In diesem Von W. Sollmann. Aus der Bewegung: Eine Frauentonferenz für den Agitationsbezirk Dresden . Politische Rundschau. Notizenteil: Aus dem öffentlichen Leben. Für den Frieden. Frauenarbeit. - Dienstbotenfrage. Soziale Fürsorge.- Frauenbewegung.
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Um den„ Vorwärts".
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In den Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialdemofratie über Grundsäße und Taktik der Partei spielt der Stampf um die Haltung des„ Vorwärts" eine bedeutende Rolle. Zuerst zaghaft und schwankend, dann mit zunehmender Festigkeit und Entschiedenheit, wenn auch nicht immer mit voller grundfählicher Klarheit und Schärfe, hat sich die Redaktion des sozialdemokratischen Zentralorgans zum internationalen Sozialismus bekannt. Sie mußte damit in wachsenden Gegensatz zu der Politik der Fraktionsmehrheit und des Parteivorstandes geraten, mußte immer mehr nach links auf den Boden der Opposition gedrängt werden. Die Genossen in der Redaktion des„ Vorwärts" wären mechanische Schreibpuppen oder Mietlinge gewesen, hätte der Charakter, die Haltung des Blattes diese Entwicklung nicht widergespiegelt. Der„ Vorwärts" wurde ein Organ der Parteiopposition, und zwar der gemäßigten Parteiopposition. Wohl kam in seinen Spalten auch die Meinung der Fraktionsmehrheit, des Parteivorstandes ausgiebig zu Wort. Aber die Redaktion selbst nahm kritisch Stellung dazu und gab dem Gesamtcharakter des Blattes gemäßigt oppositionelle Prägung.
Wie die Dinge in der Sozialdemokratie und im politischen Leben heute liegen, hätte dieser Stand der Dinge unter allen Umständen zu hißigen Auseinandersetzungen um den ausschlaggebenden Einfluß auf den„ Vorwärts" geführt. Solche Auseinandersetzungen konnten bei den besonderen Verhältnissen des Blattes erst recht nicht ausbleiben. Der„ Vorwärts" nimmt in der Partei eine zwieschlächtige Stellung ein. Er ist zugleich das lokale Organ der Berliner Genossen und das Zentralorgan der Gesamtpartei, und den einen wie der anderen steht fatungsgemäß das Recht zur Einwirkung auf die Haltung des Blattes zu: der Gesamtpartei durch den Parteivorstand, den Berliner Genossen beziehungsweise ihrer Drganisation durch die Preßkommission. In dem gegenwärtigen Ringen um die grundsätzliche Überzeugung, das taktische Verhalten der Sozialdemokratie hält die sehr große Mehrheit der Berliner Genossen zum grundsatztreuen internationalen Sozialismus. Sie begrüßte die oppositionelle Stellungnahme der Redaktion, ja forderte sie und trieb entschieden nach links. Der Parteivorstand nutte seinerseits seinen Einfluß, seine Macht, um, ebenso entschieden nach rechts drängend, das Blatt zum Sprachrohr der Fraktionsmehrheit zu machen.
Die häufigen Zusammenstöße zwischen Redaktion und Parteivorstand um die Haltung in einzelnen Fällen wurden immer ausgesprochener zu einem Stampf um den Gesamtcharakter, die Richtung des Blattes, zu einem Kampf um die Macht, den
Kampfe hat der Parteivorstand von Anfang an die Machtmittel eingesetzt, die er in seiner Hand hatte, und zu deren rücksichtslosem Gebrauch er sich im Dienste seiner Meinung für befugt hielt. Silbenstechereien um die sakungsgemäßen Rechte der Redaktion und der Preßkommission haben nichts daran geändert. Der Kampf um den Vorwärts" ist nun in ein weiteres Stadium unter Umständen getreten, die blizhell sein Ziel ebenso wie Strategie und Waffenführung des Parteivorstandes, die Situation in der Partei und außerhalb der Partei beleuchten.
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Durch Verfügung des Oberbefehlshabers in den Marken wurde das Erscheinen des Vorwärts" am 8. Oktober„ bis auf weiteres im Interesse der öffentlichen Sicherheit verboten". Die Zeitung sollte durch den Artikel„ Aus der Herenküche der Kanzlerfronde" einen schweren Verstoß gegen den Burgfrieden begangen haben. Diese Situation mußte der Parteivorstand aus, um den allein entscheidenden Einfluß auf die Haltung des Blattes zu erlangen. Am 18. Oktober durfte der„ Vorwärts" wieder erscheinen, er erschien jedoch unter veränderten Bedingungen. An der Spitze der Nummer veröffentlichte der Parteivorstand eine Erklärung, aus der darüber das Folgende hervorgeht: Das Ansuchen des Verlags um Aufhebung des Verbots hatte das Generalkommando mit der Forderung beantwortet,„ daß eine Änderung im Personal der Redaktion des, Vorwärts' eintrete, welche für die Zukunft die nötigen Garantien böte... Das Oberkommando verlange eine Berson, welche mit Vollmachten ausgestattet sein müsse, die auch die notwendigen Garantien bieten." über dieses Ansinnen verhandelte der Parteivorstand mit der Preßkommission, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen.
Das Oberkommando erblickte keine genügenden Garantien in dem Vorschlag, den Genossen Däumig, Redakteur des„ Vorwärts", von der Redaktionsarbeit zu befreien und zum Zensor zu machen. Nun beantragte der Parteivorstand bei der Preßkommission, zu beschließen:„ Ein Mitglied des Parteivorstandes tritt in die Redaktion des Vorwärts' ein und erhält die Vollmacht, über den Inhalt des Blattes zu entscheiden." Die Preßkommission wies diesen Ausweg zurück und nahm einen Antrag an, nach dem ein Mitglied des Parteivorstands in die Redaktion eintreten und die Vollmacht erhalten sollte, die Beobachtung der Zensurvorschriften zu überwachen und zu erzwingen". Wie die Preßkommission in einer späteren Erklärung feststellte, war dies die Bedingung, unter der der Vorwärts" wieder erscheinen durfte. Der Parteivorstand lehnte diese Regelung mit einer Begründung ab, die des Pudels Kern hüllenlos zeigt:„ Dieser Vorschlag war unannehmbar," so sagt er,„ da einem Mitgliede des Parteivorstandes nicht zugemutet werden kann, für ein Blatt die Verantwortung zu tragen, auf dessen Haltung es und der Parteivorstand keinen Einfluß haben und das in den Lebensfragen der Partei gegen seine überzeugung redigiert würde."