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Die Gleichheit

geeignet ist. Die Kosten dieser besonderen Kleidung werden von der Verwaltung bestritten. Uniformen kommen in Frage für die Hilfsbeamtinnen, Schaffnerinnen usw. Wer er­innert sich bei dieser Verfügung nicht der behosten Vogelscheuchen, durch die die Wizzblätter meist ohne Wik die Vorfämpferinnen für die Gleichberechtigung des weiblichen Geschlechts zu verspotten suchten? Oder der umsichtigen und fürsorglichen Behörde in Wies­ baden  , die vor wenigen Jahren bei einer frauenrechtlerischen Ta­gung eine Dame verhaften ließ, die sich entgegen bestimmter poli­zeilicher Kleiderordnung ein männliches Kostüm angemaẞt hatte? Die Erde ist rund und dreht sich, sogar in Preußen.

Dienstbotenfrage.

Wer ist der Arbeitgeber eines Dienstboten, der Dienstherr oder dessen Ehefrau? Diese Frage ist häufig zu entscheiden. So zum Beispiel bei Streitigkeiten aus dem Dienstverhältnis heraus zwischen Dienenden und Dienstherrschaft; bei der Einhaltung der sozialpolitischen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis usw. Maßgebend für die Entscheidung sind in erster Linie die Be­stimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches  . Nach diesen ist der Mann das Haupt der Familie".§ 1354 bestimmt, daß dem Manne die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben be= treffenden Angelegenheiten zusteht. Die Frau ist zwar berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten, aber, wie§ 1356 ausdrücklich hervorhebt, unbeschadet des§ 1354. Damit ist nur das innere Verhältnis zwischen den Eheleuten in bezug auf das Hauswesen gekennzeichnet. Auf die Wirkung nach außen be­zieht sich§ 1357, wonach die Frau berechtigt ist, innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten. Die Beschäftigung von Dienstboten im ehelichen Haushalt ist gewiß eine das gemein­schaftliche eheliche Leben betreffende Angelegenheit, in der hier­nach dem Manne das entscheidende Wort zusteht. Kraft ihres Be­rufs, das Hauswesen zu leiten und innerhalb dieses ihres Wir­fungskreises den Mann zu vertreten, ist aber andererseits die Frau befugt, Dienstboten anzunehmen, die erforderlichen Vereinbarun gen mit ihnen zu treffen, ihnen die Arbeit anzuweisen, sie zu be= aufsichtigen, ihnen zu kündigen, sie zu entlassen, ihnen das Beug­nis auszufertigen usw. Die Ehefrau handelt jedoch dabei eben nur, wie sich aus§ 1357 ergibt, als Vertreterin des Mannes, der als der eigentliche und alleinige Arbeitgeber des Dienstboten zu gelten hat. Denn dem Manne steht in allen diesen Dingen das Recht der maßgebenden Entscheidung zu, kraft dessen er den Ent­schließungen der Frau entgegentreten und sie abändern kann. Der § 1357 des Bürgerlichen Gesetzbuches   sagt ausdrücklich weiter, daß Rechtsgeschäfte, die die Ehefrau innerhalb ihres häuslichen Wir­tungskreises vornimmt, als im Namen des Mannes vorgenommen gelten, wenn nicht aus den Umständen sich ein anderes ergibt( zum Beispiel wenn die Ehegatten getrennt leben usw.).

Diese Rechtslage ist in ihren Folgen für die Dienstboten wich­tig. Da grundsätzlich für alle Pflichten der Dienstherrschaft aus dem Dienstverhältnis der Dienst herr haftet, kann auch dieser nur auf dem Rechtsweg zur Rechenschaft gezogen werden. Will also ein Dienstmädchen gegen die Dienstherrschaft eine Klage bei Gericht anstrengen, so ist als Beklagter immer der Dienstherr zu bezeichnen. Das gilt auch jehtim Kriege, selbst wenn der Dienstherr zum Heere einberufen ist und wenn in seiner Ab­wesenheit der Dienstbote von der gnädigen Frau" allein ange­nommen worden sein sollte. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt feine allgemeine Berechtigung der Ehegatten, sich in Behinde­rungsfällen gegenseitig zu vertreten. Es ist möglich, daß dem vor Gericht flagenden Dienstmädchen hieraus Nachteile entstehen kön nen. Der Dienstherr hat nämlich als Heeresangehöriger den all­gemeinen Rechtsschuß, daß er in seiner Abwesenheit zu Hause nicht prozessiert werden darf. Um sich vor den dadurch erwachsenden Nachteilen zu schützen, kann das Dienstmädchen vor Gericht bean­tragen, daß dem abwesenden Dienstherrn ein Vertreter gestellt wird, der den Prozeß führt. Es kommt dann auf die Einsicht des Gerichtes an, ob es dem Antrag entspricht und vielleicht die Ehe­frau des Beklagten als Vertreterin heranzieht. Lehnt diese ab, so liegt es in den Händen des Gerichtes, auch eine beliebige fremde Person mit der Vertretung des Beklagten zu betrauen.

Diese rechtlichen Grundsäße gelten auch für manche andere Frage. So ist beispielsweise die Dienstherrin vom Wahlrecht bei den Krankenkassen ausgeschlossen. Das Wahlrecht steht nur dem Arbeitgeber zu, also dem Dienstherrn, und es geht nicht an, daß er in diesem Falle von seiner Ehefrau vertreten wird. Das Wahlrecht bei den Krankenkassenvertreterwahlen muß in Person ausgeübt werden. Dagegen ist es angängig, daß die Dienstherrin als Ver­

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treterin der Arbeitgeber in ein Krankenkassenorgan gewählt wird. Diese widerspruchsvolle Möglichkeit beruht auf ausdrücklicher Vor­schrift der Reichsversicherungsordnung, die es zuläßt(§ 13), daß als Vertreter der Arbeitgeber auch Geschäftsführer, Betriebs­beamte usw. gewählt werden. Zu diesen Geschäftsführern gehören die Hausfrauen auf alle Fälle, wenn auch ihr häuslicher Wir­fungskreis ein beschränkter ist. Auf diesem Wege ist es möglich geworden, daß eine Anzahl Hausfrauen, die Dienstboten beschäf tigen, in den Krankenkassenorganen sitzen. F. Kl.

Soziale Fürsorge.

Ein Hilferuf von Kriegerfrauen an den Reichstag  . Das Gewerkschaftskartell für den Bergarbeiterbezirk Walden= burg i. Schl. hat eine Petition an den Reichstag   gesandt, in der die tieftraurige Lage der Kriegerfrauen jener Gegend dargestellt wird. Das Material, das in dieser Petition zusammengestellt ist, redet eine eindringliche Sprache. In dem Bergarbeiterbezirk Wal­denburg ist die Zahl der kriegseinberufenen Männer verhältnis. mäßig gering, weil die Bergarbeiter meist als unentbehrlich re­flamiert sind. Dementsprechend ist auch die Zahl der zu unter­stüßenden Kriegerfamilien geringer als anderswo. Trotzdem also die Lage für die Kriegswohlfahrtspflege günstiger ist, geht es den Kriegerfrauen im Bezirk Waldenburg herzlich schlecht. Nur einige Beispiele dafür: Die aufgenommene Statistik umfaßt 721 Kriegerfamilien mit 736 Erwachsenen und 1613 Kindern, und zwar reine Arbeiterfamilien". An der Hand eines reichen Ma­terials wird einwandfrei nachgewiesen, daß die Unterstützungs­sätze des Bezirks viel niedriger sind wie in den benachbarten an­deren schlesischen Landesteilen, daß aber der Lebensunterhalt hier durchweg bedeutend höher ist als dort. Nach Abzug aller anderen Ausgaben bleiben den 721 Frauen mit 1613 Kindern und alten gebrechlichen Familienmitgliedern für das nackte Nahrungsbedürf­nis 18 720,45 Mt. Das ist bei insgesamt 2349 Personen monatlich pro Familie 25,80 Mt., pro Kopf und Monat 7,02 Mt. oder pro Kopf und Tag 26 Pf. Ein Kommentar zu diesen Zahlen erübrigt sich.

Frauenbewegung.

Den hohen Wert der Mitarbeit gebildeter Franen für die Zukunft eines Volkes anerkennt rückhaltlos Dr. Hans Vorst in seinem Artifel Was wird aus Rußland  ?"(" Berliner Tage­blatt" vom 6. Oftober). Der Verfasser ist überzeugt, daß die Lehren des Krieges zu einer umfassenden Reformarbeit treiben, und daß sich Rußland   in der Folge verhältnismäßig rasch von den Schäden dieses Krieges erholen wird, so verhängnisvoll sie sich auch gestal­ten mögen. Aber für die Durchführung der Reformen, für die vielgestaltigen neuen und organisatorischen Arbeiten müssen die Menschen herangebildet werden. Freilich wird dem Lande", so erflärt Dr. Hans Vorst, in dieser Hinsicht eine beträchtliche Hilfe erstehen durch die hohe Entwicklung, die das weibliche Hochschul­wesen dort seit längerer Zeit genommen hat. Die genauen Bif­fern habe ich nicht bei der Hand. Aber Tatsache ist, daß in Ruß­ land   die Zahl der Frauen mit Hochschulbildung beträchtlich größer ist als in Deutschland  . Schon während des Krieges haben die wissenschaftlich gebildeten russischen Frauen ihrem Vaterland be­deutende Dienste geleistet, und man ist offenbar entschlossen, diesen wertvollen Zuwachs an geschulten Arbeitskräften in Zukunft voll auszumuzen. Dies geht daraus hervor, daß beispielsweise neuer­dings das Polytechnische Institut für Frauen in Petersburg  , auf Vortrag des Grafen Ignatieff vor dem Kaiser, dieselben Rechte verleihen darf, wie sie den männlichen Poly­technikern zustehen, einschließlich des Titels Ingenieur"; daß neben den bestehenden Hochschulen für Frauen auch einige für Männer, wie das Elektrotechnische Institut in Petersburg  , deren Zuhörerzahl durch den Krieg zusammengeschmolzen ist, das Recht er­halten haben, Frauen aufzunehmen; endlich, daß die Berechtigung der Frauen zur Beamtenlaufbahn erweitert worden ist." Diese Ausführungen erinnern daran, daß russische Frauen die ersten ge= wesen sind, die in Westeuropa   die Tore der Universitäten für das weibliche Geschlecht gesprengt haben, und daß die Russinnen im Kampfe für die volle Gleichberechtigung des weiblichen Ge­schlechts auch auf politischem Gebiet an erster Stelle gestanden sind und stehen. Auch in Deutschland   fehlt es nicht an Frauen, die für die weitere Entwicklung der Kultur Wertvolles leisten fönnen. Die Konsequenzen der Dinge müßten von den zopfigsten Gewalten gezogen werden, wenn die Frauen selbst unbeugsam wollten. Berantwortlich für die Redaktion: Frau Klara Bettin( Sundel), Wilhelmshöhe, Post Degerloch bet Stuttgart  . Druck und Verlag von J. H. W. Diep Nachf. G.m.b.8. tn Stuttgart  .