Nr. 7

Die Gleichheit

nis und der Stärke des Wollens des Proletariats der gan­zen Welt abhängen, in welchem Maße Schiedsgerichte, er­weitertes Völkerrecht und manche andere Reform Inhalt und Wirkungskraft erhält.

Dank dieser überzeugung fühlen wir sozialdemokratischen Frauen stärker als je die Verpflichtung, für die Verwirk­lichung der großen sozialistischen Ideale zu kämpfen, um da­durch der Menschheit für die Zukunft die Leiden zu ersparen, deren schaudernde Zeugen wir gegenwärtig sind.

Luise Ziez.

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ihrer übergroßen Zahl oft trotz zahlreicher Familie nur klein sind, so wird sie doch als drückende Last empfunden.

Typisch für das Heimarbeiterinnenelend sind zweifellos die Verhältnisse im Frankenwald . Inmitten einer herrlichen, waldumwobenen Natur verleben die Heimarbeiterinnen trübe Tage. Nur selten fällt ein Lichtstrahl in ihr Leben, das arbeitsreich und trotzdem an Entbehrungen überreich ist. Jede Minute ist kostbar, und jedes Versäumnis ist ein fast uneinbringlicher Schaden, zu irgendwelchen Extravaganzen" ist weder Zeit noch Geld übrig. Tagein tagaus, jahrein jahr­aus ist trauriges, sorgenvolles Einerlei das Los der Heim­

Die Heimarbeiterinnen im Frankenwald. arbeiterinnen im Frankenwald .

Nicht von Zivildienstpflicht und dem neuesten, von ver­schiedenen Seiten entdeckten ,, Kriegssozialismus" soll hier die Rede sein, sondern von bitteren Wirklichkeiten kapitalistischer Erscheinungen. Jener soll gedacht werden, die im zermürben­den Kampf ums tägliche Brot von Jugend auf gebückt am Etickrahmen fißen, um dem Kapitalismus in Gestalt arbeit­vermittelnder Faktoren ihren Tribut zu zollen: der Heim­arbeiterinnen im Frankenwald . Nur selten dringt ein Not schrei der Ärmsten hinaus in das vom Kriegslärm erfüllte Leben. Und ist es wirklich der Fall, dann verhallt er fast un­gehört. Es scheint so, als ob alles Interesse für soziale Er­scheinungen, wie sie namentlich in der Heimarbeit so drastisch zutage treten, völlig erloschen ist. In den Kreisen der Gegner unserer Bewegung spukt nur noch die Auffassung von den hohen Löhnen" der Arbeiter. Willkürlich wird die Entloh­nung einzelner herausgegriffen und als Allgemeinerschei­nung hingestellt, ohne in Zusammenhang mit den dreifach gestiegenen Lebensmittelpreisen gebracht zu werden. Das ist billig und bequem und enthebt gründlichen Beweisführens. Geht man jedoch der Sache ernsthafter nach, sucht man die 28irklichkeit möglichst in ihren Einzelheiten zu packen und sie in allen ihren Erscheinungsformen darzustellen, dann wird von jener Seite entweder zu bestreiten oder zu schwei­gen versucht. Es soll eben alles so sein, wie es den Gegnern genehm ist, und wie sie es zur Vertretung ihrer Interessen brauchen.

Wie oft ist nicht der Heimarbeit gerade von dieser Seite ein hohes Lob gesungen worden. Welche Schönheiten und Tugenden wußte man ihr nicht anzudichten, wenn es galt, Wünschen auf bessere Entlohnung der Heimarbeiter und -arbeiterinnen entgegenzutreten. Da wurde der Segen der Häuslichkeit", des Waltens im eigenen Heim, am eigenen Herd", der Segen des Wirkens in der Familie in allen Far­ben geschildert. Aber aus begreiflichen Gründen schwieg man darüber, all die wirtschaftlichen, gesundheitlichen und fami­Itären Schäden aufzudecken, die die Heimarbeit in ihrer viel fachen Gestalt in sich birgt. Sonst würde ja das schöne Kar­tenhaus kläglich zusammenbrechen. Nur wer die Heimarbeit kennt, wer das Leben, Wirken und Haften der Heimarbeite. rinnen beobachtet, der weiß, wie die Wirklichkeit des angeblich glücklichen Erdendaseins aussieht, der kennt die dunkle Kehrseite der Medaille.

War schon in Friedenszeiten die Existenz der Heimarbeite­rinnen eine tieftraurige, so ist sie jetzt meist noch viel schlech­ter. Alle jene Kennzeichen der Heimarbeit, furchtbar lange Arbeitszeit, niedrige Entlohnung, gesundheitswidrige Ar­beitsbedingungen, schlechte Ernährung und meist auch schlechte Wohnung, kommen jezt noch viel schärfer zum Aus­drud. Es ist kaum faßbar und kaum zu begreifen, wie es den Heimarbeiterinnen möglich ist, noch durchzukommen. Sie müssen wahrhafte Künstlerinnen im Kochen sein, um bei den unerschwinglichen Lebensmittelpreisen und den sehr niedri­gen Löhnen sich ernähren zu können. Den drei- bis vierfach gestiegenen Preisen der Nahrungsmittel und Bedarfsgegen­stände stehen Einnahmen gegenüber, die kaum für zwei Tage, geschweige denn für eine ganze Woche reichen. Und von diesen Einnahmen muß noch die Miete gezahlt werden. Ist sie auch in den meisten Fällen gering, weil die Wohnungen in

Wie die meisten Arbeiter und Arbeiterinnen hatten auch fie zu Beginn und in den ersten Monaten des Krieges schwer unter dessen Wirkungen zu leiden. Die Arbeit ging schlecht, teilweise sehr schlecht. Erst allmählich erholte sich die besondere Industrie, in der die Heimarbeiterinnen des Frankenwaldes beschäftigt sind, und jetzt haben diese alle Hände voll zu tun, um die ihnen übertragenen Filetstopfarbeiten zu be­wältigen. Es ist auffallend, daß gerade diese Arbeiten solchen Aufschwung genommen haben, obwohl sie doch vorwiegend dem Luxus dienen. Vorzugsweise werden Manschetten und Kragen für Damenkleider als Filetarbeiten hergestellt, die oft von hervorragender Feinheit in Zeichnung und Ausfüh­rung sind. Mit Bligesschnelle fährt die Nadel mit dem weißen Jaden durch die Gaze, und Hunderttausender von Stichen bedarf es, um eine Tagesarbeit zu bewältigen. Und dabei ist die Arbeit nicht etwa mechanischer Natur, nein, es gilt die Fäden genau abzählen, um die auf der Vorlage vorgezeich­neten Ornamente auch genau herauszuarbeiten. Kragen und Manschetten werden stückweise bezahlt, Einfäße mit 60 bis 80 Pf. für das Meter. Mehrere Kragen werden auf ein Stück Baze gearbeitet. Bei dem Filetstopfen ist zu beachten, daß es keineswegs nur mit der Maschine hergestellt, sondern häufig noch Handarbeit ist. Eine Arbeit, die peinlich genau sein muß und sehr mühevoll ist, aber ebenso schlecht bezahlt wird wie die andere. Die allermeisten, die solche Filetarbeiten tragen, wissen nicht, wieviel Nadelstiche, welche Unsummen von Energie notwendig waren, um den Schmuck fertigzustellen.

Vergleicht man mit den Preisen der Filetarbeiten in den Schaufenstern die Verdienste der Filetstopferinnen, so be­kommt man ein Bild des Profits, den das Kapital einheimst. Die Filetstopferei steht gegenwärtig im Frankenwald hoch im Kurs. Und nicht nur dort. Auch in den Städten haben sich Unternehmer auf dieses Fach" geworfen, und sie suchen in den Tageszeitungen fortgesett Filetstopferinnen, die sie auch finden. Nicht nur Kriegerfrauen, sondern vor allem die Erwerbslosenunterstützung beziehenden Textilarbeiterinnen stellen hier die Arbeitskräfte. Während in diesem Falle der Verdienst aus der Filetstopferei nur als Ergänzung der zu niedrigen Unterstügung dient, ist sie im Frankenwald für die Heimarbeiterinnen in den allermeisten Fällen die Hauptein­nahmequelle.

Das schlimmste ist, daß die Lohnfestsegung für die einzelnen Stücke vollständig im Ermessen und in der Willfür des Fak­ters und des Unternehmers liegt. Darum auch die unglaub­lich geringen Verdienste trop überlanger Arbeitszeit. Vor uns liegt eine Aufnahme über Verdienste und Arbeitszeit aus den letzten Tagen, die der in den übrigen Wochen und Monate gleicht. Es verdienten die als Heimarbeiterinnen schaffenden Filetstopferinnen wir lassen die Namen weg und stellen Nummern ein-Nr. 1 die Woche 7 Mt., Nr. 2 6 Mr., Nr. 3 7 Mr., Nr. 4 6 Mr., Nr. 5 7 Mr., Nr. 6 7 Mt. usw. Und bei welcher Arbeitszeit! Hören wir, was die Auf­nahme da erzählt: Es arbeitet Nr. 1 von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, Nr. 2 von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, Nr. 3 von 8 Uhr morgens bis 10 Uhr abends, Nr. 4 von 9 Uhr morgens bis 11 Uhr abends, Nr. 5 von 7 Uhr mor­gens bis 10 Uhr abends, Nr. 6 von 8 bis 11 Uhr morgens und dann von 2 bis 9 Uhr abends. Von dem geringen Ver­dienst müssen die Heimarbeiterinnen auch noch Zwirn und