Nr. 8

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27. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft viertelfährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig.

Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart  

19. Januar 1917

An die sozialistischen   Frauen aller friegführenden Länder! Unsere Bikcht und unser Recht. Aus der Bewegung: Ein Handstreich gegen die Gleichheit"? Gegen die grundsägliche Haltung der Gleichheit". Gewerkschaftliche Rundschau. Notizenteil: Für den Frieden. Frauenstimmrecht.- Die Frau in öffentlichen Ämtern.

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An die sozialistischen   Frauen

aller kriegführenden Länder! Frauen, Schwestern! Jetzt, wo das Wort Friedensverhand­lungen von den Regierungen einer der kriegführenden Mächte­gruppen ausgesprochen worden ist von welchen Beweg­gründen und Absichten auch immer diftiert, jetzt, wo der Präsident der Vereinigten Staaten   seine Vermittlung zwischen den Striegführenden angeboten hat, schlägt unser Herz höher bei dem Gedanken, daß die Völker die Gelegenheit ergreifen tönnten, um uns dem Frieden näher zu bringen.

Unfere ganze Sympathie gehört den sozialistischen   Frauen der friegführenden Länder, unsere wärmsten Gefühle sind ihnen zugewandt. Wir senden ihnen die heißesten Wünsche, auch ihr Bille, ihre Energie möge dazu beitragen und mitwirken, daß trotz alledem und alledem aus dem tiefsten Herzen der Völker der Sehnsuchtsschrei nach Frieden erklingt und alles über­tönend die Regierungen veranlaßt, aufzuhorchen. Amsterdam  , den 22. Dezember 1916.

Die sozialistischen   Frauen Hollands  , vereinigt in dem Verband der Sozialdemokratischen Frauenklubs.

Unsere Pflicht und unser Recht.

Schwach und unstet slackert das Fünklein Friedenshoffnung hin und her, das von den Regierungen der verbündeten Mittel­mächte angezündet worden ist. Troß der Antwort der Entente staaten ist es nicht erloschen. Es hat Nahrung erhalten durch den Schritt des Präsidenten der Vereinigten Staaten  , der sich) als Vermittler von Friedensverhandlungen angeboten hat. Die Regierungen der Schweiz   und der skandinavischen Länder haben durch ihre Zustimmung zu Wilsons Vorschlag die Bedeutung des Schrittes erhöht. Das glimmende Fünklein Friedenshoff­nung muß zur hell und unbezwinglich lodernden Flamme werden, wenn in allen Ländern, zumal aber in allen krieg führenden Staaten, der Friedenswille der arbeitenden Volks­massen wirksam wird.

Damit ist den sozialistischen   Frauen aller Länder die nächste große Pflichtleistung neuerlich gewiesen, die sie gemeinsam zu erfüllen haben. Sie müssen ihre Energie zusammenballen, um die tiefe Friedenssehnsucht der Werktätigen zum bewußten, opfer- und tatbereiten Friedenswillen zu steigern. Ihre be­sondere Aufgabe ist es dabei, den Friedenswillen der breitesten Frauenmassen zum Leben und Weben zu rufen. Diese Frauen massen seufzen unter den erdrückenden Lasten, die der Welt­frieg den Völkern aufbürdet. Sie leeren bis zur bitteren Neige

Zuschriften an die Redaktion der Gleichbeit find zu richten an Frau Klara Zetkin  ( 3unden), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bei Stuttgart  . Die Expedition befindet sich in Stuttgart  , Furtbach- Straße 12.

den Kelch der Leiden, die er über die Menschheit bringt. Ihre Arbeit, thr aufopferndes Sorgen und Mühen gibt den kleinen Obdach, Brot und Erziehung, hält das Räderwerk in Industrie und Landwirtschaft, in Handel und Verkehr im Tatt.

,, Erlöse uns von dem übel!" das ist der Schrei, der aus Millionen Frauenherzen sich emporringt, während die Blicke auf die unsagbaren menschenvernichtenden Schrecken der Schlachtfelder gerichtet sind und auf die Trümmerhaufen zer­störter Kulturgüter und geschändeter Menschheitsideale. Dieser Schret muß aus dem Herz und Heim in die Öffentlichkeit tönend, die Losung verstärken und unwiderstehlich machen, die dringen, muß, den Donner der mordspeienden Geschüße über­dem imperialistischen Machtringen der Staaten Halt gebietet. Aus Entbehrungen, Tränen, übermenschlichen Anstrengungen muß den arbeitenden Frauen in allen Ländern die Erkenntnis und die Straft erwachsen, mit der Bekundung ihres Friedens­willens sich selbst ihre ,, Charta magna  " zu schreiben, den großen Freibrief politischer Reife und politischer Rechte.

In diesem Sinne zu wirken, ist das heilige Gebot der Stunde für die sozialistischen   Frauen aller Länder. Es ist dies um so zwingender, da es um mehr geht, als um das wahrlich nicht Kleine Ziel allein, die Kriegshölle endlich zu bannen, die uns seit 30 Monaten umtobt, alles verschlingend, was den Stolz,

das Glück der Kulturwelt ausmacht. Die weiter wütende Völker­zerfleischung bedroht die Menschheitsbefreiung durch den Sozia­lismus. Sie schädigt das vorwärtsdrängende Proletariat durch) einen Aderlaß ohne Beispiel in der Geschichte. Millionen Söhne des Volks aller kriegführenden Staaten sind im brudermörde­rischen Kampfe gefallen, Millionen kehren als Krüppel und Stranke heim, die Kraft gebrochen, den Blick verwirrt, unfähig zur Zat, zielklar, mit stahlhartem Willen und hingebungs­voller Begeisterung dem Sozialismus zu dienen. Wir bedürfen des Friedens, um die Menschen zu erhalten, die berufen sind, bewußt zu vollenden, was die Entwicklung der Dinge in der Gesellschaft anbahnt und vorbereitet: die überwindung der kapitalistischen   Ordnung und den Aufbau des sozialistischen  Reichs. Wir bedürfen des Friedens, damit die Arbeiter aller Länder sich als Klassenkämpfer wieder international vereinigt dieser ihrer gewaltigen geschichtlichen Aufgabe zuwenden. Wir wollen den Frieden, weil der Weltkrieg die grundsätzliche Über­zeugung der sozialistischen   Frauen geklärt und befestigt hat, daß die volle soziale und menschliche Befreiung des Weibes nur des Sozialismus Werk sein kann, und daß das inter­national zusammengeschlossene Proletariat der Totengräber der alten Gesellschaft und der Wegbereiter der sozialistischen  Ordnung sein muß. Die sozialistischen   Frauen werden in allen Ländern halten, was sie auf dem legten Friedenskongreß der Internationale zu Basel   geloben ließen: im Stampfe für den Frieden stets voranzugehen. International in fester Gemein­schaft des Zieles und des Wegs. International und gemein­sam, indem die Genossinnen jedes einzelnen Landes in ihrer Heimat sich mit äußerster Energie für den Frieden einsetzen und damit weiterführen, was die Internationale Stonferenz Sozialistischer Frauen zu Bern   begonnen hat.