Nr. 10

Die Gleichheit

hatten. Damit nicht genug. Die Resolution rief die Behörden auf, mit den schärfsten Mitteln gegen die vaterlandsverräte­rischen Elemente vorzugehen! Das Vorkommnis ist nebenbei ein schlagender Beleg wider die oft gehörte Behauptung, daß die Frauen ,, naturnotwendig" gegen den Krieg und für die Freiheit sind!

In Italien waren die international gesinnten Sozialistinnen, die Gegnerinnen des Burgfriedens, nicht gezwungen, in Oppo­sition gegen die Partei zu treten, denn die Partei und alle ihre Drgane haben den Boden des internationalen Klaffen­kampfes nie verlassen. Die Genossinnen konnten ihre ganze Straft gegen die nationalistische bürgerliche Welt kehren. Wie in anderen kriegführenden Ländern haben dabei einzelne sozia­listische Frauen mit so unbeugsamer Energie, mit so hohem Mut und unbezwinglicher Leidenschaft an dem Kampf gegen den Krieg teilgenommen, daß die Reaktion gerade gegen die Sozialistinnen mit vorbildlicher Strenge" vorgegangen ist. Von den wenigen Agitatorinnen, die die sozialistische Partei Italiens besitzt, ist Maria Giudice , die von den Turiner Arbeiterinnen zu ihrer Sekretärin, vom Turiner Parteiblatt zu seiner Redakteurin ernannt worden war, seit Monaten im Sterfer. Die Leiterin der Arbeitskammer in Suzzara, Maria Goia, befindet sich unter den fünf oder sechs revolutionären Agitatoren, die die Regierung in Florenz interniert hat.

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Daß die Genossinnen geradezu geschlossen auf dem grund­fäglichen Boden des internationalen Sozialismus stehen und wollen, daß diese ihre Auffassung immer schärfer und klarer in den Bordergrund tritt, dafür eine recht bezeichnende Tat­fache. Zu Beginn des Weltkriegs wurde das sozialistische Frauen­blatt Difesa delle Lavoratrici"( Arbeiterinnenivehr) von einer Mailänder Lehrerin geleitet, die seither endgültig ins Lager des Nationalismus übergelaufen ist. Das Blatt nahm damals eine schwankende Haltung ein und trug in einzelnen Artikeln der ententefreundlichen Strömung Rechnung. Daraufhin ver­langten die Sozialiſtinnen Turins und anderer Ortschaften, das Blatt solle mit größerer Entschiedenheit den internatio­nalen Standpunkt vertreten. Der Parteivorstand billigte die Forderung. Er entschied, das sozialistische Frauenorgan fei von einem Redakteur des Avanti" unter Mitwirkung eines Redaktionskomitees von Genoffinnen zu leiten, und zwar in dem von der ganzen Partei gutgeheißenen und befolgten Sinne. Seit Kriegsausbruch haben die italienischen Sozialistinnen Hand in Hand mit den Parteigenossen ihr möglichstes getan, um durch Aufklärung der Massen die Beteiligung Italiens an dem imperialistischen Beutezug zu verhindern. Als trotz des Widerstands der Sozialisten das Land in den Krieg ein­trat, haben sie nie aufgehört, für die Ausbreitung des Sozia lismus unter dem weiblichen Proletariat tätig zu sein. Die Heranziehung von Proletarierinnen zur Industriearbeit hat die Agitatorinnen und Organisatorimmen zu energischstem Wirken angespornt, sie nüßen die Lage aus, um zu wecken und zu sammeln. Auch die Jugendlichen, die sich in Italien von jeher die Organisierung ihrer Klaffengenossinnen angelegen sein ließen, verdoppeln ihren Eifer und betonen die Not­wendigkeit, den Zusammenschluß und die Emanzipation der Arbeiterinnen zu einer der Hauptforderungen der sozialistischen Theorie und Praxis zu machen.

Die Zahl der sozialistischen Frauenkonferenzen hat während des letzten Jahres auffallend zugenommen, während dem sie früher Seltenheitserscheinungen waren. Zu den erfolg­reichsten und bestbesuchten dieser Konferenzen gehört die in Biella , dem großen Textilarbeiterinnenzentrum, auf der 19 Sektionen der Provinz vertreten waren. Die Sekretärin des Sozialistischen Frauenbundes, Genossin Clerici bemerkte, fie habe nie so viele klaffenbewußte Proletarierinnen auftreten sehen, wie bei dieser Konferenz, habe nie so viele Proletarie­rinnen sich mit Eifer an Diskussionen beteiligen hören, die die wichtigsten, verwickeltsten Fragen berührten, wie in Biella . Die sozialistischen Frauenorganisationen haben ständig zugenommen. Beim Kriegsanfang waren etwa 30 vorhanden, der letzte Bericht spricht aber bereits von 75.

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Infolge dieser starken Zunahme hat die Frage der Be­ziehungen zwischen den Parteigruppen der Männer und denen der Frauen den Sozialistischen Frauenbundes ebenso wie den Parteivorstand beschäftigt. Sollen die weiblichen Mitglieder Sonderorganisationen innerhalb der Partei gründen, oder sollen fie ohne weiteres der Parteiorganisation beitreten? Der Bar­teivorstand hat die endgültige Regelung der Frage dem näch­sten Parteitage überlassen. Provisorisch hat er bestimmt, daß die Genossinnen Parteigruppen bilden sollen, deren Mitglieder selbstverständlich in Übereinstimmung mit den allgemeinen Parteibeschlüssen zu handeln haben, beziehungsweise die für alle Parteimitglieder geltenden Mitgliedskarten beziehen müssen. Angesichts der erfreulichen Fortschritte der sozialistischen Frauen­bewegung und ihrer zunehmenden Bedeutung hat der Partei­vorstand ferner angeordnet, den Betrag, der der Parteikasse durch die Entnahme von Mitgliedskarten für Frauen zufließt, dem Zentralkomitee des Sozialistischen Frauenbundes zu Zwecken der Agitation und Propaganda zu überweisen.

Zum Aufschwung der sozialistischen Frauenbewegung haben zwei bereits berührte Umstände beigetragen: die Kriegsfeind­schaft der sozialistischen Partei und die ausgedehnte Verwen­dung weiblicher Arbeitskraft in der Industrie. Dieses letztere Kapitel: die Betätigung der italienischen Frau als Lohnarbei­terin und namentlich ihre Einstellung in die Kriegsindustrie werden wir später in anderem Zusammenhange behandeln. Es ist die Hoffnung, der heiße Wunsch der für die Befreiung der Arbeiterklasse Stämpfenden, daß die grundsatztreue Haltung der Partei zum Kriege nicht nur vorübergehend, sondern wei­terwirkend, dauernd und fest große Schichten des Frauenprole­tariats dem zielbewußten internationalen Sozialismus zu­führen möge. Denn eine grundsäglich klare und bestimmte Auffassung muß auch nach dem Krieg die Richtschnur der italienischen sozialistischen Bewegung bleiben. Eine große Auf­gabe, eine Hauptaufgabe der führenden propagandistisch täti­gen Genossinnen Italiens wird es sein, zu zielbewußten, opfer­und tatbereiten Sozialistinnen die Proletarierinnen zu erziehen, die sich der Bewegung aus Empörung gegen den Krieg, gegen die Übel des Stapitalismus angeschlossen haben.

Wie die grundfaßtreue, nicht schwankende und wankende Haltung der Partei zum Kriege gerade auf die einfachsten Gemüter wirkt, beweisen die Zuschriften, die von Frauen ant den Avanti" gelangen. Bekanntlich veröffentlicht das sozial demokratische Zentralorgan eine Sammelliste für freiwillige Beiträge, die seinen Bestand sichern sollen. Trotz der Einbe­rufung eines großen Teils der organisierten Arbeiter und Ge­nossen, trotz der furchtbaren allgemeinen Strise ist ihr Ergebnis in Italiens zweitem Kriegsjahr die nie zuvor erreichte Summe von mehr als 100 000 Lire. Während des Kriegs, wo der " Avanti" wegen seiner Stellungnahme das bestgehaßte, ver­pönteste, zensierteste Blatt in Italien ist, bedeutet jede Zu­schrift, jede Geldsendung eine bedingungslose Zustimmung zu der vertretenen Kampfesparole: Strieg dem Kriege, es lebe die Internationale der Arbeit". Unter den Spendern von Geld wie Zustimmung finden sich immer häufiger Frauen, und einige Male wöchentlich erscheint eine Gabe von 40 Gen­tesimi, von vier proletarischen Kindern aus Turin mit Wün­schen gesandt für die Beendigung des Kriegs und das Ge­deihen des Avanti". Neulich schickte ein proletarisches Ehe­paar dem Avanti" einen bescheidenen Beitrag mit der Nach­richt, es sei ihnen ein Mädchen geboren worden, dem sie den Namen gegeben: Pace( Frieden) Zimmerwald. Kleine Züge ähnlicher Art fallen täglich auf und vereinigen sich zu einem großen einheitlichen Gesamtzug, der fündet, wie tief und fest der internationale Sozialismus im Leben der italienischen Prole­tarierinnen und Proletarier Wurzeln zu schlagen beginnt. Angelika Balabanoff.

Aus der Bewegung.

Von der Konferenz der Parteifunktionärinnen und der in der Gemeinde tätigen Genoffinnen von Groß- Berlin ist be­reits in Nr. 6 die Rede gewesen. Dort wurde über die Stellung