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Die Gleichheit
sich auf der Ersten Internationalen Konferenz der Sozialistischen Frauen zu Stuttgart 1907 vertreten, ihre Delegierten befürworteten eifrig den Zusammenschluß der Genossinnen aller Länder, und dem Bekenntnis zur internationalen Solidarität folgte die Tat, die Angliederung an die Sozialistische Fraueninternationale.
Die Liga hat dank ihrer energischen Betätigung eine gedeihliche Entwicklung genommen. Nach ihrem Bericht an das Internationale Sekretariat der sozialistischen Frauen für die geplante dritte internationale Konferenz zu Wien hatte die Organisation 1914 zwischen 110 und 120 Ortsgruppen von Einzelmitgliedern; eine Reihe von Arbeiterfrauenvereinen war ihr angegliedert, ebenso eine Frauengewerkschaft in Kanada ; mit der Liga der Frauengewerkschaften und der großen Frauengenossenschaftsgilde unterhielt sie gute Beziehungen, die sehr häufig zu gemeinsamen Aktionen für bestimmte Reformforderungen führten. Ihr Ansehen in der Arbeiterwelt war groß, ihr Einfluß auf kommunale und staatliche Körperschaften schon recht erheblich. Soweit uns Berichte vorliegen, ist die Entwicklung und Tätigkeit der Liga durch den Weltkrieg wohl bedeutend erschwert, nicht aber lahmgelegt worden.
Ihre Jahreskonferenz hat am 22. Januar in Salford statt gefunden, wie üblich vor dem Kongreß der Arbeiterpartei. Aber: Wie anders wirkt dies Zeichen auf mich ein!" Wie verschieden vom engbrüstigen nationalistischen Geist des Kongresses war die Gesinnung, die die Jahreskonferenz beherrschte. Hier redete und handelte der internationale Sozialismus, zu dem sich die Liga bekennt und dem sie auch unter den Stürmen des imperialistischen Krieges treu geblieben ist. Bezeichnend dafür sind die Ausführungen der Genossin Snowden, die als Vertreterin des Internationalen Frauenrats der sozialistischen und Arbeiterorganisationen Groß britanniens sprach, dem die Liga angegliedert ist, und der ihr hauptsächlich sein Entstehen verdankt. Genossin Snowdens Ausführungen gipfelten darin, daß die Frauen der ArbeiterKlasse Großbritanniens als internationale Sozialisten und nicht als Nationalisten handeln müßten, wenn sie auf der Bahn zu Glück und Freiheit vorwärts schreiten wollten.
Nach den bis jetzt vorliegenden Berichten von Tagesblättern wurden Genoffin Snowdens internationale Gedankengänge von keinem Protest, keinem gegnerischen Zwischenruf unterbrochen. Im Gegenteil: sie fanden begeisterte Aufnahme. Die Bedeutung dieses Vorganges ist nicht gering zu werten, denn unter den Delegierten der Tagung befanden sich die Vertreterinnen und Führerinnen der Frauengewerkschaften, so unter anderen Genossin Mac Arthur, Sekretärin der Liga englischer Frauengewerkschaften. In Zusammenhang mit Genossin Snowdens Rede brachte Genoffin Dr. Marion Phillips eine Friedensresolution ein, deren vollständiger Tert leider noch nicht bei uns eingegangen ist. Bekannt ist bis jetzt nur, daß sie die Note des Präsidenten Wilson und dessen Überzeugung begrüßt, die offene Erörterung der Friedensbedingungen würde dazu beitragen, uns dem Frieden näher zu bringen," ferner, daß sie die ernste Hoffnung aus. spricht, daß der Friede binnen furzer Zeit erreicht werde." Die Resolution wurde von einigen Rednerinnen warm unterstützt und gelangte zur Annahme. Wir hoffen, darüber vollständiger berichten zu können- wie auch über die Stellungwie auch über die Stellung nahme der Konferenz zu den Arbeitsbedingungen der Arbeiterinnen und die Lebensmittelteuerung-, wenn uns die Februarnummer vom„ Labour Woman"(" Die Proletarierin") zugegangen sein wird, dem Drgan der Liga, das der Kriegshezze, dem Völkerhaß der englischen Jingos tapfer entgegenzuwirken bestrebt ist.
Der Geist, der die Liga beseelt und die ernsten Bemühungen der Organisationsführerinnen, Bekenntnis zur Tat werden zu lassen, verbürgen den Genossinnen, den Sozialdemokraten des Auslands dieses: Auch auf dem der Konferenz gefolgten Kongreß der Arbeiterpartei haben die Vertreterinnen der Liga mutig und stolz als internationale Sozialistinnen gesprochen und gestimmt. Auch innerhalb der allgemeinen Arbeiterbewe
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gung betätigt sich die Liga nach wie vor, uneingeschüchtert durch die brausende chauvinistische Hochflut als Glied der sozia listischen Fraueninternationale. Von der Zeit an, wo die kapttalistische Entwicklung der europäischen Großstaaten düstere Wollen zusammenballte, die das kulturvernichtende Gewitter eines imperialistischen Kriegs um die Weltherrschaft in sich trugen, hat die Liga das Treiben der englischen Weltmachtspolitiker energisch bekämpft. Wieder und wieder hat sie auf ihren Jahreskonferenzen Resolutionen angenommen, die dem drohenden Brudermord der Arbeiter verschiedener Länder die internationale Solidarität des Weltproletariats im Ringen für den Sozialismus entgegenstellten, und die zum Kampfe gegen die Kriegsfanatiker in England aufriefen. Solche ResoIutionen hat sie mehr als einmal auf den Kongressen der Arbeiterpartei und anderen Tagungen eingebracht und verfechten lassen.
Die letzte Jahreskonferenz der Liga beweist, daß diese ihren Idealen und dem Gelöbnis ihrer Delegierten auf der Internationalen Sozialistischen Frauenkonferenz zu Bern getreu geblieben ist. Mit den sozialistischen Frauen aller Länder in einer Weltanschauung, einem Ziel verbunden, steht sie mit ihnen im Vordertreffen des Stampfes für den Frieden, für die internationale Solidarität der Arbeiter der ganzen Welt, für die Zukunft des Sozialismus. Freudig und stolz werden es die Genofsinnen überall verzeichnen zumal aber in den Kriegführenden Ländern daß die Liga für die Frauen der Arbeiterklasse Großbritanniens au jenen Organisationen zählt, für die der internationale Sozialismus nicht zum„ leeren Wahn" herabgesunken, sondern tatfreudige Wirklichkeit geblieben ist.
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Die Auseinandersetzung in der Sozialdemokratie.
Der Prozeß der Klärung und Selbstbesinnung in der Sozialdemokratie schreitet fast überall unter Umständen vorwärts, die das feste Gefüge der Partei schwer erschüttern, ja mancherorts zersprengen. Eine stattliche Reihe Konferenzen von Bezirks- und Streisvor ständen, Parteileitungen, Wahlvereins- und Delegiertenversamm lungen usw. hat das statutenwidrige, aber machtgestügte Vorgehen des Parteivorstandes und Parteiausschusses zur Niederziingung ber Opposition gebilligt. Durch welche organisatorischen Maßnahmen die Zustimmung in die Praris umgesetzt werden soll, das wird durch einige charakteristische Beschlüsse beziehungsweise Vorgänge beleuchtet. Die Vorstände des Bezirks und der Kreise für Schleswig- Holstein und das Fürstentum Lübed haben gegen die Oppositionellen diese Bosung ausgegeben:„ Von derartigen Personen werden natürlich keine Beiträge mehr angenommen, sie haben ebenso natürlich keine Rechte als Parteimitglieder." über einen wesensgleichen Antrag hat die Parteiorganisation in Breslau zu entscheiden. Die außerordentliche Landesversammlung für das Königreich Sachsen in Dresden dekretierte kurzerhand, daß die Beschlüsse des Parteiausschusses für die Partei bindend seien, solange fein statutengemäßer Barteitag zusammentreten könne. Sie erklärte des weiteren, die Anhänger einer geschlossenen, planmäßig handelnden Opposition als freiwillig aus der Partei ausgeschieden". Diese Stellungnahme erfolgte mit 69 gegen 11 Stimmen bei 10 Stimmenthaltungen. Die Teilnehmerschaft der Landesversammlung war bon bornherein sorgfältig gefiebt worden. Drganisationen und Genossen, die sich zu der Reichskonferenz der Opposition bekannten, durften an ihr nicht teilnehmen. In der Folge hatten brei Kreise nicht delegiert, einer war nicht zugelassen und ein anderer nur durch einen Genossen ohne Mandat vertreten. Die Landes. versammlung„ berbesserte" den Landesvorstand dadurch, daß sie den grundsastreuen Genossen Schulz durch den mehrheitstreuen Genossen Gradnauer ersetzte. Die Praris, aus leitenden Stellungen Oppofitionsanhänger zu entfernen, die die selbstverständliche Pflicht ihrer überzeugung erfüllen, scheint überhaupt auf Dresdener Boden zu gedeihen. Die Vorstandssigung der Kreisorganisation für DresdenLand entschied mit 20 Stimmen, drei Vorstandsmitglieder auszu schließen, weil sie zur Opposition standen, und sie bestätigte den Hinauswurf des Genossen Fleißner aus dem Bezirksvorstand, indem sie einen Nachfolger für ihn wählte. Die Bezirkskonferenz der ersten neun zum Bezirk gehörenden sächsischen Wahlkreise schloß Ge noffen Fleißner und fünf andere Mitglieder von den Beratungen aus.