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Die Gleichheit

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träge zu erlangen sind. Auf jeden Fall können jedoch Arbeiter­frauen aus ihrem eigenen Erleben heraus durch Anregung und Kritik dem Partciblatt nützen, nicht zuletzt aber durch eine geschickte Vertretung in der Preßkommission. Nicht darauf kommt es an, daßeine Frau" in die Preß­kommission gewählt wird, nein, die beste, die klügste und er­fahrenste Genossin gehört in den Ausschuß, der über die Hal­tung des Parteiblattes auch in Fraucnfragen zu befinden hat. Die durch den Krieg hervorgerufenen Umwälzungen des Frauenlebens werden nach Friedensschluß zu lebhaften Be- wegungen führen, die entsprechenden Widerhall in der Tagcs- presse finden müssen. Unsere sozialdemokratische Presse muß dabei die Führung behalten. Daß dies geschehe, dafür haben vor allem die sozialdemokratischen Frauen Sorge zu tragen. ________ W. Sollmann . Die Auseinandersetzung in der Sozialdemokratie. Die Auseinandersetzung in der Sozialdemokratie steht weiter im Zeichen der brutalen Gewaltpolitik des Parteivorstands und der MehrheitLanhänger. Für diese Politik geht es nicht um die Klärung der Meinungen, sondern um Macht, Herrschaft, die Überzeugung der Oppositionellen nicht Bekenntnis und Tat werden zu lassen. Sie treibt eine Umwertung der politischen und moralischen Werte, wie sie rücksichtsloser kaum möglich ist. Grundsätze, Begriffe, Worte: alles hat seinen alten, geschichtlich geprägten Sinn verloren und wird mit einem neuen Inhalt gefüllt, den eine nationalsoziale Auf­fassung der Dinge und Ereignisse diktiert. Die Methoden statuten- widrigen Vorgehens der sozialistischen Kriegspolitiker haben wir bereits in letzter Nummer gezeigt. Die höchste Staffel des Regiments der starken Faust hat seither der Parteivorstand mit dem HinauSwurf des Genossen WengelS und der Genossin Zietz erreicht. Ein nackter Gewaltschlag, ohne jede demokratische Farce. Der Parteivorstand suchte sein Vorgehen durch eine Erklärung zu rechtfertigen, in der er die beiden hoch­verdienten Kämpfer für die Sache des Proletariats anklagt, ihre Stellungnahme zu den Streitsragen innerhalb der Partei habe seine Arbeit seit langer Zeit wesentlich erschwert". Als Beweis da­für führt er an:Gegen den Aufruf des Parteivorstands vom 22. Jannar 1917 haben die Genannten sich öffentlich in der Presse erklärt." Sie haben sich des weiteren nicht dem körperschaftlichen Beschluß gefügt, im Prozeß derVorwärts">Redakteure einen Rechts­anwalt mit der Vertretung des gesamten Parteivorstands zu be­trauen,sie bestellten für sich einen besonderen Anwalt, der sie im Sinne der Kläger gegen den Parteivorstand vertritt.. Beide stellen sich auf den Boden der Arbeitsgemeinschaft und gehören Organisationen an, die der sozialdemokratischen Partei nicht an­geschlossen sind." Genosse Wenzels und Genossin Zietz haben treffend gesagt, was auf den Hinauswurf und seinen Beschönigungsversuch zu ant­worten ist. Sie erklären:Unser Amt beruht auf dem Willen des Parteitags, der obersten Instanz der Gesamtpartei, und kann uns von niemand anderem wie dem Parteitag entzogen werden. Das Vorgehen der Parteivorstandsmitglieder gegen den.Vorwärts' und dessen Redakteure war in Wahrheit nicht nur ein Bruch des Partei­statuts, sondern auch eine unerhörte Gewaltmaßregel.... Ein Ge­wissenszwang schlimmster Art, eine Unterdrückung der Meinungs­freiheit und Überzeugungstreue, eine Verleitung zur UnWahrhaftig­keit ist es, von uns zu verlangen, im Sinne der VorstandSmehrheit unsere Erklärung vor Gericht abzugeben. Wir müßten jeder Selbst­achtung bar sein, hätten wir uns diesem Ansinnen gefügt. Die Vor­standsmehrheit hat ferner den unweigerlichen Entschluß gefaßt: Organisationen, die ihr nicht zu Willen sind, aus der Partei aus­zuschließen und Sonderorganisationen zu bilden, unbekümmert darum, daß sie damit die vom Parteitag beschlossene Verfassung der Partei zerfetzen. Dadurch wird die Parteieinheit zerstört und ein Werk vernichtet, an dessen Aufbau wir mit unserer besten Kraft gearbeitet haben." Für die Genossinnen hat die Willkürtat des Parteivorstands ihre besondere Bedeutung. Sie hat die Genossinnen ihrer langjährigen, uiiermüdlichen Vertreterin in der Parteileitung beraubt. Das besagt über die brutale Maßreglung der Genossin Zietz hinaus eine nicht weniger brutaleZertrümmerung des Rechts der Genossinnen auf eine Vertretung im Parteivorstand. Die Verfassung der Sozialdemokratie erklärt ausdrücklich, daß sich unter den Beisitzern dieser Körperschaft eine Vertreterin der Genossinnen befinden muß.

Eine Vertreterin, die vom Parteitag zu wählen ist und weder von der Gnade des Parteivorstands ernannt, noch von seiner Ungnade abgesetzt werden darf. Wir schätzen unsere Genossinnen hoch genug ein, daß sie Maßreglung und Rechtsverleugnung nicht schweigend hinnehmen werden. Sich geschlossen zum Protest zu erheben, ist für sie eine dreifache Pflicht. Eine Ehrenpflicht gegen ihr gutes, wohl­erkämpftes und verbrieftes Recht, das jeder Parteitag geachtet hat. Eine Dankespflicht gegen Genossin Zietz, die seit langen Jahren ihre Begabung, Energie und Hingabe für die Förderung der prole- larischen Frauenbewegung eingesetzt hat, die Tausenden zur Er- weckerin, Beraterin, Sachwalterin und Führerin geworden ist. Eine Treupflicht gegen den internationalen Sozialismus, dessen Grund­sätze den nationalistischen Auffassungen der Mehrheitspolitiker nicht geopfert zu haben, Genossin Zietz' Verbrechen ist. Die Genossinnen in Hamburg und Berlin sind mit gutem Beispiel vorangegangen, das hoffentlich allerwürts Nachahmung finden wird. Eines weiteren Rechtsbruch» haben sich die Mehrheitsanhänger in Königsberg schuldig gemacht. Dort hatte sich die General­versammlung der Parteiorganisation nach Referaten der Genossen Braun und Haase mit 337 gegen 119 Stimmen für die Oppo­sition erklärt. Die Minderheit hat daraufhin eine Sonderorgani­sation gegründet, die sich des Parteiorgans bemächtigte, in dem es Redaktions- und Richtungswechsel gab. Welches Mäntelchen deni Streich umgehängt wird, wissen wir noch nicht. Die Auseinandersetzung in der Partei hat dem Wahlkampf im elften Berliner LandtagSwahlkreiS das Gepräge gegeben. Bekanntlich handelt es sich in diesem Kreise um die Nachfolge des Genossen Liebknecht, der seine mannhaft bekundete Treue gegen den internationalen Sozialismus mit Jahren des Zuchthauses und des Verlustes bürgerlicher Ehrenrechte büßt. Für jeden, der sozialdemo­kratische Grundsätze nicht zum Kinderspott machen will, der Emp­findung für die Würde und Selbstachtung des Proletariats besitzt, war eS selbstverständliches Anstandsgebot, dafür zu wirken, daß da? erledigte Mandat einem Manne iibertragen würde, der wie der Ehrenzuchthäusler Liebknecht im Geiste des internationalen Sozia­lismus denkt und handelt. Diese Wahl mußte ein Protest werden gegen den Weltkrieg und alles, was im Zusammenhang damit gegen das Wesen des Sozialismus verstößt, was es entstellt und büttelt. Ohne Unterschied der Richtung war die Opposition einig darin, daß im Wahlkampf Genosse Mehring unser Banner vorantragen solle, Genosse Mehring, der dem Sozialismus Jahrzehnte reichsten Lebens, bienenfleißiger, glänzender Arbeit gewidmet hat, und der soeben um seiner Überzeugung willen die Härten der Schutzhaft erduldet hatte. In diesem ganz besonderen Falle erwiesen die Mehrheitsanhänger die Konsequenz der Schamlosigkeit, einen Gegenkandidaten aufzu­stellen. Als Nachfolger des Verurteilten sollte in den Landtag ein Mann einziehen, der die sozialdemokratische Bankrottpolitik recht­fertigt und unterstützt, die Liebknechts Verbannung ins Zuchthaus inöglich gemacht hat! Natürlich ohne Rücksicht auf den Burgfrieden, der gegen bürgerliche Parteien peinlich respektiert wird. Ebenso natürlich aber auch mit bürgerlicher Unterstützung. Die Fortschritt­ liche Volkspartei kam den Umlernern durch die Aufstellung eines eigenen Kandidaten zu Hilfe und tat noch mehr. Ihre Leitung forderte in derFreisinnigen Zeitung" die Wühler auf, in Bezirken, wo keine fortschriitlichen Wahlmännerkandidaten aufgestellt seien, für die Kandidaten der sozialdemokratischen Kreditbewilliger zu stimmen. Trotz dieser Unterstützung und obgleich die Opposition weder über bedeutende Mittel noch einen Schleppapparat verfügte, haben die Mehrheitsanhänger kläglich abgeschnitten. Von 268 Wahl­männern vertreten 213 die Kandidatur Mehring, für die Fortschritt­lichen wurden nur 25, für die Umlerner»och weniger Wahlmänner gewählt. Bei öffentlicher Stimmabgabe! Noch ist damit die Ent­scheidung nicht gefallen. Sie steht bei den 366 alten Wahlmännern, deren Mandat weiter gilt. Hoffen wir, daß ihrer Mehrheit noch nicht das Gefühl für politische und persönliche Ehre, für sozia­listisches Bekenntnis und Tun verloren gegangen ist. Doch wie dem sei: Unter den vorliegenden Umständen war der 21. Februar ein Ehrentag des Berliner Proletariats.

Berichtigung. In dem Artikel der letzten Nummer: Eine Frie­denskundgebung englischer Proletarierinnen ist uns ein sehr peinliches Versehen unterlaufen, das wir erst entdeckten, als es zu spät war. Kopf und Herz von der Freude über die prächtige Haltung der englischen Genossinnen erfüllt, die in Salford getagt hatten, haben wir uns verschrieben und damit auch den Kongreß der englischen Arbeiterpartei nach Salford verlegt. Dieser ist jedoch in Manchester abgehalten worden. Unsere Leserinnen werden das an? der Tagespreffe wissen und den Lapsus korrigiert haben.