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Die Gleichheit
Richtlinien zielen im wesentlichen auf dieses ab: Sicherung und Ausbildung eines förperlich und beruflich leistungsfähigen gewerb lichen Nachwuchses; Hebung der fachlichen Leistungsfähigkeit der Lehrlinge und Gehilfen; Förderung gediegener Arbeit und größerer funstgewerblicher Ansprüche an das Gewerbe; rechtzeitiges Wirken für die Beschaffung erforderlicher Rohstoffe durch Aufhebung von Beschlagnahmemaßnahmen und genügende Einfuhr; Förderung des Wiederauflebens der Geschäftstätigkeit und der Arbeitsgelegenheit nach Kriegsabschluß; planmäßige Verteilung der vorliegenden Are beiten auf alle Teile des Jahres; Beschaffung der notwendigen Arbeitskräfte und deren Verteilung auf die verschiedenen Teile des Reiches; Bekämpfung von Preisunterbietungen und gegenseitige Unterstützung der beteiligten Meister- und Gehilfenverbände, denen # anzugehören Pflicht jedes Meisters und Gehilfen ist.
Genossenschaftliche Rundschau.
Die Verwaltungen der Konsumvereine haben sich jetzt vielfach mit der Frage der Teuerungszulagen für Arbeiter und Anges stellte zu beschäftigen. Die in Betracht kommenden Gewerkschaften hatten das Tarifamt des Zentralverbandes deutscher Konsumvereine ersucht, dafür einzutreten, daß Teuerungszulagen von 25 Prozent der tarifmäßigen Gehälter und Böhne bewilligt würden. Daraufhin hat sich der Vorstand des Zentralverbandes mit der Angelegenheit beschäftigt und den einzelnen Unterverbänden empfohlen, sich mit den Gewerkschaften in ihrem Bezirk über allgemeine Normen zu verständigen, und zwar mit dem Bemerken, solche Zulagen nur auf bestimmte Zeit festzulegen und sie besonders vom Standpunkt bes sozialen Ausgleichs zu gewähren. Die letztere Weisung ist wichtig, widerspricht aber grundsäglich einer Zulage nach einem gleichen Prozentsage für alle Betreffenden. Gerade diese wichtige Weisung des Zentralverbandes scheint man jedoch nicht allenthalben beachtet, vielmehr die Grundsäge für die Zulage sehr einfach", aber wenig sozial gestaltet zu haben.
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Für das Königreich Sachsen ist so zwischen dem( größten) Unterverband und den Gewerkschaften die Verständigung auf fol gender Grundlage herbeigeführt: an Ledige find 10, an Verheiratete 15, an Verheiratete mit mehr als zwei Kindern 20 Prozent der Gehälter oder des Lohnes an Teuerungszulage vom 1. Januar bis 80. Juni 1917, eventuell dann noch weiter, zu zahlen. Für Ledige, weibliche und jugendliche Angestellte soll die Zulage nicht unter 7,50 mt. betragen. An diese Vorschläge sind die Vereine allerdings nicht gebunden. Man fann nur wünschen, daß sie die Sache anders fozialer!- durchführen, als der Verband es vorschlägt. Zunächst vermißt man in den Vorschlägen eine genügende Differenzierung, sie bleiben in dieser Hinsicht sogar hinter dem zurüd, was die Kriegsfamilienunterstützung leistet. Nicht ganz so bequem, aber sozialer und gerechter ist es doch zweifellos, wenn für jedes Kind bis zu einem gewissen Alter die Zulage besonders bemessen wird. Die Unterscheidung in Familien, die ein Kind und zwei Kinder haben, und solche mit über zwei Kindern muß zu den größten Härten führen. Eine Familie mit zehn Köpfen erhält dann nicht mehr Zulage als eine mit fünf! Bei den unteren Gehältern und Löhnen muß das besonders ungerecht und fühlbar wirken. Und da kommen wir auf die andere noch wichtigere Seite der Sache: bei dem in Betracht kommenden Vorschlage bleibt die Bohn beziehungsweise Gehalts. höhe ganz unberücksichtigt. Es erhält eben jeder 10, 15 ober 20 Prozent Zuschlag, das heißt. um es an einem Beispiel zu zeigen, der Geschäftsführer mit 4000 Mt. Gehalt bekommt etwa pro Jahr 800, der Lagerarbeiter mit 1800 Mt. Lohn aber nur 360 Mt. Teuerungszulage. Das falsche Prinzip führt also dazu, daß derjenige die geringste Zulage erhält, der Aufbesserung am dringendsten braucht. Je mehr Gehalt oder Lohn, je mehr Bulage! Es ist unbegreiflich, wie man zwischen Gewerkschaften und Genossenschaften derartige Vereinbarungen treffen kann. Was unsere Vertreter in den Gemeinden und Staatsparlamenten mit Nachdruck forderten und der offenbaren Gerechtigkeit wegen erzielten, müßte doch in diesem Falle ganz selbstverständlich sein. Nämlich: die Teuerungszulagen find bei den niedrigsten Löhnen und Gehältern am höchsten, sie fallen bei höheren Gehältern und hören an einer bestimmten Grenze ganz auf. Die Konsumvereine wollen ja nicht kapitalistische Unternehmungen sein, und ihre Mitglieder gehören zum größten Teil den ärmsten Kreisen an, die viel schlechter daran sind als die Angestellten der Genossenschaften. In ihnen müßte man sich sorgfältig vor so unsozialen Bestimmungen hüten. Der sächsische Staat fann in dieser Beziehung den Konsumvereinen einmal als Muster vorgehalten werden. Im Dresdener Konsumverein Vorwärts ist man erfreulicherweise dem Verbandsvorschlag nicht gefolgt, sondern hat die Teuerungszulagen wirklich sozial gestaltet.
Nr. 12
Jm vorigen Jahre hat sich für Ost- und Westpreußen eine neue Einkaufsvereinigung der Konsumvereine gebildet, deren es nun 50 gibt, die mit der Großeinkaufsgesellschaft in Geschäftsverbindung stehen. Die Warenumsätze auf den Einkaufstagen dieser Vereinigungen sind allerdings unter den Verhältnissen der Kriegswirtschaft stark zurückgegangen. Sie betrugen 1913 rund 58 Millionen Mart, fanfen 1914 um 9½ Millionen, und 1916 sind nur noch 20 Millionen Umsatz zu verzeichnen. Dabei müssen noch die seitdem so riesig gestiegenen Warenpreise berücksichtigt werden! Die Menge der auf diese Weise durch die Großeinkaufsgesellschaft vermittelten Waren ist demnach jetzt nur noch ein Bruchteil von dem, was früher geliefert werden konnte. Diese rückläufige Bewegung wird und muß anhalten, solange der Krieg noch dauert. Bald wird es ja überhaupt nichts mehr zu beschaffen geben.
Wie Fachblätter berichten, beginnt sich auch in der bisher auf diesem Gebiet ganz rückständigen Türkei der Genossenschaftsgedanke zu regen. Schon vor drei Jahren hatte die osmanische Regierung eine Studienkommission nach Rumänien , Ungarn und Bulgarien geschickt, um die Genossenschaften in diesen Ländern genau kennen zu lernen. Auf Grund des Berichts der Kommission hat die Regierung ein Gesetz vorbereitet, das demnächst erlassen werden soll. Ohne es abzuwarten, hat aber das Treiben der Wucherer im Sandschak Aidine die dor tigen Feigenproduzenten zu einer festen Genossenschaft zusammen geführt. Aidine in Kleinasien , jetzt meist Smyrna genannt, ist das Zentrum der Feigenproduktion und versorgt halb Europa mit den besseren Tafelfeigen, die man dort unten meist als Arznei benut. Selten gedeiht diese Frucht in anderen Gegenden in so reichen Mengen, in Aidine aber werden jährlich rund 66 Millionen Nilogramm gewonnen. Durch griechische und armenische Wucherer wird der größte Teil der Früchte nach England verkauft. Seit zwei Jahren funktioniert nun die Genossenschaft der Feigenproduzenten, die ihre erste Generalversammlung abgehalten hat. Dabei sagte ihr Präfi dent unter anderem:„ Rund 80 vom Hundert der Feigenproduzenten sind mit großen Schulden belastet, obwohl die Produktion des Landes sehr reich und kostbar ist. Diese Zustände sind dadurch hervorgerufen, daß der Produzent nur einen fleinen Teil der Waren hereinbringt und der größte Teil von wucherischen Zwischenhändlern mit Beschlag belegt ist. Eine große Zahl von Produzenten wurde vollständig ihres Landbesizes beraubt. Jezt sind neue Verhältnisse eingetreten. Die Regierung wird ihre ganze Aufmerksamkeit auf das Bodenleben des Bauern, des Voltes und auf das Gedeihen der Nationalproduktion richten." Von der Regierung werden die ausgebeuteten türkischen Bauern jedenfalls nicht viel zu erhoffen haben.
Notizenteil.
Für den Frieden.
H. F.
Die Friedensbestrebungen der organisierten englischen Genof. finnen fanden auf der letzten Vierteljahrsversammlung für 1916 Ausdruck, die der Internationale Frauenrat der Sozialistischen und Arbeiterorganisationen für Großbritannien am bergangenen 15. Dezember in London abgehalten hat. Zur einstim= migen Annahme gelangte diese Resolution:" Der Rat fordert die alliierten Regierungen dringlichst auf, die Geneigtheit des Deutschen Reichs und seiner Verbündeten, in Friedensverhandlungen einzutreten, zum Anlaß zu nehmen, sich im einzelnen und klar über ihre Striegsziele zu erklären. Er spricht des weiteren mit größter Eindringlichkeit seine Hoffnung aus, daß Berhandlungen die Folge sein möchten, die zu einem dauernden und ehrenvollen Frieden führen." Die Entschließung wurde laut Beschluß den Mitgliedern der britischen Regierung und der Presse zugeschickt. Höchstwahrscheinlich ist es diese Resolution, die von der Konferenz der Liga für die Frauen der Arbeiterklasse angenommen worden ist, mit der wir uns in letter Nummer beschäftigt haben. Die Liga ist nämlich im Inter nationalen Frauenrat vertreten, der eine Körperschaft mit der Aufgabe ist, die organisierten Sozialistinnen und Arbeiterinnen in enger, regelmäßiger Fühlung mit der proletarischen Frauenbewegung aller Länder zu halten. Nach dem letzten Bericht des Rats kurz vor Kriegsausbruch hatten in ihm eine Vertretung: die Liga für die Frauen der Arbeiterklasse, die Unabhängige Arbeiterpartei, der Frauenrat der Britischen Sozialistischen Partei, die Gesellschaft der Fabier, die Liga der Frauengewerkschaften, die Vereinigung der Genossenschaftsangestellten, der Gewerkverein der Arbeiterschaft in der Juteund Flachsspinnerei für Dundee und Umgegend, die Gewerkschaft der Dienstboten und häuslichen Arbeiterinnen für Großbritannien . Man steht, daß der Internationale Frauenrat moralisch und formell das