Nr. 12
Die Gleichheit
Recht hat, im Namen der organisierten Sozialistinnen und Arbeiterinnen zu sprechen, und daß seiner Stellungnahme Bedeutung zu tommt.
Wie die mitgeteilte Resolution, so zeigten auch die folgenden Ver. handlungen der Versammlung, daß der Frauenrat bestrebt ist, den proletarischen Frauen Großbritanniens die internationale Solidarität der Arbeiterklasse aller Länder zum Bewußtsein zu bringen und sie dem internationalen Sozialismus zuzuführen. Im Anschluß an einen Vortrag der Genossin Sanger wurde die Frage erörtert, ob bei Festsetzung der Friedensbedingungen auch Probleme des industriellen Lebens in Erwägung gezogen beziehungsweise geregelt werden sollten, wie Arbeiterschutzgeseze, Beschäftigung ausländischer Arbeiter usw. Genossin Sanger fam zu dem Schluß, daß es verhängnisvoll sein würde, die Entscheidung über solche Fragen den tagenden Diplo maten anzuvertrauen, denen es an der nötigen Sachkenntnis, aber auch an Interesse fehle. Dagegen könnten die Regierungen der einzelnen Staaten verpflichtet werden, sich auf einer folgenden inter nationalen Konferenz für Arbeiterfragen vertreten zu lassen.
Ein Verzweiflungsschrei kriegsmüder Mütter in England. In einer englischen kriegsfeindlichen Zeitung veröffentlichen zahlreiche Mütter einen Ruf nach Frieden an die Regierenden. Das naive Zutrauen der Unglücklichen, ihre Bitten und Versprechen rücken ihre tragische Lage, ihre Verzweiflung in helles Licht." Wir unglüd lichen Mütter von Söhnen in kriegführenden Ländern wenden uns an Sie, Regierende der triegführenden Nationen, um Sie anzuflehen, den Greueln des Krieges ein Ende zu machen. Seit 29 grauenhaften Monaten geht das gegenseitige Niedermezeln unserer Söhne ununterbrochen vor sich, Tag für Tag. Flüsse ihres Blutes haben wieder und wieder die Erde getränkt. Die entsetzlichen Berge der entseelten Leiber unserer Söhne, die einander töten, werden höher und höher. Im Namen Gottes, unseres Vaters, des Vaters der Kinder aller triegführenden Nationen, im Namen alles bessen, was heilig ist, flehen wir Sie an, dem gegenseitigen Töten und Duälen unserer Söhne ein Ende zu machen. Wir Mütter, die die Duelle des Lebens sind, wir flehen Sie an, dem Brudermord ein Ende zu machen.
Wir haben unsere Kinder unter Leiben geboren, damit sie glüd lich sein sollen. Wir haben sie unter unserem liebenden Herzen getragen und geboren, damit sie in Liebe leben könnten. Und seit 29 Monaten werden im christlichen Europa die Herzen von Millionen von Müttern gefoltert durch den Todeskampf und das Sterben ihrer Söhne, die von den Händen derjenigen fallen, die ebenso unglüd. liche Söhne von ebenso unglücklichen Müttern sind wie sie selbst. Ihre blutigen Schatten verfolgen uns Tag und Nacht. Unsere Herzen bluten mit den Herzen unserer Kinder auf den Schlachtfeldern. Unsere Seelen, unsere Leiber werden gemartert mit den Seelen und Leibern unserer Kinder auf den Schlachtfeldern. Große geistige Schäze schlummern in ihnen, sie sind für uns und für alle auf immer ver loren. Da unsere unglücklichen Söhne töten und getötet werden, wäre es besser, sie wären nie geboren. Aber wenn es schon uns möglich ist, die bereits Getöteten ins Leben zurüdzurufen, so wenden wir uns doch an Sie im Namen derjenigen Mütter, deren Söhne noch nicht vernichtet worden sind, damit sie dem Leben erhalten bleiben. Wir wenden uns an Sie im Namen der Mütter, die dazu berurteilt sein könnten, die entstellten entfeelten Leiber ihrer Söhne beweinen zu müssen, wie wir es tun.
Wir alle müssen sterben. Wenn unsere Söhne eines jähen Tobes stürben, weil sie das Leben ihrer Brüder zu retten suchten im Stampfe gegen blinde Naturgewalten; wenn sie eines heldenhaften Todes stürben, ohne irgend jemand ein Übel zugefügt zu haben, so wür den wir an ihren Gräbern niederknien, und gebeugt vom Schmerz würden wir Gott danken, daß er ihnen so viel Liebe und Mut eingeflößt hatte. Aber es gibt feinen schrecklicheren Tod als den Tod zu einer Zeit, wo alle vom Wahn davongerissen werden, daß in Masse getötet werden muß.
Man behauptet, es sei notwendig, weiter zu töten, um einen dau. ernden Frieden zu sichern, und daß außer den Millionen, die bereits zugrunde gegangen sind, noch andere Millionen geopfert werden müssen, um den Feind zu bezwingen. Wir glauben aber nicht, daß dauernder Friede entstehen kann, wenn das Menschenmorden weiters geht. Das wird nur zu neuer Verzweiflung, zu neuem Haß führen. Wir sind der Meinung, daß ein sofortiger Friede einen ersten Schritt zum dauernden Frieden bedeuten würde.
Wir flehen Sie an, ein Ende zu machen den unsäglichen mensch lichen Leiden. Wir Mütter der kriegführenden Nationen, wir schwören vor Gott , daß wir unsere ganze Kraft der Herbeiführung eines dauernden Friedens widmen werden. Wir Millionen von Müttern, die schwach sind, aber so stark in der Liebe zu unseren Kindern, wir versprechen, mit aller unserer Kraft für den dauernden Frieden
83
und die Brüderlichkeit der Menschheit zu kämpfen. Wir versprechen, aus unseren Söhnen Streiter für den dauernden Frieden zu machen. Herrscher der Nationen, in deren Macht es liegt, den Greueln des Krieges ein Ende zu bereiten, wir flehen Sie an, hören Sie unsere Stimme, die Stimme von Millionen unglücklicher Mütter. Im Namen Gottes, im Namen der großen Mutterliebe, im Namen Ihrer eigenen Mütter, die Ihnen unter Qualen das Leben geschenkt haben, flehen wir Sie an, den Dualen unserer Kinder ein Ende zu machen. Der gesegnetste Tag Ihres Lebens wird derjenige sein, an dem Sie das tun werden."
a. b.
Der Ausbau der Arbeitsnachweise zugunsten der weiblichen Erwerbstätigen. Die Arbeitsvermittlung für weibliche Erwerbs. tätige hat während des Krieges eine ungeahnte Bedeutung gewonnen. Aus verschiedenen Gründen sind zahlreiche Frauen und Mädchen gezwungen, sich eine Beschäftigung zu suchen, und so tommen sie auch mit den gemeinnüßigen Arbeitsnachweisen in Be rührung. Im Ottober 1916 wurden diese Arbeitsnachweise zum Beispiel von 190980 männlichen und von 201529 weiblichen Arbeitheischenden aufgesucht. Die umfangreichere Inanspruchnahme der Arbeitsnachweise durch Frauen und Mädchen wird voraussichtlich längere Zeit anhalten. Nach Beendigung des Krieges wird den Arbeitsnachweisen vor allem noch die Aufgabe zufallen, Beschäftigung solchen weiblichen Arbeitskräften zu vermitteln, die ihre seitherigen Arbeitsstellen verlieren, weil Männer wieder in diese. eintreten.
Die inneren Einrichtungen der öffentlichen Arbeitsnachweise entsprechen nicht den veränderten Verhältnissen. Schon auch deshalb nicht, weil sie bisher fast ausnahmslos von Männern verwaltet werden. Aus diesen Erwägungen heraus hat der Verband Märkischer Arbeitsnachweise unter Führung des Landesrats Dr. Freund beschlossen, die Ausbildung besonderer Beamtinnen in die Hand zu nehmen, die berufen sind, die Arbeitsnachweise zu leiten. Der Andrang zu dem ersten Ausbildungskursus war aus allen Teilen des Reiches so groß, daß zahlreiche Bewerberinnen einstweilen zurückgeiviesen werden mußten. Ein zweiter derartiger Ausbildungskursus ist in Aussicht genommen. Die Kurse finden im Saale der Landesversicherungsanstalt Berlin statt. Eine Folge der Ausbildung von Arbeitsnachweisbeamtinnen ist, daß neuerdings hier und da schon weibliche Kräfte tätig sind.
Eine weitere zu erhebende Forderung ist die, daß bei den Arbeitsnachweisen besondere Abteilungen für weibliche Erwerbstätige gebildet werden, und innerhalb dieser wieder Fachabteilungen für einzelne Berufszweige. Dieses Verlangen wird unter anderem erhoben in einer Eingabe der großen Gesamtberbände der Gewerkschaften an die gesetzgebenden Stellen. Diese Eingabe fordert auch, daß ein gemeindlicher Arbeitsnachweis zumindest in den Drten mit über 10000 Einwohnern eingerichtet wird. Die Errichtung besonderer Frauenabteilungen der Arbeitsnachweise ist neuerdings ebenfalls vielfach durchgeführt worden. Dagegen fehlt es fast noch gänzlich an Fachabteilungen für die wichtigsten Frauenberufe.
Bei jedem Arbeitsnachweis sollte insbesondere eine Abteilung für die Hausangestellten eingerichtet werden, die leider noch immer zum großen Teil an der Gewohnheit festhalten, die privaten gewerbsmäßigen Stellenvermittler in Anspruch zu nehmen. Unter Hinweis auf die Nachteile ist wieder und wieder die Beseiti gung der geschäftsmäßigen Stellenvermittlung gefordert worden. Das Stellenvermittlungsgesez vom 2. Juni 1910 hat mit den Mißständen nicht so aufgeräumt, wie es beabsichtigt war. Der gewerbsmäßige Stellenvermittler findet in dem Gesetz immer wieder Maschen, die ihm ein Durchschlüpfen ermöglichen. Die alte Methode der privaten Stellenvermittlung wird jetzt mit doppelter Härte praktiziert. Die meiste Aussicht, eine Beschäftigung zu erhalten, hat diejenige Stellenlose, die dem Stellenvermittler das meiste Geld opfert. Und der so vermittelte Platz ist meist miserabel. Nach der amtlichen Statistik, von 1913 gab es im Deutschen Reich noch rund 3500 gewerbsmäßige Arbeitsnachweise, meist Frauen, die rund 400000 Stellen vermittelten. In einigen Bundesstaaten, wie im Königreich Sachsen, hat sogar die Inanspruchnahme der gewerbsmäßigen Stellenvermittler zugenommen. In Braunschweig , Bremen , Oldenburg usw. wurden von den privaten gewerbsmäßigen Stellenbermittlern mehr Arbeitspläge bermittelt als von den unentgeltlichen öffentlichen Arbeitsnachweisen. Wiederholt ist eine Verschärfung des Stellenvermittlergesezes verlangt worden ( vergl.„ Soziale Praxis", 1914, S. 69). Hand in Hand mit den diesbezüglichen Forderungen muß die Beseitigung der Mißstände