Nr. 14

Die Gleichheit

Das Recht der Frau zur Mitarbeit in der Kommunalverwaltung vor dem Preußischen Abgeordnetenhaus .

II.

Das Loblied auf die Leistungen der Frau während des Krieges, namentlich auch auf kommunalem Gebiet, erschallte unisono, klang herzlich, ja begeistert. Die praktischen Schluß­folgerungen aus Leistungen und Anerkennungen rückhaltlos und entschieden zu ziehen, dazu verstanden sich jedoch keines wegs alle Lobredner. Sollte der Mangel an Logik und Kon­sequenz nicht nur ein untilgbarer Erbfehler des weiblichen Geschlechts sein? Mehr als ein Redner ließ bei seinem ganzen Lob für die Frauenleistung und seiner halben, unentschiedenen Zustimmung zu bescheidenem Frauenrecht durchblicken, daß er den Anfang scheute". Die Angst vor dem Frauenwahlrecht, zumal dem politischen Frauenwahlrecht, macht auch das kleinste Zugeständnis schwer.

Der Abgeordnete Kessel erklärte im Namen der Konser vativen und unter lebhaftem Sehr richtig!" rechts: Vom politischen Leben wollen wir die Frauen fernhalten."" Aller­dings endete er seine Ausführungen mit der Zusicherung, seine Freunde würden den Antrag durchaus wohlwollend beraten". Allein nach dem Ton seiner Musik seßten die sozialdemokra­tischen Abgeordneten ein starkes Fragezeichen hinter das Ver­sprechen. Sie riefen:" Worte, nichts als Worte." Ähnlich wie der konservative äußerte sich der freikonservative Redner Lüdicke. Nach ihm ist es vor allem notwendig ,,, die Gebiete abzugrenzen, auf denen die Frauen sich betätigen können". Wie heißt es doch? Der Zopf, der hängt ihm hinten." Eine " gründliche Beratung" des Antrags sagte im Namen des Zentrums Dr. Kauffmann zu. Er betonte stark die Auf fassung, daß der Hauptberuf der Frauen der als Gattin sei, fügte aber hinzu, daß sie auch auf sozialem Gebiet mitwirken könnten. Rühmend gedachte er in diesem Zusammenhang der katholischen Frauenvereine und anerkannte, daß Frauen schon jetzt in vielen Gemeindebehörden erfolgreich mitwirken. Für die Nationalliberalen erklärte der Abgeordnete Für­bringer, man werde im Ausschuß nach eingehender Bera­tung vielleicht doch zur Ausarbeitung eines Gefeßentwurfs in der Richtung des Antrags kommen".

Grundsätzlich wendete sich ein einziger Redner gegen die erhobene Forderung, der antisemitische Abgeordnete Heins, Hospitant bei den Konservativen. Seine Darlegungen mute­ten wie verstaubter Urväter Hausrat aus der Rumpelkammer an und wurden wiederholt von der Linken mit Heiterkeit und dem Rufen hu! hu!" unterbrochen. Doch hören wir den Redner selbst:

" Dänemark zeigt, wohin es führt, wenn die Frauen immer mehr Rechte erhalten. Dort können die Frauen sogar Minister werden. Die Folge der weit fortgeschrittenen Frauenbewegung in England ist die Berrüttung des Familienlebens. Die Suffragetten werden dort schließlich das Wahlrecht erzwingen. Darf es in Deutschland so weit kommen? Sollen bei uns nur die ledigen Frauen das Stimmrecht bekommen, die es ja allein verlangen, oder auch die verheirateten Frauen? Das letztere würde zur Auf­lösung der deutschen Familie führen. Die politische Frauenbewe­gung ist ein Attentat auf die deutsche Familie. Erhalten die Frauen erst einmal in der Gemeinde das Stimmrecht, so werden sie es auch im Staate verlangen und erreichen."

Das Gemisch von Spießbürgerei und Unkenntnis der Tat­sachen wurde von dem Volksparteiler Rosenow und dem sozialdemokratischen Abgeordneten Hirsch zurückgewiesen. Genosse Hirsch nugte die Gelegenheit, um die grundsätzliche Forderung des vollen Bürgerrechts der Frau in der Gemeinde und im Staat zu befürworten. Er sagte:

Erst durch den Vorredner bin ich darüber aufgeklärt worden, daß dieser Antrag im Grunde genommen ein Attentat auf das deutsche Familienleben bedeutet. Alle übrigen Vorredner haben sich bereit erklärt, bis zu einer gewissen Grenze das Attentat mit­zumachen. Die in dem Antrag erhobene Forderung hat uns schon vor Jahren wiederholt beschäftigt. Wir, die wir auch das Wahl­

91

recht für die Frauen verlangen, sind natürlich mit diesem An­trag vollkommen einverstanden. Zweifellos werden wir nach dem Kriege damit zu rechnen haben, daß viele Frauen aus den Berufen,

in die sie während des Krieges eingedrungen sind, nicht so leicht wieder entfernt werden können, einmal, weil die Unternehmer sich vielfach an die billigere Frauenarbeit gewöhnt haben, und zweitens deshalb, weil viele Frauen, namentlich die Kriegerwitwen oder die Frauen von Kriegsbeschädigten, gezwungen sind, zu der Rente oder Pension noch etwas dazu zu verdienen. Dieser übel­stand kann nur beseitigt werden, wenn die Kriegerwitwen und Kriegsbeschädigten so gestellt werden, daß die Frauen nicht ge­zwungen sind, einem besonderen Erwerb nachzugehen.( Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Auch schon vor dem Kriege waren Frauen in städtischen De­putationen hervorragend tätig. Die Städteordnung erlaubt, daß Frauen Mitglieder der Armendirektionen sind, sie haben dort beschließende Stimme. Aus eigener Kenntnis kann ich die Sachlichkeit und den Ernst der Frauen bei dieser Mitarbeit bekunden. Alle im Anfang etwa gehegten Zweifel an der Frauen­arbeit haben sich längst als unbegründet erwiesen. Dasselbe gilt für die Waisendeputationen, in denen aber die Frauen nur beratende Stimme haben können. Der Landtag selbst hat das frühere Vorurteil gegen die Frauen über Bord ge­worfen, als er im Schulunterhaltungsgesez den Frauen Stimmrecht in den Schuldeputationen einräumte. Ziehen Sie doch die Konsequenzen und erweitern Sie die Rechte der Frauen. Schon die gemeindlichen Aufgaben auf dem Gebiet der Gesundheitspflege, die nach dem Kriege einen gewaltigen Umfang annehmen werden, können ohne die Mithilfe der Frauen gar nicht erfüllt werden, ebenso der nach dem Kriege zu erweiternde Säuglingsschutz, der weitere Ausbau der Wochenhilfe usw. Das Tätigkeits=

gebiet der Frauen in der Gemeindeverwaltung

darf daher garnicht begrenzt werden. Gewiß schwebt uns als Endziel die Gewährung des politischen Wahl­rechts an die Frauen vor Augen. Aber wer auch nicht so weit gehen will, der muß doch nach den Erfahrungen der Kriegszeit den vorliegenden Antrag als durchaus berechtigt anerkennen. Um politische Betätigung der Frauen handelt es sich ja hierbei gar nicht, die städtischen Verwaltungsdeputationen find völlig un­politisch. Wenn Sie also den Stadtverordneten ermöglichen, tüch­tige Frauen als vollberechtigte Deputationsmitglieder zu wählen, dann erfüllen Sie nicht irgendeine schrullenhafte Forderung, nein, dann dienen Sie dem Vaterland!"( Beifall links.)

Hoffentlich wird der kreißende Berg des preußischen Drei­Klassenhauses wenigstens das Mäuslein der geforderten be­scheidenen Reform gebären.

Die Auseinandersetzung in der Sozialdemokratie.

Während die gewaltige Boltstat der russischen Revolution die Welt in Atem hält und sowohl das Toben des Weltkrieges als auch die amerikanische und chinesische Frage zeitweilig in den Hinter­grund drängt, geht innerhalb der deutschen Sozialdemokratie der Prozeß der Klärung und Selbstbesinnung seinen durch die Verhält­nisse gewiesenen Weg. Während die russische Sozialdemokratie sich plötzlich als gesunder Riese emporrect, die Fesseln des Barismus sprengt und als politische Macht handelt, windet sich die sozial­demokratische Partei Deutschlands in den Krämpfen einer schweren innerlichen Erneuerung und Wiedergeburt. Die ersten Wehen sind bereits vorüber. Die Gewaltakte des Parteivorstandes haben den Klärungsprozeß beschleunigt, wir stehen nun vor dem selbständigen organisatorischen Zusammenschluß der ihrer Parteirechte beraubten Oppositionellen. Die Sozialimperialisten haben es so weit gebracht, daß kein anderer Ausweg übrigblieb. Wie die opponierenden Reichs­tagsabgeordneten seinerzeit gezwungen wurden, in der Sozialdemo kratischen Arbeitsgemeinschaft eine eigene Frattion zu bilden, um sich die Selbständigkeit und den sozialistischen Charakter ihres Handelns zu wahren, so jetzt die vom Parteivorstand und seinen Anhängern rechtswidrig gemaßregelten Mitglieder und Mitgliedschaften.

Es ist selbstverständlich, daß die in Gotha zu Ostern zusammen tretende Konferenz der Oppositionellen feine homogene Masse zeigen wird, daß vielmehr sehr starke Gegenfäße, zumal tattischer Natur, aufeinanderplagen werden. Allein das ist nicht entscheidend. Was jetzt im Vordergrund steht, ist die Notwendigkeit, die bisher zerstreuten und losen Elemente der Opposition zu einem aktions­