Nr. 16

A. g. XIII

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27. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für die Interessen der Arbeiterinnen

Mit den Beilagen: Für unsere Mütter und Hausfrauen und Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Poft viertelfährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

Inhaltsverzeichnis.

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Stuttgart

11. Mai 1917

Die Gothaer Tagung. Von Mathilde Wurm . Zunahme der In­dustriearbeiterinnen im Ruhrfohlenbezirk. Von M. Stellung­nahme der beiden sozialdemokratischen Parteien Deutschlands zum Frieden, zur Demokratisierung der politischen Zustände und zur Revolution in Rußland .

Aus der Bewegung: Ein sozialistischer Frauentag für Deutschland. - Die Stellung der Frauen in der Organisation der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. - Förderung der prole­tarischen Frauenbewegung und baldige Einberufung einer Konferenz der Genofsinnen in Bezirksleitungen durch die Sozialdemokratische Partei Deutschlands . Parteivorstand und Parteiausschuß gegen die grundsägliche Haltung der Gleichheit". Notizenteil: Für den Frieden.- Sozialistische Frauenbewegung im Ausland. Frauenstimmrecht.- Frauenarbeit.

Die Gothaer Tagung.*

Die Ostertage des Jahres 1917 werden voraussichtlich in der zukünftigen Geschichte der deutschen Sozialdemokratie eine bedeutsame Rolle spielen. Trennung und doch Einigung war die Losung! Trennung von den Führern, die mehr und mehr das Recht verwirkten, sich internationale Sozialisten zu nennen, die das Heil der Zukunft einer Partei des Klassenkampfes erblickten in der Aufgabe dieses Kampfes und jeder selbstän­digen sozialdemokratischen Politik. Einigung all derer, die im Gegensatz zu dieser Entwicklung auf dem Boden des inter­nationalen Sozialismus stehen, die das gleiche Ziel wollen und sich nur unterscheiden in der Bewertung und Anwendung der Mittel, die zu ihm führen sollen.

Die von den Parteimachthabern ohne Parteitagsspruch Aus­geschlossenen mußten sich zusammenfinden, dem alten Geist eine Stätte zu bereiten zu neuem, fühnem Tun. Die Zeit der protestierenden Duldung mußte nach zweijährigem Ringen als abgelaufen gelten, nachdem die Gewaltmaßregeln des Parteivorstandes mit Hilfe des Belagerungszustandes jede offene Aussprache der Minderheit verhinderten. Die positive Arbeit mußte an die Stelle des Abwartens treten, wollte sich die Opposition nicht völlig zur Ohnmacht verurteilen. Mag die Mehrheit schon seit der Fraktionsspaltung von der neuen" Partei gesprochen und geschrieben haben, um ihrer Intoleranz den Schein des Rechts zu geben. In Wahrheit existierte teine solche Partei, keine organisierte und geschlossene Oppo­sition, und was sich in Gotha vollzogen hat, war nicht die Gründung einer neuen Partei, sondern der Aufbau einer neuen oppositionellen Organisation, fußend auf den alten Grundsäßen und Beschlüssen, wie sie nationale und inter­nationale Kongresse geschaffen haben.

* Zur Zeit, da diese Nummer in Druck gehen muß, liegt kein ab­geschlossener Bericht über die Gothaer Konferenz der Parteioppo­sition vor. Wir sind deshalb noch außerstande, über die Beratungen und Beschlüsse selbst urteilen zu können, und veröffentlichen vorläufig einen zusammenfassenden Überblick, der die persönlichen Eindrücke und Wertungen einer Teilnehmerin an der Konferenz wiedergibt. Diesen Wertungen vermögen wir nicht durchweg beizupflichten. Das gilt namentlich auch für die Fragen der Massenaktion und der Revo­lution in Rußland .

Die Redaktion.

Zuschriften an die Redaktion der Gleichbett find zu richten an Frau Klara Zetkin ( Zundel), Wilhelmshöhe, Poft Degerloch bet Stuttgart . Die Expedition befindet sich in Stuttgart , Furtbach- Straße 12.

Db das neue Organisationsstatut von Dauer sein, wie lange es gelten wird, hängt ab von den kommenden Zeitumständen, hängt ab von den Erfahrungen und Erkenntnissen, die der internationalen Sozialdemokratie dieser Krieg aufzwingt. Das vorläufig Geschaffene kann erst feste Form und Gestalt an­nehmen, wenn alle diejenigen heimgekehrt sein werden, die heute noch draußen stehen. Jedoch ohne den festen Boden einer Organisation unter den Füßen kann eine Partei nicht arbeiten, erst recht nicht eine Partei, die infolge jahrelanger Erziehung zur Disziplin bis zur Übertreibung in einem Statut das Steuer erblickte, das sie durch alle Irrungen und Wir­rungen zu führen vermöchte, wenn nur der Steuermann sein Amt richtig verstehe. Daß auch der Steuermann einen falschen Kurs einschlagen und die ihm Vertrauenden zum Untergang führen kann, haben den Parteigenoffen die legten zwei Jahre genugsam bewiesen.

Darum sucht das neue Organisationsstatut die ge­famte Mitgliedschaft zur Mitarbeit zu erziehen, jedem ein­zelnen Mitglied legt es die heilige Pflicht auf, Hüter der Rechte der Organisierten zu sein. Nicht das alte Organisations­statut ist der großen Partei zum Verhängnis geworden, son­dery der öde Sinn der Nichts- als- Paragraphenhüter hatte jede Selbständigkeit, jede Demokratie ertötet, an Stelle des leben­digen Geistes den Buchstaben gesezt, ihn zum Beherrscher des Organisationslebens gemacht. Doch keinem Statut, und mag es noch so musterhaft demokratisch ausgeflügelt sein, wohnt die Macht inne, die Demokratie innerhalb der Organisation für alle Zeiten zu gewährleisten. Das ist die Aufgabe der Mitglieder! Daß es überhaupt so kommen konnte, wie es kam, fällt nicht allein auf, die Instanzen" zurück. Durch Männer wie Bebel , Singer, Liebknecht verwöhnt, die das volle Ver­trauen besaßen, überließen die Massen der Mitglieder allzu­viel der Entscheidung der Instanzen. So kam es innerhalb der Partei zu einer Beamtenpolitik und Beamtenherrschaft, gegen die anzukämpfen immer aussichtsloser wurde, der Kampf endete gewöhnlich mit der Niederlage der Rebellen".

Nach diesen Erfahrungen war es nur natürlich, daß das neue Statut die Macht der Beamten in der Partei erheblich einschränkte. Die Sekretäre der Zentralleitung erhielten be­ratende, nicht aber auch beschließende Stimme. Doch wohl­gemerkt! Ein Allheilmittel ist die Einschränkung der Beamten­rechte nicht. Die Beamten bleiben nach wie vor innerhalb der Körperschaften, der sie angehören, die am besten Unterrichteten, was ihnen von vornherein einen starken Einfluß auf alle Beschlüsse dieser Körperschaften sichert, auch ohne eigenes Stimmrecht. In erster Linie ist unerläßlich für eine demokratische Ver­waltung in einer Partei wie im Staate-, die Mitglieder demokratisch zu erziehen. Dazu ist die in dem neuen Statut vorgesehene Urabstimmung bei wichtigen politischen Entschei­dungen auch ein geeignetes Mittel, gleichzeitig läßt sie mehr, als das bisher in der Parteiorganisation der Fall war, die Anschauung der Mitglieder zum Ausdruck kommen. Auch die Verhältniswahl ist dazu erforderlich, doch wurde ihre Einfüh­rung für die Delegation zur Reichskonferenz einer späteren

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