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Nr. 16
demokraten selbstverständlich sind. Was eS zur Demokratisierung der Verfassung, des Wahlrechts, des Vereins- und KoalitionSrechtS heischt, erhält seinen besonderen Wert dadurch, daß eS just zu diesem Zeitpunkt verlangt wurde. Die Resolution sollte die bürgerlichen Parteien und die Regierung zwingen, Farbe zu bekennen, klipp und klar Stellung zu dem vieldeutigen, geheimnisvollen Begriff der „Neuorientierung" zu nehmen, statt schön schillernder Verheißungen und Reden positive, greifbare Taten zu geben. In dem Augenblick, wo die Resolution eingebracht wurde, war sie gleichzeitig ein beschämendes Zeugnis für die sozialdemokratische Fraktion. Wohl traten deren Wortführer nebenbei bald für den, bald für jenen einzelnen Punkt deS sozialdemokratischen politischen Minimumprogramms ein. Allein in, großen und ganzen stellte die Fraktion die Gesamtheit der Forderungen hinter das Bestreben zurück, die „innere Geschlossenheit" aller Parteien, den„Burgfrieden" nicht zu erschüttern. Die dreh- und dehnbaren Gemeinplätze des Reichskanzlers überschätzend, äußerte sie eine überschwengliche HofsnungSseligkeit für den Reformeifcr der Regierung und der bürgerlichen Parteien. Sie wähnte offenbar, die reaktionären Gewalten durch gutes Zureden und rührendes Vertrauen bewegen zu können, den stahlharten Panzer abzulegen und sich in freundliche FortschrittSmächte zu verwandeln. So trat sie weder mit einem geschlossenen Aktionsprogramm auf, noch bekundete sie den Willen, die innere Umgestaltung durch emsten, wuchtigen Kampf voranzutreiben.— ES entspricht der von, imperialistischen Machthunger der großen kapitalistischen Länder geschaffenen Lage, daß an erster Stelle deS oppositionellen Programms die Forderungen stehen! Hinwirkung auf einen schleunigen Frieden ohne Annexionen irgendwelcher Art; Mitentscheidungsrecht des Volks, beziehungsweise seiner Vertretung über Bündnisse des Reichs mit anderen Staaten, Kriegserklärungen, Friedensschlüsse usw., kurz über die gesamte auswärtige Politik, die Krieg und Frieden in den Falten ihrer Toga trägt. Die Revolution in Rußland wertet die oppositionelle Sozialdemokratie im Bewußtsein der gewaltigen internationalen Bedeutung des weltgeschichtlichen Ereignisses. Mit leidenschaftlicher Anteilnahme verfolgt sie ihre Entwicklung. Den russischen Parteigenossen hat die oppositionelle Fraktion durch Vermittlung des Stockholmer Bruderorgans ein Telegramm geschickt. Nach den, Stenogramm des ReichstagLberichtS über die Sitzung vom 80. März und den Mitteilungen in der TageSpresse hatte eS diesen Wortlaut: „Wir begrüßen aus vollein Herzen die entschlossene Erhebung deS russischen Proletariats. Sein Sieg über den DespottSmuS bedingt die Befreiung nicht nur Rußlands , sondern der ganzen Menschheit vom Banne deS Krieges und des eroberungslüsternen AuSbeutungS- drangeS Euch Vorkämpfern des Sozialismus und der internationalen Solidarität senden wir unfern brüderlichen Gruß." Genosse H a a s e unterstrich im Reichstag diese Sympathiekundgebung. Er sagte:„Meine Frattion ist von Bewunderung erfüllt für das russische Volk, das mit heldenmütiger Tatkraft das Joch deS Zarismus abgeschüttelt hat. Wir gedenken namentlich mit wärmster Sympathie der Arbeiter, die, durchdrungen von ihrer historischen Mission, im Vordertteffen gekäinpft und dem Befreiungswerk ihren Stempel aufgedrückt haben.... DaS gewaltige weltgeschichtliche Ereignis dieser Revolution wälzt nicht nur das polttische und soziale Leben dieses Landes um, sonden, es greift über seine Grenzen hinaus." (Schluß folgt.)
Aus der Bewegung. Ein sozialistischer Frauentag für Deutschland , das ist eine späte, aber gute Kunde für die Genossinnen, die seit Jahren den Ausfall dieser Veranstaltung schmerzlich empfunden haben. Der heurige Frauentag wird von der Unabhängigen Sozialdemo kratischen Partei gestützt, von deren Einigungskonferenz zu Gotha er einmütig beschlossen wurde. Den Anstoß dazu gab ein Antrag der weiblichen Delegierten, der von Genossin Zietz trefflich begründet wurde. Wir werden ihre Ausführungen später nachttagen Der Frauentag soll in der Woche vom S. bis 12. Mai stattfinden. Die Unabhängige Sozialdemokrattsche Partei hat sich verpflichtet, die Veranstaltung kräftig zu fördern. Das meiste für ihren Erfolg müssen die Genossinnen selbst tun. Die Veranstaltung muß wirklich der Tag der Frauen sein. Die Stellung der Frauen in der Organisation der Unab hängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands . Die Frage nach der Stellung und den Rechten der Genossinnen in der Organisation der geeinigten Oppositton hat die Gothaer Konferenz beschäftigt. Die allgemeine Grundlage dafür— wie für die Organisatton überhaupt— ist nach den zur Annahme gelangten
„Grundlinien" das Organisationsstatut der Sozialdemokratischen Partei. Die„Grundlinien" setzen jedoch hinzu:„Die Parteigenossen sind verpflichtet, eS in demokratischem Geiste anzu- lvenden und besonders danach zu trachten, allen wichtigen Entscheidungen eine demokrattsche Grundlage zu geben." Sache der Genossinnen muß eS sein, dafür zu sorgen, daß diese Erklärung betteffs ihres eigenen Rechts zu demokratischer Mitwirkung und Mitverantwortlichkeit kein toter Buchstabe bleibt. Wir setzen wohl mit Recht voraus, daß ihnen die einschlägigen Bestimmungen des Organi- sattonSstatutS bekannt sind. ES deckt sich mit diesen, wenn die„Or- ganisationsgrundlinien" der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei festlegen, daß dem mit der Zenttalleitung bettauten„Aktionskomitee", ebenso der Bezirksleitung eine Genossin angehören muß. Mit einer Bestinunung sind die„Grundlinien" erheblich über das alte Statut hinausgegangen. Sie setzt einen ReichS-FrauenauS- schutz ein.„Die weiblichen Mitglieder der Bezirksleitungen werden als Frauen-ReichSauSschuß nach Bedarf zusammenberufen, um die Maßnahmen zur Förderung der Frauenbewegung zu beraten und anzuregen. Die Einberufung muß erfolgen, wenn ein Drittel der Mitglieder sie beanttagt." Die Neuerung entspricht den:„Kompromiß- anttag", der von elf weiblichen Delegierten eingebracht wurde, da geringe Aussicht bestand, daß der weitergehende Antrag des zweiten Berliner Wahlkreises die Zustimmung der Konferenz finden würde. Dieser Anttag besagte:„Der Frauen-ReichSauSschuß hat die Agitation unter dem weiblichen Proletariat zu betreiben. Die Genossinnen jedes Agitationsbezirks wählen je eine Genossin in den Frauen-ReichSauSschuß, der nach Bedarf zusammentritt. Der Frauen- ReichSauSschuß wählt aus seiner Mitte eine Genossin, die die laufenden Arbeiten zu erledigen und in Verbindung mit den anderen Mitgliedern des Frauen-ReichsauSschusseS die Zusammenkünfte vorzubereiten hat. Die Bertteterin der Genossinnen im AkttonSkomitee hat im Frauen-ReichSauSschuß beratende Stimme." Der Berliner Vorschlag sah also für den Ausschuß sowohl eine breitere demokratische Grundlage vor wie auch ein selbständigeres Wirken. Zu seiner Begründung, wie zu den zwei anderen Anträgen, daß den Bezirksleitungen und dem Aktionskomitee mindestens eine Genossin angehören müsse, führte Genossin Wurm auS:„Die Parteigenossinnen müssen überall mehr für die Sache d-S Sozialismus, für das Leben und die Aufgaben der Partei interessiert lverden. Deshalb ist die Einsetzung eines Frauen-ReichSauöschusseS notwendig. Schon die Wahl ihrer Vertreterinnen zum Ausschuß erweckt ihr Interesse. Sie müssen sich mit den Einrichtungen und ihren Aufgaben beschäfttgen, müssen sich darüber aussprechen, müssen entscheiden. Genossin Zetkin hält nach ihren Erfahrungen als inter - nationale Sekretärin der sozialistischen Frauen die Schaffung eines Frauen-ReichSausschusseS nicht bloß für sehr nützlich, sondern für dringend nötig. Notwendig ist auch die Sicherung eines wirklich demokatischen Minderheitsrechts, kraft dessen Genossinnen in alle Stellen der Parteiverwaltung kommen. Bedenken Sie, daß wir jetzt mehr weibliche als männliche Arbeiter haben, und welche Aufgaben uns in der Folge erwachsen. DaS, nüssen wir berücksichtigen. Ahnlich wie bei Beginn der Fabrikindustrie ist durch den Krieg die Stellung der Frauen vollständig gewandelt worden. Die Partei hat alles Interesse daran, innerhalb des gemeinsamen Rahmens der Or- ganisation den Frauen den größten Spielraum für ihre Betättgung zur Erweckung und Schulung deS weiblichen Proletariats zu gewähren. Die Gewerkschaften haben sich zum großen Teil damit be-- gnügt, die Unterentlohnung der Frauen bei gleicher Arbeit mit den- Männern festzustellen. Wir müssen das Unsrige hinzutun, damit die Frauen selbst sich gegen ihre Unterentlohnung zur Wehr setzen. Wir müssen die Proletarier aufklären, damit nach dem Krieg nicht ein Konkurrenzkampf entbrennt zlvischen Arbeiter und Arbeiterin zum Vorteil deS Unternehmers, damit umgekehrt der gemeinsame Kampf von Mann und Weib sich richtet gegen die Ausbeutung, die die Proletarier ohne Unterschied des Geschlechts trifft. Die Genossinnen in der Partei bedürfen der Anregung von allen Seiten des Reiches. ES genügt nicht, daß sie in den Bezirksleitungen sitzen. Wenn sie dort einen Antrag stellen, und er wird abgelehnt, so ist es erledigt. Wenn Sie den, Berliner Antrag Ihre Stimme nicht geben, so nehmen Sie wenigstens den eingebrachten Antrag der Genossinnen an. Er bedeutet ungefähr dasselbe. Wir haben alle Ursache, dafür zu sorgen, daß nach dem Krieg Mann und Frau gemeinsam den Kampf gegen den Kapitalismus sichren. Das wird mit um so besserem Erfolg möglich sein, wenn Sie die Rechte der Frauen erweitern. Genosse Lipinski glaubte, daß wir das Beste täten, wenn wir die äußerliche Gleichstellung von Frauen und Männern in der Partei festlegten. Er irrt sich. Die äußerliche Gleichmacherei bedeutet für die Frau nicht wirkliche Gleichberechtigung"