124

Die Gleichheit

dem Kriege fordern die Bergarbeiter die weitere Einschränkung, am liebsten völlige Beseitigung der Frauenarbeit auch über Tage, da auch diese Arbeitsarten oft zu schweren gesundheitlichen und sitt lichen Bedenken Anlaß geben.

Gewerkschaftliche Monatsschau

In der Textilindustrie gehen die Wogen der Erregung unter den Arbeitern und Arbeiterinnen gegenwärtig besonders hoch. Teilstreiks haben schon hier und da stattgefunden, und es ist zu befürchten, daß es noch zu großen allgemeinen Streits kommt. Der Grund hierfür ist in den überaus schlechten Lohnverhält nissen zu suchen. Während die in der Rüstungsindustrie Beschäf­tigten verhältnismäßig gute Löhne erzielen und in vielen anderen Gewerben wenigstens Teuerungszulagen gezahlt werden, müssen sich die Textilarbeiter und arbeiterinnen immer noch mit den früheren dürftigen Löhnen bescheiden, die nicht allein in schreien­dem Widerspruch zu der Lebensmittelteuerung stehen, sondern an gesichts der ungeheuer gestiegenen Gewinne der Unternehmer ge­radezu aufreizend wirken. Besonders in der Niederlausit, in Sachsen  , in Bayern   und in Schlesien   hat die Unzufriedenheit ihren Höhepunkt erreicht. Nach einer Lohnstatistik des Verbandes wurden in Guben   Stundenlöhne für Arbeiterinnen von 21 bis 38 f. festgestellt, in Augsburg   betrugen sie 23 Pf., in Füssen   29 Pf., in Freiburg   i. Br. 20 bis 27 Pf. Und ebenso in vielen anderen Orten. Dazu kommt eine schlechte Behandlung der Arbeiter und Arbeite­rinnen und eine Mißachtung der Organisation. Der Aktionsaus­schuß des Textilarbeiterverbandes hat deshalb beschlossen, daß in Anbetracht der unwürdigen Entlohnung der Vorstand beauftragt wird, unverzüglich mit allen geeigneten Mitteln auf eine Ver­besserung der Löhne hinzuwirken. Welche Auslegung dieser Be­schluß erfahren soll, geht daraus hervor, daß dem Vorstand die Gewährung von Streitunterstützung empfohlen wird. Die Span­nung in der Arbeiterschaft kann sich also sehr bald entladen.

Die Bewegung im Baugewerbe, die die Erreichung einer erhöhten Teuerungszulage zum Ziel hatte, ist zum Abschluß ge= langt. Durch Vermittlung des Reichsamts des Innern wurden die anfangs widerstrebenden Unternehmer nun doch dahin ge­bracht, die Forderungen der Arbeiter anzuerkennen, nachdem ihnen die Regierung zugesichert hatte, daß bei Militärbauten eine Rückerstattung der erhöhten Löhne erfolgen soll.

Daß von verschiedenen Behörden und zumal von Unternehmern immer noch in altgewohnter Weise gegen die Gewerk. schaften   vorgegangen wird, bewies ein Angestellter des Bau­arbeiterverbandes in einer Zuschrift an sein Verbandsorgan, in der er seine Agitationserfahrungen bekanntgibt. Gewerkschafts­versammlungen werden durch Lokalabtreibung vereitelt, ein Vers fammungsleiter wird wegen einer nicht angemeldeten Versamm­lung vor das Kriegsgericht gestellt, obgleich es sich nur um eine zwanglofe Besprechung über Tarifangelegenheiten in einer Gaststube handelte; die Gewerkschaftsangestellten werden als Un­ruhestifter von der Betriebsstätte fortgewiesen und dergleichen Sachen mehr. Kommt es dann aber wegen solcher Behandlung zu Erregung unter den Arbeitern und zu Streiks, so wird den Ge­werkschaften die Schuld zugeschoben und obendrein von ihnen ver­langt, daß fie beruhigend auf die Arbeiter wirken sollen.

Der Siebenuhrladenschluß bleibt nun einstweilen weiter erhalten. Der Bundesrat wollte bekanntlich wieder den Achtuhrladenschluß für offene Verkaufstellen einführen. Dagegen wandten sich mit guten Gründen die Gewerkschaftsverbände, be­sonders die Handlungsgehilfen und Transportar­beiter, was zur Folge hatte, daß der Bundesrat von seiner Absicht zurückkam. Von den beteiligten Personen und Organisa. tionen wird aber weiter auch der Siebenuhrladenschluß für die Lebensmittelgeschäfte und seine Beibehaltung auch in der Frie denszeit verlangt, eine Forderung, die besonders für die große Zahl der weiblichen Angestellten von Bedeutung ist.

Ebenso zu wehren haben sich die Bäder gegen die Wieder­einführung der Nachtarbeit. Neuerdings hat eine Gruppe großer Brotfabrikanten eine Eingabe an den Bundesrat gerichtet, die die Wiedereinführung der Nachtarbeit fordert. Innungen und Ar­beiterverbände haben sich gegen diese Verschlechterung der Ar­beitsverhältnisse im Bädergewerbe gewenbet, da der jetzige Bu stand, das Nachtbackverbot, dem Gewerbe und den in ihm Beschäf­tigten nur zum Segen gereicht.

Die Bewegungen zur Erreichung von Teuerungs­aulagen nehmen die Tätigkeit aller Gewerkschaften start in Anspruch. Die verteuerte Lebenshaltung drängt die Arbeiter und Arbeiterinnen zu der Forderung nach Lohnerhöhungen, die dann

Nr. 18

nach vielen Mühen den Unternehmern schließlich auch abgerungen werden, in keinem Falle aber im Verhältnis zu den Lebensmittel­preisen stehen. Nur mühsam hält sich darob der Unmut zurüd, und wenn es bisher zu größeren Streiks nicht gekommen ist, so wird das durch die Zeitumstände bedingt; nach dem Kriege dürfen wir uns jedenfalls auf große wirtschaftliche Kämpfe einrichten.

Mehr Arbeiterinnen als Arbeiter werden gegen­wärtig in der deutschen Industrie beschäftigt. Nach einer amt­lichen Statistik wurden schon im Februar rund 10 800 mehr Ar­beiterinnen als Arbeiter, und zwar insgesamt 3 973 457 beschäf­tigt. Troßdem zeigt der Arbeitsmarkt noch ein überangebot an Arbeiterinnen, denn auf 100 offene Stellen tamen 112 arbeit­suchende Arbeiterinnen gegen nur 62 Arbeiter. In der Textil­industrie trat eine Verminderung ein, in der Metallindu­strie dagegen eine bedeutende Zunahme. Zu welchen Verrich­tungen heute Arbeiterinnen herangezogen werden, darüber gibt eine Erhebung des Metallarbeiterverbandes guten Aufschluß. Nicht weniger als 250 verschiedene Tätigkeitsgebiete werden auf­geführt, darunter viele, die im Interesse des Mutterschußes nicht zugelassen werden dürften: an Schmelzöfen, Glühöfen, als Heizer von Kesselöfen, beim Schmieden( Zuschlagen!), beim Nieten ( Vorhalten!), als Schleifer, Gußpuzer, Rohr- und Drahtzieher find Frauen zurzeit tätig. Dazu kommt, daß die Frauen bei diesen schweren Arbeiten 11% bis 12 Stunden schichtmäßig tätig sind und Überstunden und Sonntagsarbeit leisten müssen. Der Metallarbeiter­verband verlangt daher, daß wenn die Unternehmer sich weigern, diese Mißstände zu beseitigen, die Regierung Abhilfe zu schaffen habe. Da die Schutzvorschriften mißachtet werden, so steigt die Krankheitsziffer von Tag zu Tag. In Fabriken, die mit giftigen Gafen und Stoffen zu tun haben, müssen Frauen oft hinausgetragen werden, in Betrieben, die viel gefährlichen Staub verursachen, fehlt es an den nötigsten Ventilationen und Schutz­maßnahmen. Das sind Zustände, die nicht durch die Kriegszeit entschuldigt werden können, sondern die dem rücksichtslosen, profitsüchtigen Unternehmertum aufs Konto geschrieben werden müssen. Der Reichstag   muß noch entschiedener als bisher zum Schuße der Arbeiterinnen und im Interesse des Mutterschutzes für eine Beseitigung solcher Zustände baldigst Sorge tragen. O

Bücherschau

Die soziale Bilanz des Krieges. Von Parvus  . Berlin   1917, Verlag für Sozialwissenschaft. 30 Seiten. 25 Pf.

Der bekannte sozialdemokratische Schriftsteller bietet in diesem Schriftchen eine nüchtern zahlenmäßige volkswirtschaftliche Begrün­bung des verzweifelten und leidenschaftlichen Aufschreis vieler Frauen während dieser furchtbaren Zeit: Wozu dieser entsetzliche Krieg! Wozu diese Vernichtung und Zerstörung! Warum nicht diese Mil­liarden in Werken der Kultur und der Menschlichkeit angelegt!" Barbus rechnet den vier hauptbeteiligten Nationen vor, wie sinnlos selbst vom tühlen geschäftlichen Standpunkt der materiellen Inter­effen aus der Krieg für sie ist. Welches die Ursachen des Strieges auch immer gewesen sein mögen, die bisherige Bilanz seiner Wir­fungen muß doch jedes Land ohne weiteres zu der Erkenntnis führen, daß nunmehr ein möglichst baldiger Frieden die einzige Rettung vor noch größeren Gefahren sein kann, als sie der Krieg schon mit sich gebracht hat. In allen Ländern ist es die besondere Aufgabe der Sozialdemokratie, diese Erkenntnis zu beschleunigen. Nach dem Kriege aber wird dem Sozialismus die Hauptarbeit am Wieder­aufbau des gesellschaftlichen Lebens zufallen. Wir empfehlen die Schrift unseren Leserinnen auf das wärmste. Jugendhandbuch der Menschenkunde. Von Dr. Friz Giese.

e, a.

Langensalza 1916, Verlag von Wendt& Klauwell. 95 Seiten. Der anspruchsvolle Titel entspricht nicht dem Inhalt. Das Buch will lediglich Jungen und Mädchen im Pubertätsalter Belehrung über geschlechtliche Dinge vermitteln. Aber das geschieht in einer herausfordernd offenherzigen Art unter Schilderung von bedenk­lichen Nebendingen und von Vorgängen, die eine solche grelle Be­leuchtung nicht vertragen. Dazu ist die Ausdrudsweise mit Fremd­wörtern und ärztlichen Fachausdrücken durchsetzt, so daß das Kind der Volksschule damit nichts anfangen kann. Geschlechtliche Auf­flärung der heranwachsenden Jugend ist notwendig, aber es kommt dabei erheblich auf die Form an. In dem vorliegenden Buch ist eine Form gewählt worden, die den Zweck eher zu vereiteln als zu hs. erreichen geeignet ist. Ich kann es daher nicht empfehlen.

Berantwortlich für die Bebattton: Frau Marie Juch aez, Berlin   SW 68. Druck und Verlag von J. H. W. Diez Nachf. G.m.b.8. in Stuttgart  .