Nr. 19 Die Gleichheit 127 Man muh als Hausfrau und Mutter selbst genötigt sein, unter widrigen Umständen ums tägliche Brot zu arbeiten, um zutreffend beurteilen zu können, was not tut. Wenn die Arbeiterin einen wei­ten Weg bis zu ihrer Arbeitsstelle hat. so ist sie wohl an 11 bis 12 Stunden, manchmal auch länger, von Hause fort. Als Hausfrau und Mutter ist sie dann aber mit erschöpftem Körper immer noch genötigt, bis in die Nacht, oftmals bei schlechter Beleuchtung, zu waschen, zu flicken, zu kochen und zu putzen. Dabei kann sie nur das Allernotwendigste schaffen, wobei man den Begriff des Aller- notwendigsten noch ganz bescheiden auffassen muh. Von einer für­sorglichen Zubereitung der Speisen und einem behaglichen Ver­zehren an einem freundlich und sauber gedeckten Tisch, von wirk­licher Körper- und Wohnungshygiene, von der Pflege des Schön­heitsgefühls in bezug auf Wohnung und Kleidung für sich und die Familie kann nur in seltenen Ausnahmefällen die Rede sein. Was müssen angesichts dieser Schwierigkeiten die arbeitenden Mütter verlangen? Zwar gibt es Kinderhorte. Aber sehr oft passen sie sich den vorhandenen Bedürfnissen nicht an. Sie liegen räumlich zu weit auseinander, sind oftmals überfüllt, werden abends zu früh geschlossen, sie entlassen die Kinder hungrig, so daß die abgehetzte Mutter bei ihrer Heimkehr doch nur wieder Mühe und Plage vorfindet. Alle Kinder, auch die grösseren, mühten in den Horten mindestens einmal wöchentlich gebadet, allabendlich aber gründlich gewaschen und gesättigt werden. Die Horte mühten ferner so zahlreich sein, dah weite Wege nicht nötig sind. Die Hort­leiterin und ihr Hilfspersonal dürften nicht überlastet sein und keinen überfüllten Hort zu betreuen haben. Bei der Schulspeisung werden in den meisten Orten die Kinder nach der Bedürftigkeit ausgewählt. Es mühten aber min­destens alle Kinder, deren Mütter erwerbstätig sind, Gelegenheit haben, mittags am gemeinsam gedeckten Tisch zu sitzen, während sie des Abends im Hort verpflegt werden könnten. Die Volks- oder Stadtküchen können nicht für alle Kinder in Anspruch genommen werden; für die kleineren und für schwächliche gröhere Kinder sind einzelne Gerichte nicht geeignet. Hierfür wären besondere Kinder- und Krankenküchen wohl am Platze. Die erwachsenen berufstätigen Frauen und Männer müssen gleichfalls bequem Gelegenheit zur Einnahme einer preiswerten warmen Mittags- und Abendniahlzeit haben, wobei man sich durch­aus nicht auf Eintopfgerichte zu beschränken brauchte. Gute Zentral­waschküchen, verbunden mit Werkstätten, in denen Kleider und Wäsche billig und zweckmüßig ausgebessert Iverden, wären angebracht. Wenn in den kleinen Wohnungen nicht mehr so viel gekocht, ge­waschen und geflickt zu werden braucht, dann ist auch für die Wohnungshhgiene schon manches gewonnen, eine gründ- liche Wohnungsreform, für die jetzt schon manche wertvolle Vor- arbeit zu leisten ist, mühte unmittelbar nach dem Kriege einsetzen. Manche dieser Forderungen wird wohl noch dem einen oder an­deren als Zukunftsmusik klingen und ist doch zwingende Gegen­wartsforderung! Es ist das Mindeste, was arbeitende Frauen und Mütter für sich und ihre heranwachsenden Kinder verlangen müssen.> Marie Juchacz  . Vom Fortgang des Frauenrechts Zur Pflicht daS Recht. Unser österreichisches Schwesterblatt, dieArbeiterinnen-Zeitung", saht in einem Rückblick auf den österreichischen Frauentag die Forderungen der Frauen an die Ge­setzgebung noch einmal knapp und eindrucksvoll zusammen: Die Mütter verlangen das Mitentscheidungsrecht, wenn in Zukunft über das Schicksal ihrer Söhne entschieden wird. Die Arbeiterinnen wollen mitbestimmen, wie mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben verfahren wird. Als Staatsbürgerinnen wollen die Frauen mitentschei­den, ob Menschenleben vernichtet, Kulturgüter zerstört werden sollen oder ob die einzige Aufgabe der Staaten sein soll, der Volkswohl­fahrt zu dienen, den Staat so einzurichten, daß jeder ohne Rücksicht, welche Mutter ihn geboren hat, menschenwürdig darin leben kann. Als Mütter und Staatsbürgerinnen wollen die Frauen das Wahlrecht in der Gemeinde und im Staat, damit sie mitwirken können, alle Privilegien des Besitzes zu beseitigen, für das Wohl aller zu sorgen. Kranken, Armen, Arbeitslosen, hilfsbe- dürftigen Müttern und Kindern zu helfen. Auf Schule, Kinderer- zichung, Krankenpflege, Wöchnerinnen- und Säuglingsfürsorge, auf das Wohnungswesen wollen die Frauen Einfluh haben. Die Frauen wollen dieGesetzedes Staates mitbeein- flussen. Sie wollen mitentscheiden, wo Lasten, Pflichten und Rechte verteilt werden. Sie wollen mitentscheiden über indirekte Steuern und Lebensmittelzölle. Die Frauen wollen nicht mehr er­tragen, was sie bisher ertragen haben. Ein Leben voll Opfer, har­ter Arbeit, Sorge und Not, im Kriege noch um das Tausendfache gesteigert. Seelenqual und HerzenSnot wurden den Frauen aufgezwungen um des Staates willen, in dem ihre Stimme keine Geltung hat." Feuilleton hllnrlch Seidel. Nur die ktrbeit kann erretten, Nur die Arbeit sprengt die Netten, Arbeit macht die Völker frei. Kein Füllhorn, das von allen Schätzen regnet, Ist reicher als die Mutterhand, die segnet. A. srlin. König Assarhaddon  . Eine Erzählung von Leo Tolstoi  . Assarhaddon, König von Assyrien  , hatte Lailie besiegt und sein Reich erobert, alle Städte zerstört und verbrannt, alle Einwohner in sein eigenes Land überführt, die Krieger bis auf den letzten Mann getötet, den Lailie aber in einen Käfig gesperrt. Zur Nachtzeit auf seinem Lager hingestreckt, sann König Assarhaddon   gerade darüber nach, welche Todesart er über Lailie verhängen sollte, als er plötzlich in nächster Nähe ein Geräusch vernahm. Er öffnete die Augen und erblickte einen Greis mit langem, grauem Bart und sanften Augen. Du willst Lailie hinrichten lassen?" fragte der Greis. Ja," antwortete der König,ich bin mir nur noch nicht darüber klar, welche Todesart ich wählen soll." «Aber dieser Lailie bist du doch selbst!" sprach der Greis. Das ist nicht wahr," sprach der König.Ich bin ich, und Lailie ist Lailie." Du und Lailie ihr seid beide eins," sprach der Greis. Es scheint dir nur so, daß du nicht Lailie bist und daß Lailie nicht du ist." Wie kannst du sagen, daß es mir nur so scheint?" sprach der König.Ich liege hier auf diesem weichen Lager, um­geben von gehorsamen Sklaven und Sklavinnen, und mor­gen werde ich, ganz wie heute, mit meinen Freunden schmau­sen Lailie aber sitzt wie ein Vogel im Käfig, und morgen wird er mit heraushängender Zunge am Pfahl stecken und sich krümmen, bis er verreckt, seinen Leichnam aber werden die Hunde in Stücke reißen." Du vermagst sein Leben nicht zu vernichten," sprach der Greis. Und die vierzehntausend Krieger, die ich erschlagen, und aus deren Leichen ich einen Hügel aufgerichtet habe?" sprach der König.Ich lebe, sie aber sind nicht mehr, also vermag ich doch Leben zu vernichten!" Woraus schließest du, daß sie nicht mehr sind?" Daraus, daß ich sie nicht sehe. Vor allem jedoch haben sie Oualen empfunden und ich nicht, ihnen war übel, mir aber Wohl zumute." Auch Kieses scheint dir nur so. Du hast nur dich selbst ge­quält und nicht sie." Ich verstehe deine Worte nicht." sprach der König. Willst du sie verstehen?" Ich will es." Dann tritt da heran," sprach der Greis und wies den König nach einem mit Wasser gefüllten Becken. Der König erhob sich vom Lager und trat an das Becken heran. Lege deine Kleider ab und tritt in das Becken hinein!" Assarhaddon tat, was ihm der Greis befahl. Sobald ich jetzt anfange, dich mit diesem Wasser zu be­gießen," sprach der Greis, während er mit einer Kanne Wasser schöpfte,mußt du mit dem Kopfe untertauchen."