Nr. 19

Die Gleichheit

schaftliche Forderungen zum Friedensvertrag." Der Entwurf, den die Generalfommission der Gewerkschaften Deutschlands für die Konferenz ausgearbeitet hat, enthält in neun Teilen die wichtigsten Forderungen wie Freizügigkeit unter Be­seitigung allgemeiner Auswanderungs- und Einwanderungsver­bote; Ausbau des Koalitionsrechts unter Einbeziehung auslän­discher Arbeiter; Einführung der sozialen Versicherung in allen Ländern, die noch feine Versicherung gegen Krankheit, Berufs­unfälle, Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit haben, Gleichstel lung ausländischer mit einheimischen Arbeitern in der Sozialver­sicherung; Festsetzung der täglichen Arbeitszeit auf höchstens zehn Stunden und baldige Herabsehung auf acht Stunden; einheitliche Vorschriften für den gesundheitlichen Schutz der Arbeiter; Auwen­dung aller Gesetze und Verordnungen des Arbeiterschutzes sowie Ausdehnung der Sozialversicherung auf die Heimindustrie; Ver­bot jeder Erwerbstätigkeit für Kinder unter fünfzehn Jahren, für Jugendliche zwischen fünfzehn und achtzehn Jahren fürzere Ar­beitszeiten als für Erwachsene und vermehrten Schuh, Ausbau des Fach- und Fortbildungsschulwesens; internationale Richtlinien für die Durchführung des Arbeiterschutes unter Heranziehung der Berufsverbände und unter Kontrolle der Internationalen Vereini­gung für gefeßlichen Arbeiterschutz.

Die Forderungen, die sich auf die Arbeiterinnen beziehen, geben wir ausführlich wieder: Die Arbeitszeit für alle Arbeite­rinnen und weiblichen Angestellten soll international begrenzt werden und Samstags mittags 12 Uhr endigen. Nachtarbeit und Mitgabe von Arbeit nach Hause nach beendeter Arbeitszeit ist zu verbieten. Die Beschäftigung von Frauen in besonders gesundheits­schädlichen Betrieben und in Bergwerken unter und über Tag soll allgemein untersagt werden. Vor und nach der Niederkunft sollen Frauen während mindestens zehn Wochen, davon mindestens sechs Wochen nach der Entbindung, nicht gewerblich beschäftigt werden dürfen. Die Einführung einer ausreichenden Mutterschaftsunter­stützung aus der staatlichen Versicherung ist allen Staaten zur Pflicht zu machen.

Es ist mit lebhafter Freude zu begrüßen, daß die Gewerkschaften sich rechtzeitig rühren, um beim Friedensschluß ihre berechtigten Forderungen tatkräftig zur Geitung zu bringen. In allen Ländern

Meeresstille und glückliche Fahrt.

Tiefe Stille herrscht im Wasser Ohne Regung ruht das Meer, Und bekümmert sieht der Schiffer Glatte Fläche ringsumher. Reine Luft von keiner Seite! Todesstille fürchterlich! In der ungeheuern Weite Reget keine Welle sich.

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Die Nebel zerreißen, Der Himmel ist helle, Und Äolus löset Das ängstliche Band. Es fäuseln die Winde, Es rührt sich der Schiffer. Geschwinde! Geschwinde! Es teilt sich die Welle, Es naht sich die Ferne; Schon seh ich das Land!

Bücherschau

Goethe.

Über das deutsche Bevölkerungsproblem. Rede zum Antritt des Reftorats der Universität in Berlin , gehalten von Ernst Bumm . Mit Anmerkungen und einer Tafel. Berlin 1917. Verlag von August Hirschwald. 48 Seiten.

Der bedeutende Universitätslehrer und Leiter der Universitäts­frauenklinik behandelt das wichtige Problem vom Standpunkt des Arztes, der die ganze Entwicklung der Dinge bei uns miterlebt hat und für sich in Anspruch nehmen darf, daß er nicht vom grünen Tisch aus urteilt". Böllige Beherrschung des Stoffes spricht aus jeder Zeile, mit Klarheit und kühler Prüfung des Tatsächlichen un­

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haben die Gewerkschaften während des Krieges eine wichtige Rolle gespielt; um so mehr muß ihren Ansprüchen für die künftige Zeit des Friedens voll entsprochen werden. Besonders erfreulich ist der Umstand, daß sich die Gewerkschaften noch während des Krieges au internationaler Zusammenarbeit zusammenfinden und damit einen Hauptträger für die zukünftige Arbeiterinternationale wie­der aufrichten und befestigen.

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Die Nachtarbeit der Arbeiterinnen erfährt nach einem Erlaß des Reichsamts des Innern eine weitere Ausdehnung. Die Ursache ist die Notwendigkeit, große Mengen von Munition und sonstigem Heeresbedarf herzustellen. Die Genehmigung, Arbeiterinnen wäh­rend der Nacht zu beschäftigen, soll in der Regel allerdings nur unter der Bedingung erteilt werden, daß sie in achtstündigen Schichten arbeiten. Das ist verschiedentlich bereits mit Erfolg ge­schehen. Die Schwierigkeiten, die daraus entstehen, daß in dem­selben Betrieb die Männer in zwölfftündigen Schichten arbeiten, sollen überwunden werden.

Frauen im Schiffahrtsbetrieb. Der Regierungspräsident zu Lüneburg hat unter vorläufiger Aufhebung entgegenstehender Be­stimmungen für einen Teil der Elbe bestimmt, daß für die Fahr­zeuge von mehr als 250 Tonnen Tragfähigkeit an Stelle der Lehr­linge auch gesunde und kräftige weibliche Personen im Alter von mindestens 18 Jahren treten dürfen, die zur Familie eines Ange­hörigen der Schiffsbesaßung gehören. Der Courier", das Organ des Transportarbeiterverbandes, rügt mit Recht, daß man die Vertreter der Schiffsmannschaften vor dem Erlaß nicht zu Rate gezogen hat.

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Die Gewerkschaftliche Frauenzeitung" teilt mit, daß ihre Auflage seit einigen Wochen auf über 100 000 Stück gestiegen sei. Die Redaktion nennt diese rasche Vermehrung der Bahl der Lese­rinnen des Blattes unerwartet", und tatsächlich haben bei Grün­dung der Frauenzeitung wohl nur wenige auf eine so erfreuliche Entwicklung gehofft. Leider ist während der gleichen Zeit die Auf­lage der Gleichheit" aus einer Reihe von Gründen erheblich zu­rückgegangen. Wir sprechen aber die Hoffnung aus, daß nunmehr, nachdem die Hauptgründe beseitigt worden sind, auch die Leser­schar der Gleichheit" sich wieder in aufsteigender Linie bewegen wird. Die Organisation der Frauen durch das Kriegsamt. Im ersten Bericht des Reichstagsausschusses für den vaterländischen Hilfsdienst, der vor kurzem dem Reichstag zugegangen ist, beschäf­

tersucht Bumm die Gründe, die zu unserem Bevölkerungsrüdgang geführt haben. Sie liegen allein auf dem Gebiet der Geburtenver­minderung, dem bisher erfreulicherweise noch eine ungefähr gleich­starke Verminderung der Todesfälle die Stange zu halten ver­mochte. Doch haben wir keine Gewähr dafür, daß dieses Gegen­gewicht von Dauer ist. Während des Krieges hat es seine Bedeu­tung schon erheblich eingebüßt.

Die Ursachen der Geburtenverminderung liegen nach Bumm nicht auf biologischem Gebiet, in körperlicher Beziehung wäre die heutige Generation genau so zeugungsfähig wie die Generationen vor Jahrhunderten. Dagegen ist in die Volksseele der Wille zur Einschränkung der Kinderzahl eingezogen", und auf diese Willens umstimmung, die als Ergebnis der Kultureinflüsse immer weitere Kreise zieht, führt Bumm den Rückgang der Kinderzahl zurück. Gegen sie findet er scharfe Worte, soweit es sich um die Wohl­habenden handelt, für die schwierige Lage der arbeitenden Frauen hat er jedoch volles Verständnis. Hier sind die Frauen zu finden, deren Leben in Wahrheit mühselig und beladen ist, die sich ohne eine freie Stunde jahraus jahrein in der ewigen Sorge um die Ernährung des Mannes und der Kinder verzehren, teine fremde Hilfe kennen, von früh bis spät alle Arbeit selber verrichten müssen und trotz aller Plage die Kinder frühzeitig wieder hinsterben sehen." Da helfen nicht kleinliche gesetzliche Maßnahmen, Prämien für Kinder und Junggesellensteuern, sondern nur eine tiefgrei fende soziale Gesezgebung, von der nur etwas zu erwarten ist, wenn sie sich mit werktätiger Hilfe verbindet, welche den Bedürf­tigen in ihren Behausungen nachgeht und sie aus den unglücklichen Verhältnissen herausreißt".

Wer sich mit der Bevölkerungsfrage ernsthaft befassen will, darf an Bumms Schrift nicht vorübergehen. kps.

Eingegangene Schriften.

Von den Aufgaben der Juden im Weltkrieg. Von Eduard Bernstein , M. d. R. Berlin 1917. Verlag von Erich Reiß . Kinderreiche Mütter. Von Gottfried Stoffers. Düsseldorf 1917. Verlag von A. Bagel.