Nr. 21
Neue Pflichten- neue Rechte!
Die Gleichheit
Die Magistrate der Städte Berlin , Schöneberg , Neukölln und Charlottenburg haben die Hinzuziehung von Frauen in städtische Deputationen beschlossen. Andere Städte werden hoffentlich bald folgen. Das wäre wenigstens eine vorläufige Antwort und ein kleiner Dank der städtischen Körperschaften an die Frauen, deren wertvolle praktische Mitarbeit sie in schwerer Kriegszeit schäßen gelernt haben.
Man gibt damit der Frau das Recht, in Zukunft neue und höhere Pflichten zu erfüllen. Wir Frauen wollen aber mehr! Wir wollen, daß man uns sehr bald auch das Recht der Mitbestimmung gibt, wie es nur durch die Schaffung eines demokratischen Gemeindewahlrechts und seine Ausdehnung auf die Frauen möglich ist.
Wir haben uns dieses Recht schon längst verdient. Die Kriegszeit ist wie keine andere geeignet, die Unentbehrlichkeit und Wichtigkeit der Frauenhilfe auf kommunalem Gebiet zu zeigen. Aus allen Bezirken des Reiches erhalten wir die Kunde, daß die Frauen und darunter sehr viele unserer Genossinnen in der gesamten kommunalen Kriegsfürsorge tätig sind. Im Unterstüßungswesen, in den Preisprüfungsstellen, bei der Lebensmittelversorgung, in den Kriegsküchen, bei der Kinderspeisung, in Horten und Krippen machen sie sich mit ihrer aus der Praris des Lebens geschöpften Erfahrung und mit ihrer Tatkraft in der uneigennützigsten Weise nützlich. Noch viel mehr Frauen wären zur Mithilfe gekommen und aufgenommen worden, wenn nicht sehr oft der beste Wille unserer Frauen an den harten Lebensnotwendigkeiten scheiterte. Viele unserer besten Genossinnen kämpfen mit der Not, sie arbeiten um Lohn. Lange Arbeitszeit, dabei der Haushalt, die Sorge um die Familie nehmen Zeit und Kraft in Anspruch. Damit erbringen sie zwar den Beweis treuester Pflichterfüllung, der auch dem größten Feind der Frauenemanzipation Achtung abnötigen müßte. Aber gerade aus diesem Grunde können leider die sozialdemokratischen Frauen sich zurzeit nicht den Einfluß sichern, den sie auf kommunalpolitischem Gebiet brauchten. Einen Gedanken möchte ich aber zuversichtlich aussprechen:
A
Feuilleton
In der Welt fährst du am besten, Sprichst du stolz mit stolzen Gästen, Mit bescheidenen bescheiden,
Aber wahr und klar mit beiden.
A. Grün.
' n einem schönen Abend war es, als mein Regiment, eben in einer der größeren Städte Jtaliens angelangt, durch die Gassen zerstreut, darauf wartete, in die ihm bestimmte Kaserne nach dem Ertönen des Zapfenstreichs einzuziehen. Die Soldaten waren noch in voller Marschausrüstung: die Ga maschen über die Hosen geknöpft, die Patronentasche am Gürtel, Brotsack und Trinkflasche umgehängt. Müde vom Marsch, Röcke und Müßen bestaubt, standen sie gruppenweise an den Ecken, die Schultern gegen die Mauer gelehnt, die Arme gekreuzt, ein Bein aufs andere gestüßt, oder sie starrten mit staunenden Augen vor den Schaufenstern der Goldschmiede auf die Medaillen und Kreuze jeder Formt, denen selbst ergraute Beamte und langgediente Majore vorübergehend noch einen sehnsüchti gen Blick zuwerfen. Einige hatten sich auch in die Schenken gesetzt, sich mit einem Trunk Wein zu stärken, während die am wenigsten ermatteten Leute durch die Gassen zogen. Alle jedoch, oder die bei weitem größere Zahl, schwiegen und sprachen nur leife, teils der Ermüdung und Erschöpfung wegen, teils auch in jener Betäubung, die man gewöhnlich empfindet, wenn man zum erstenmal in einer fremden, geräuschvollen Stadt ist. Inmitten dieser stummen Gesellschaft unter einer kleinen Truppe Soldaten, die auf den Stufen einer Kirche saßen, fiel
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Unsere kommunalpolitisch und sozial tätigen Genofsinnen werden nach bester Möglichkeit den beschrittenen Weg praktischer Mitarbeit weitergehen. Und sie werden zugleich der sozialdemokratischen Partei die Treue bewahren aus überzeugung und weil sie wissen, daß nur mit Hilfe einer starken und einigen Organisation in nimmermüder zäher Arbeit eine Erweiterung der allgemeinen Menschenrechte und damit auch der Frauenrechte errungen werden kann. Marie Juchacz .
Ein letztes Wort Gustav Schmollers.
Vor kurzem ist der bekannte Nationalökonom Gustav Schmoller , einer der Begründer des sogenannten Kathedersozialismus, ge= storben. Schmoller hat auf die soziale und politische Entwicklung Deutschlands durch seine Tätigkeit als einer der angesehensten Universitätslehrer und durch sein öffentliches Wirken einen starken Einfluß ausgeübt. Dem wissenschaftlichen Sozialismus gegenüber hat er sich ablehnend verhalten, für die richtigere Beurteilung der sozialen Tatsachen, besonders für die Einsicht in die Notwendigkeit der Sozialpolitik, hat er aber in langem Kampfe mit den Manchesterleuten einerseits und den junterlichen Reaktionären andererseits aufklärend und in seinen Kreisen auch bahnbrechend gewirkt. In dem letzten von ihm herausgegebenen Bande der„ Jahrbücher" zieht er gleichsam noch einmal die Bilanz seiner Tätigkeit durch einen Artikel über die Frage Freie oder sozialistische Volkswirtschaft nach dem Kriege?" Er sucht auch hierin gemäß seiner ganzen Art zu vermitteln zwischen der freien Konkurrenz und der sozia listischen Bindung des Wirtschaftslebens. Nach seiner Meinung werden die Zentralorganisationen, die eigentlichen Kriegszwecken dienen, nach dem Kriege wieder verschwinden.„ Was aber an den von 1890 bis 1914 gebildeten Unternehmungsformen und Unternehmerverbänden, an Arbeiterorganisationen sowie an gemeinsamen sozialen Einrichtungen des Zusammenwirkens der beiden großen sozialen Gruppen sich in der Kriegszeit änderte, das wird in der Hauptsache bleiben. Denn es sind wesentliche Verbesserungen in der Organisation der Unternehmer und Arbeiter." Aber zur sozialistischen oder gar kommunistischen Volkswirtschaft würden die Veränderungen nicht führen.
Interessant ist, was Schmoller von seinem Standpunkt aus über den Anteil zu sagen hat, der der Arbeiterschaft durch ihre Haltung während des Krieges an der notwendigen Umgestaltung und damit auch an der Neugestaltung unserer Volkswirtschaft zukommt. Der
die heitere Unruhe und unaufhörliche Geschwäßigkeit eines von ihnen auf, eines schlanken, schmächtigen Menschen mit bartlosem Gesicht, das durch große blaue. Augen sehr anziehend wurde. Wie ein lustiger Rnabe sprang er die Treppen hinauf und hinunter, stand bald bei dem einen, bald bei dem anderen, zog diesen am Rock, nahm jenem die Quaste von der Müze, um sie ihm plößlich auf die Knie zu legen, hielt einem dritten von hinten die Hände vor die Augen und rief: Rate, wer ist das? Er schien Quecksilber im Leibe zu haben. Ich bemerkte ihn im Vorübergehen, und wie ich ihn mir einige Mimuten ansah, dachte ich, was wohl der Grund dieser großen Munterfeit sein möchte. Seine offenen, angenehmen Gesichtszüge prägten sich meinem Gedächtnis ein.
Am folgenden Tage erfuhr ich durch einen Zufall, wonach ich am Abend vorher vergeblich mich selbst gefragt. Jener Soldat diente seit vier Jahren, hatte aber durch Verkettung von Umständen, die aufzuzählen mich zu weit führen würden, in dieser ganzen Zeit nie einen Urlaub gehabt, um seine Heimat und seine Familie wiedersehen zu können. Vier Jahre! Einem Soldaten, wie ich hörte, daß dieser war, dem das Herz auf der rechten Stelle saß, der seine Eltern und seinen Geburtsort innig liebte, der ein sanftes, gutes Gemüt hatte und Ausschweifungen, wie sie zuletzt die lebhaftesten Zuneigungen, die teuersten Erinnerungen übertäuben, nicht kannte- einem solchen Soldaten müssen diese vier Jahre gar lang erschienen sein! Und wahrhaftig, sie waren ihm auch schwer geworden; er hatte sich immer ein wenig melancholisch gezeigt; schweigsam in der Kaserne, draußen meist allein. In den Freistunden, wenn seine Kameraden sich in den öffentlichen Gärten herumtrieben, wo sie den von schönen Dienstmädchen geführten Kleinen rohe Liebkosungen machten, pflegte er den Ererzierplaz in Länge und Breite mit seinen Schritten zu messen, oder saß