Nr. 21
Die Gleichheit
Unterricht haben wir pädagogische Bedenken. Schließlich über schätzen wir auch nicht das Frauenstimmrecht als Mittel gegen den Alkoholismus . Es wird sicherlich ein wertvolles Hilfsmittel werden, weil die Frauen auf Grund ihrer Erfahrungen und ihrer seelischen Verfassung von vornherein schärfere Alkoholgegner find als die Männer. Aber ein allgemeines Mittel gegen die volksverwüstenden Gefahren des Alkoholismus vermögen wir nur in dem allgemeinen gesellschaftlichen Aufstieg, besonders durch die wirtschaftliche und kulturelle Hebung der Arbeiterklasse, zu erblicken.
Vom Fortgang des Frauenrechts
Der Kampf gegen das englische Frauenstimmrecht. Im englischen Unterhause versuchten die Gegner des Frauenwahlrechts dessen Einführung mit einem merkwürdigen Schachzug zu Fall zu bringen. Das Unterhausmitglied Peto, der gegen die Einführung des Frauenwahlrechts gestimmt hatte, verlangte, daß man die Altersgrenze für die Wahlberechtigung( 30 Jahre) für Frauen fallen lasse, denn sonst würden die meisten Frauen ausgeschlossen, die jetzt für den Krieg in den Fabriken usw. gearbeitet hatten. Von der Regierung be= kämpfte Cave diesen Vorschlag und erklärte, bei seiner Annahme nicht weiter für den Gesezzentwurf die Verantwortung tragen zu können. Mac Neill zeigte darauf, daß der Vorschlag fast ausschließlich von erklärten Gegnern des Frauenstimmrechts unterstützt würde, um eben das Gesetz in dieser durch den Vorschlag hervorgerufenen weitgehenden Fassung zu Fall zu bringen. Der Vorschlag Peto wurde darauf mit 291 gegen 25 Stimmen verworfen und der Gesezzentwurf selbst mit 214 gegen 17 Stimmen angenommen.
Das Frauenwahlrecht auf dem Marsche. Im österreichischen Organ der Tertilarbeiter legt Genossin Emmy Freundlich dar, wie die neue demokratische Welle in Europa überall auch die Forderung des Frauenwahlrechts stärkt und vorantreibt; in Ruß land , in England, in Holland , in Österreich , überall sind die Frauen, besonders die Arbeiterinnen, drauf und dran, ihre Rechte zur Geltung zu bringen. Aber mit Recht schließt Genoffin Freundlich ihre Ausführungen mit der Mahnung:„ Trotzdem wäre es für uns Frauen ein gefährlicher Jrrtum, wenn wir meinen würden, das Frauenwahlrecht sei nun auf dem Marsche, und wir müßten nur warten, bis es fommt. Gerade weil es nun möglich geworden ist, das Frauenwahlrecht zu erringen, müssen wir den
Inzwischen zerteilt der Hausherr das Fleisch und sagt:„ Hm! Weich wie Butter! Bärbele, das hast du gut gemacht. Ja ja! Nimm, was du bekommst, was es kostet- kostet's!"
Die Hausklingel tönt.
Die Hausfrau fragt der Bequemlichkeit halber vom Mittagstisch aus:„ Wer ist da?" Eine Kinderstimme antwortet:„ Seien Sie so gut und geben Sie mir ein Stück Brot!"
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Auf der Trambahn. Drei blinde Feldgraue und eine Schwester. Die Pflegerin will mit den Soldaten einen Ausflug machen. Wenn dieser Ausdruck für die Unglücklichen überhaupt noch paẞt! Ist ein Ausflug doch ein Sehen.
In der Trambahn sizzen zwei joviale ältere Herren.
„ Hä hä," hört man den einen, ich wette, da möchte jeder den anderen ausstechen."
„ Hä hä," antwortet der andere verständnisvoll.
Zu bemerken ist noch, daß die Schwester wirklich sehr schön war und wunderbare Augen hatte.*
Eine Obsthandlung. Die blasse verhärmte Frau möchte gern Stirschen kaufen. Vor der Tür läßt sie den Wagen von ihrem vierjährigen Mädchen halten. Das Kind ist krummbeinig und sehr blaẞ. Im Wagen sigen zwei kleine.
Das Mädchen hält den Griff des Wagens mit einer Hand und drückt sich die Nase platt am Fenster. Stehen dort doch lauter begehrenswerte Sachen.
Die Dbsthändlerin:„ Kerrsche, na Kerrsche gibt's nich." Schüchtern bemerkt die Frau:„ In der Auslage haben Sie doch ,, Verkaaft!" genug!"
„ Dann dürfen Sie die auch nicht in der Auslage haben." Die Obsthändlerin, sehr rabiat:" Sie, Sie hawe mer kaa Vorschrift net zu mache Sie, Sie" Und dann laut in die hinteren Räume des Ladens:„ Mari- i- ie, nehme Se emol de Kerrsche aus de Fenster, mer is sich ja net emol mehr sicher!"
Und dann etwas weniger laut:„ Bei de Fraa Geheimrat müsse Se de Kerrsche aach noch bringe!" Klara Wendel.
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Kampf mit aller Energie an allen Fronten eröffnen. Es genügt nicht mehr, daß wir nur an einem Tag im Jahre um das Wahlrecht in allen Orten Österreichs kämpfen. Man muß nun täg lich und stündlich den Kampf um die Wahlreform führen, und alle Wege, die unserem Kampfe täglich neue Kräfte zuführen, müssen gesucht werden."
Kleine Mitteilungen. Der Frauenstadtbund von Bremen hat sich an den Senat und Bürgermeister mit der Bitte gewandt, bei der demnächst zu erwartenden Wahlrechtsänderung auch die Frauen zu berücksichtigen.
Eine Eingabe des Hamburg - Altonaer Vereins für Frauenstimmrecht an Senat und Bürgerschaft ersucht um Verwirklichung der alten liberalen Forderung der Einführung des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts bei der bevorstehenden Wahlrechtsreform und seine Ausdehnung auf die in der Stadt Ham burg und den zum Hamburger Staat gehörenden Landgemeinden lebenden weiblichen Staatsangehörigen.
Siege des Frauenstimmrechts für die Präsidenten- und Kommunalwahlen sind in drei weiteren nordamerikanischen Staaten: Ohio , Norddakota und Indiana zu verzeichnen. Im Januar und Februar dieses Jahres nahmen die gesetzgebenden Körperschaften die betreffenden Vorlagen mit großer Majorität an, und da für diese Wahlen keine Verfassungsänderung, baher auch feine Wählerabstimmung nötig ist, erlangten die Beschlüsse ohne weiteres Gesetzeskraft. Damit ist nun das politische Wahlrecht der Frauen bereits in 16 Staaten der Union eingeführt.
Als einzige Frau ist Mrs. Chapman Catt, die Vorsitzende des Weltbundes für Frauenstimmrecht, vom Präsidenten der Ver einigten Staaten Wilson zum Mitglied des beratenden Ausschusses für die nationale Verteidigung ernannt worden.
Die gesetzgebende Körperschaft von Neuschottland in Kanada hat in ihrer Sizung am 21. März die Vorlage über das aktive und passive Wahlrecht der Frauen einstimmig angenommen und die Zulassung der Frauen zur Advokatur beschlossen.
Nach den Ausführungen der chinesischen Schriftstellerin Yerh Hung Than beginnt auch in China die Frau sich freizumachen von fnechtenden Mißständen. In Kanton sind die Frauen zur Teilnahme an der provisorischen Provinzialregierung zugelassen, und die republikanische Regierung in Peking hat den Leitern der Frauenbewegung mitgeteilt, sie werde jede Anstrengung fördern, die dahin geht, die alte chinesische Gleichstellung der Frau mit dem Manne in voller Kraft wieder aufleben zu lassen.
Gedanken.
Von Georg Chriftoph Lichtenberg.*
Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
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Unser Leben kann man mit einem Wintertag vergleichen: wir werden zwischen 12 und 1 des Nachts geboren, es wird 8 Uhr, ehe es Tag wird, und vor 4 des Nachmittags wird es wieder dunkel, und um 12 sterben wir.
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Wenn wir die Mütter bilden, das heißt die Kinder im Mutter leibe erziehen.
Große Dinge gesehen zu haben als einen großen Sturm, muß unstreitig dem ganzen Gehirn eine andere Stimmung geben, und man kann sich daher nicht genug in solche Lagen bringen; man sammelt auf diese Art, ohne zu wissen.
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Eine Regel beim Lesen ist: die Absicht des Verfassers und den Hauptgedanken sich auf wenig Worte zu bringen und sich unter dieser Gestalt eigen zu machen. Wer so liest, ist beschäftigt und gewinnt. Es gibt eine Art von Lektüre, wobei der Geist gar nichts gewinnt und viel mehr verliert: es ist das Lesen ohne Vergleichung mit seinem eigenen Vorrat und ohne Vereinigung mit seinem Meinungssystem.
* Am 1. Juli waren 175 Jahre seit der Geburt des deutschen Schriftstellers Lichtenberg vergangen. In der Wochenschrift„ Die Glocke" ( Nr. 13) widmet Genosse Hermann Wendel dem leider wenig befannten geistvollen Manne eine eingehende Würdigung, in der er besonders seinem im besten Sinne revolutionären und kühnen Geiste gerecht zu werden sucht. Die Besonderheit des Lichtenbergschen Schrifttums bilden tiefsinnige und in der Form scharfgeschliffene Gedanken( Aphorismen), von denen wir einige an dieser Stelle mitteilen.