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Die Gleichheit

zur vollen Entfaltung gelangen, damit eine Bereicherung des Kultur­lebens nach allen Möglichkeiten erzielt werde. Auch in bezug auf diese Frage kann ich an das Kanzlerwort erinnern: Freie Bahn dem Tüchtigen. Warum denn nicht auch freie Bahn der tüchtigen Frau? Mit den Frauen werden die Völker vielleicht besser imstande sein, ein solches unendliches Unheil zu verhüten, wie es dieser Krieg über sie gebracht hat.( Sehr richtig! bei den Sozialdemokraten.) Die Männer waren nicht imstande, den Krieg zu verhüten. Jedenfalls wird gerade der Einfluß des weiblichen Geschlechts weit günstigere, weit kulturellere Zustände für die Menschheit zu schaffen geeignet sein. Becker- Arnsberg( Zentrum): In dem Antrag Antrick und Genossen wird, wie auch von dem Herrn Abgeordneten Dr. Gradnauer ein­gehend begründet ist, verlangt, daß das Wahlrecht allen über 20 Jahre alten Reichsangehörigen beiderlei Geschlechts gewährt werden soll. Trotz der warmen Befürwortung des Frauenstimmrechts durch den Herrn Abgeordneten Dr. Gradnauer werden meine politischen Freunde von ihrer alten Anschauung nicht abweichen, daß es nicht zweckmäßig ist, die Frau in das politische Leben hineinzuziehen.( Sehr richtig! im Zentrum.)... Die Arbeiterschaft Deutschlands   ist sich auch nicht einig in der Frage des Frauenwahlrechts und des Wahlrechts für zwanzigjährige junge Leute. Die christlich- nationale Arbeiterschaft, die doch einen ganz erheblichen Bruchteil der deutschen Arbeiter um­faßt, hat sich erst kürzlich gegen das Wahlrecht für Frauen und junge Leute von 20 Jahren ausgesprochen.( Bravo  ! im Zentrum.) Lift- Eßlingen( Nationalliberal): Einige Worte zu dem Frauen­stimmrecht. Gewiß, ich gebe für meine Person unumwunden zu, die Kriegszeit hat für das Frauenstimmrecht um mit den Worten

des Herrn Kollegen Gradnauer zu sprechen neue starke Begrün­dungen gebracht. Das Umlernen in bezug auf das Frauenstimmrecht hat in weite Streise auch der bürgerlichen Parteien hinein wohl große Fortschritte gemacht, aber so weit konnte ich mich für meine Person noch nicht durchringen, daß ich mir sagte: jezt in diesem Augenblick muß das Frauenstimmrecht gefeßlich eingeführt werden. Das ist eine Sache, die denn doch noch reiflicher Erwägung bedarf, reiflicher Über­legung und Besprechung auch innerhalb der Parteien. Ich stehe der Ausdehnung des Stimmrechts auf die Frauen heute auf Grund der Erfahrungen des Krieges wesentlich freundlicher gegenüber, als es seither der Fall gewesen ist. Aber was bisher nicht der Fall war, muß nicht mit einem Schlag eingeführt werden, und es ist noch Beit, diese überaus wichtige und schwierige Frage zu überlegen und in ruhigen Zeiten des Friedens dann vielleicht gesezgeberisch zu verarbeiten und zur Verwirklichung zu bringen.

ner Kinderjahre und immer seine Mutter mit ihm; sie tröstete ihn, wenn er weinte, sie pflegte ihn, wenn er erkrankte, sie verteidigte ihn, wenn der Vater mit Strafe drohte, immer war sie da, immer voll zärtlicher Sorgfalt, voll mitfühlender Liebe! Auch in sein Jünglingsalter führte ihn der Traum: er durchlebte den Abschied, er fühlte sich wieder von den Armen umfangen, die ihn nicht lassen wollten, er wollte sich los­reißen und konnte nicht, er seufzte laut... Da erwachte er. Er blickte umher, er besann sich und empfand die reinste Freude in der schönen Gewißheit des nahen Glückes.

Unten vom Hofe ertönten schon die Trommelwirbel. Alle sprangen aus den Betten. Er kleidete sich eilig an und be­sorgte die gewöhnlichen Obliegenheiten des Morgens mit fröhlicher Miene und fieberhafter innerer Erregung. Oft biß er sich auf die Lippen, fuhr sich mit der Hand über die heiße Stirn, fragte alle paar Minuten, wieviel die Uhr sei, und be­trachtete sich wiederholt von oben bis unten, ob alles an ihm in guter Ordnung sei. Endlich kam der Mittag heran. Wenn seine Mutter, wie sie geschrieben, um neun Uhr sich auf den Weg machte, mußte sie, die Langsamkeit der armen Alten und die Größe der Entfernung berechnet, zwischen zwölf und ein Uhr eintreffen; ach! gerade zu der Zeit, wenn alle in die Fechtschule gehen sollten. Das war schlimm, aber es gelang unserem Soldaten, des erwarteten Besuches wegen dispensiert zu werden.

Als die anderen fort waren, stürzte er hinauf in das große leere Zimmer, stüßte die Hand auf sein Bett und stand feuchend einen Augenblick still, denn er fühlte, daß seine Füße zitterten.

Dann sette er sich, legte die Ellbogen auf seine Anie, das Kinn in die Hände, hob die Augen zur Decke und dachte: Ja, sie kommt! Sie kommt hierher in die Kaserne! Und er rieb sich die Stirn mit beiden Händen, leise, abgebrochen auf­

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Nr. 22

Waldstein( Fortschrittliche Volkspartei  ): Aus den Gründen, die ich schon vorhin vorgetragen habe bezüglich der gesamten Aufgabe, die dem Verfassungsausschuß gestellt war, glauben wir nicht, daß in diesem Moment tatsächlich über die Frage des Frauenwahlrechts definitiv entschieden wird. Diese Frage bleibt trotz der heutigen Ab­stimmung und Entscheidung, die wir treffen werden, genau so offen wie die meisten anderen Fragen der Neuorientierung. Darüber sind wir uns durchaus klar, daß die Stellung der Frau im öffentlichen Leben nach diesem Kriege durchaus nicht dieselbe bleiben kann und wird, wie sie vor diesem Kriege gewesen ist. Die richtige Form dafür zu finden und ihr das zukommende Recht im öffentlichen Leben zu geben, wird eine der wichtigsten Aufgaben sein, die uns noch zu beschäftigen haben wird, die wir aber im Rahmen der Ver­Handlung, die uns heute obliegt, nicht lösen werden.

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Mertin( Deutsche   Fraktion): Und nun die Übertragung des Wahlrechts auf die Frauen! Ich darf auch hier sagen: es ist nicht etwa eine Mißachtung oder, etwas milder ausgedrückt, eine nicht genügende Achtung der Frauen, ihres geistigen, ethischen Wertes, der uns dazu bestimmt, der Frau das Reichstagswahlrecht zu ver­sagen. Gerade der Krieg hat uns gelehrt, was die Frau auch als Mannersatz leisten kann; aber wir fürchten, daß gerade diejenigen Frauen sich dann politisch betätigen würden, die eben nichts find als Mannersag. Sicher ist da werden Sie mir alle beistimmen, daß die wertvollsten Erfahrungen, die in unserem staatlichen und öffentlichen Leben verwertet werden können, von der Hausfrau, von der Mutter herstammen. Ich möchte aber die Hausfrau und die Mutter sehen, die Zeit zur politischen Betätigung hat, und Zeit gehört dazu. Das mag vereinzelt in großen Städten der Fall sein, wo ein reichgestalteter Haushalt der Frau und Mutter mehr Zeit läßt. Im allgemeinen ist aber die Frau und die Mutter nicht in der Lage, sich am öffentlichen Leben zu beteiligen. Wir wollen ja nicht nur den Frauen das aktive Wahlrecht geben, wenn wir es ihnen überhaupt geben, sondern auch das passive, und gerade die Hausfrau und die Mutter würde vom politischen Leben ferngehalten werden, damit aber allerdings der für den Staat wertvollste Teil der Frauen.

Was bleibt übrig? Ich weiß wohl, daß auch konservative Frauen­vereine sich für das Frauenstimmrecht ausgesprochen haben, aber wer sind denn alle die Führerinnen der Frauenstimmrechtsbewegung und der Frauenbewegung überhaupt? Das sind vielfach Frauen, die dazu Zeit haben, die keinen Haushalt, feine Kinder haben, das ist ich kann das Wort nur nochmals wiederholen- eben der Mann­

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lachend. Seit vier Jahren habe ich sie nicht gesehen! Bier Jahre!"- Dabei streckte er vier Finger der Hand aus.- ,, Ach, wie lang sind sie gewesen!..." Und er überdachte wie­der alle durchgemachten Leiden, alles durchkämpfte Heimweh. ( Fortsegung folgt.)

Herbstnähe.

Würzgeruch gemähter Schwaden, Blumen, die zu Felde laden, Wälder voller Herrlichkeit Künden noch die Sommerszeit.

Doch so manche Schattenstelle In der späten Tageshelle Macht schon fund um diese Frist, Daß der Herbst nicht fern mehr ist.

Martin Greif  .

Aus dem Leben des kleinen Jan.

Von Ernst Almsloh.

Jan und die Künste.

Natürlich hat Jan auch schon ein Verhältnis zu den schönen Stünften. Er hält doch Augen und Ohren offen, und da sollten Farben und Töne und Linien in ihrer wechselnden Zusammen­stellung, in, ihren Harmonien und Disharmonien nicht seine Auf­merksamkeit erregen!

Da kennt ihr Jan schlecht!

Aber die Künste ziehen ihn nicht in gleichem Maße an.

In die Baukunst suchte ihn ein Baukasten einzuführen. Zuerst bauten Eltern und Geschwister ihm schwindelnde Kunstbauten aus zahlreichen Hölzern.

Jan konnte aber meistens kaum die Zeit erwarten, bis der letzte Stein gefügt war. Dann griff er mit kühner Hand in das Bau­werk und stieß es um.