Nr. 22

Die Gleichheit

Die Fabrifpflegerin kann ihr verantwortungsreiches Amt nur erfolgreich ausüben, wenn keine materiellen Sorgen sie an der Ausübung ihres Berufs hindern. So liegt ein weites Arbeits­gebiet vor uns. Es liegt zwar außerhalb der Organisation, doch seine Beaderung wird dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Innerhalb unserer Organisation ist ebenfalls ein großes Stück Arbeit zu leisten. Die während des Krieges verlorengegan= genen 64 000 weiblichen Mitglieder müssen wiedergewonnen wer­den. Bedauerlich groß ist der Verlust an Abonnenten der Gleich­heit". Wer wollte da noch länger mit ruhigem Gewissen einer wei­teren Abnahme an Mitgliedern und Abonnenten zusehen? Da heißt es von neuem schulen und werben. So oft wir auch in stil­len Stunden über ein sicheres, erfolgversprechendes Werbemittel nachgedacht haben, gefunden haben wir bisher keines. Da muß uns die jeweilig gebotene Gelegenheit zu Hilfe kommen. Wir ken­nen den praktischen Sinn unserer Frauen, der bei all ihren Hand­lungen ein praktisches Ergebnis sehen will. Das ist nun leider in unseren Organisationen nicht möglich. Zwischen der Saat und der Ernte liegt eine Zeit der Reife, und so wollen auch unsere Or­ganisationen Zeit zur Sammlung haben. Das sollten wir unseren Frauen zunächst begreiflich machen. Schon das Bewußtsein, das einigende Band der Genossinnen des Reiches fester geknüpft zu sehen, soll uns über all die aufsteigenden Schwierigkeiten in der Agitation und Werbung neuer Mitglieder hinwegsehen.

Manches haben wir bisher geleistet. Schweres haben wir erleben müssen. Tiefstes seelisches Leid erfüllt uns angesichts des Kriegs­jammers. Doch das Morgenrot des künftigen Friedens zieht her­auf. Kampfgewohnt und kampferprobt stehen wir da. Wer möchte in diesem heißen Ringen nach Menschenglück und Menschenwürde abseits stehen? An die Arbeit! Es lohnt sich! Johanna Reiße.

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Aus unserer Bewegung

* Berlin  . Der Bericht über die Reichskonferenz wurde an die Vertreterinnen der Frauen Groß- Berlins am Dienstag, den 17. Juli von der Genossin Ryneck erstattet. Die Referentin zog an der Hand des auf der Konferenz gegebenen Berichts über die in allen Teilen Deutschlands   geleistete Arbeit einen Vergleich mit der in Groß- Berlin von den Genossinnen ausgeübten Tätigkeit. Mit Genugtuung stellte sie fest, daß ein großer Teil der Berliner   Ge­nossinnen doch gemeinsam mit den übrigen deutschen   Genossinnen die richtigen Wege gegangen sind. Die lebhafte Debatte zeigte, daß

Bücherschau

Das Kleid der arbeitenden Frau, von Klara Sander und Else Wirminghaus, Köln  . Verlag der S. Braunsschen Hof­buchdruckerei, Karlsruhe  . 32 Seiten.

In vorliegender Broschüre finden wir eine Übersicht über Frauen­berufskleidung, wie sie durch den Krieg in verstärktem Maße- immer notwendiger wird. Das Büchlein enthält 63 Abbildungen, die die Frau als Schwerst-, Land- und Transportarbeiterin, Beamtin, Bureauangestellte und Pflegerin darstellen.

Jm tertlichen Teile wird hervorgehoben, daß sich die Kleidung der arbeitenden Frau vollständig den Gesezen der Zweckmäßigkeit unterordnen müsse, und daß diese Zweckmäßigkeit zu einem Stile führe, der in gewissem Sinne schön sei. Das ist richtig. Uns berührt aber vor allem die Frage, ob diese Kleidung den Frauen in gesund­heitlicher Hinsicht Schutz bietet. Diese Frage können wir bejahen. Die Bekleidung für die Schwerstarbeiterin, bestehend aus Schürzen­hose und Unterziehbluse( Bild 1), kann Anspruch darauf erheben, verhältnismäßig vollkommen zu sein. Sie hindert in keiner Weise die Bewegungsfreiheit, verzichtet auf Gürtel, aufgesetzte Taschen und dergleichen, bietet also Transmissionen und Räderwerk keine An­griffspunkte". Ebenso vollkommen erscheint das Kleid für die Frau, die auf dem Lande, im Stalle, tätig sein muß.( Stallkleid von Nani Schmidt, Leipzig  .) Unvollkommen ist dagegen zum größten Teil die Kleidung der Frauen im Transportwesen. Dort hat man ihnen meistens einfach den Männermantel oder die Joppe angezogen und die Dienstmüße aufgesetzt. Man bedenke: die luftundurchlässige Dienst­müße auf dem Haar der Frau! Eine Ausnahme macht die Uniform der Schaffnerin an der preußisch- hessischen Eisenbahn: Pumphose, Joppe, Wickelgamaschen. Sie ist, abgesehen von der Dienstmüße, zweckmäßig und wirkt nicht häßlich. Einen Anspruch auf Schönheit erheben die Kleider für Schwestern, Bureauangestellte und Photo­graphinnen, die mit ihren einfachen Linien das Auge erfreuen.

Sämtliche Kleider sind darauf berechnet, von einem forsettfreien Störper getragen zu werden, dieser gesundheitlichen Notwendigkeit entsprechen auch die Anregungen über die Unterkleidung.

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die Genossinnen entschlossen sind, auf allen Gebieten, in der Kom­munalpolitik, der Sozialpolitik, der Kriegsfürsorge, der Agitation für unsere Bewegung und für die" Gleichheit" tatkräftig weiterzu­arbeiten. Den Resolutionen der Reichskonferenz stimmte die Ver­sammlung einstimmig zu.

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** Elf Frauenversammlungen mit der Tagesordnung ,, Die Frauen und die Friedensbewegung" fanden in der letzten Juni­und in der ersten Juliwoche in Groß- Köln statt. Sie sollten nicht nur der Aufklärung über den sozialdemokratischen Ver­ständigungsfrieden", sondern vor allem auch der Aufnahme neuer Mitglieder dienen. Beide Ziele dürfen als erreicht gelten. Es zeigte sich allerdings wieder, daß auf die Vorbereitung der Versammlung alles ankommt. In den meisten Bezirken hatten einige Genossinnen fleißig vorgearbeitet, und der Besuch war dort überall glänzend. Sogar ein Vorort, in dem angeblich seit drei Jahren jede Versammlung unmöglich" war, hatte ausgezeichneten Besuch. Auch bei den Aufnahmen zeigte sich, daß gute Vorberei­tung alles ist. In einigen Versammlungen wurden nur wenige Aufnahmen gemacht, in anderen, die nicht mehr Besucherinnen zählten, dagegen 22 bis 60 Aufnahmen. Die Vorträge fanden sehr aufmerksame Zuhörerinnen. Mehrfach kam es zu einer Aussprache, die dann meist zur Behandlung von Ernährungsfragen führte. In einer Versammlung wurde eine dringliche Entschließung zum Obst- und Gemüsemangel an den Oberbürgermeister gesandt. Es kommt nun darauf an, die neugewonnenen Genossinnen durch regelmäßige Zustellung der Gleichheit" und durch Abhaltung wei­terer Frauenabende an die Partei zu fesseln.

D. Elberfeld- Barmen. Zwei Frauenversammlungen ber­anstaltete auf Anregung der Genossinnen der Sozialdemokratische Parteiverein. In beiden Versammlungen hielt Genosse Landé einen Vortrag über: Die Frau und das Kriegsrecht". Redner schil­derte den Gang der Gesetzgebung im allgemeinen und zeigte dann an Hand von Beispielen die Wirkung derjenigen gesetzgeberischen Maßnahmen, die der Bundesrat während des Krieges erlassen hat. Durch die Einberufung der Männer zum Heeresdienste werden den Frauen Rechte eingeräumt, aber auch Pflichten auferlegt. Leider find die gewährten staatlichen Unterstügungen nicht ausreichend, und auch die städtischen Zuschüsse erfordern in sehr vielen Fällen, daß die Kriegerfrauen noch einen Erwerb betreiben müssen. Durch die un geheuer vermehrte Tätigkeit der Frauen in fast allen Berufen ist die Tatsache zu verzeichnen, daß die Frauen nicht mehr imstande sind, der Kindererziehung die notwendige Aufmerksamkeit zu widmen.

Man kann dem Büchlein, das ein Problem behandelt- denn die Frauenkleidung ist noch immer ein Problem, die größte Verbrei­tung unter den Arbeiterinnen wünschen. Aber auch die Gewerkschaften sollten sich dafür interessieren, kommen sie doch in die allernächste Berührung mit den Frauen, für die in erster Linie das Heft ge= dacht ist. Elisabeth Röhl  , Köln  . Frauenarbeit und Krieg. Führer, herausgegeben von der Leitung der Kriegsflickwerkstätten Reutlingen  . 20 Seiten. 20 Pfennig. Ein sonderbares fleines Buch! Seine eigentliche Bedeutung wird nur dem recht klar, der auf der jüngsten Frauenkonferenz mit Span­nung den lebendigen Schilderungen von Laura Schradin über die Art ihrer heimischen Kriegsfürsorge lauschte, die so völlig eigener proletarischer Initiative und Tatkraft entsprungen ist. Das Büchlein ist ein Führer durch eine Ausstellung, die Arbeiterfrauen über die Striegsnotwendigkeiten in den Fragen der Ernährung, der Küchen­geräte, der Ersazmittel, der Waschmittel, der Kindererziehung und anderer Fragen unterrichten soll. Aber er bietet mehr. Er enthält vor allen Dingen einen knappen, anschaulichen Bericht über die von Laura Schradin ins Leben gerufenen Kriegsflickwerkstätten Reut­lingens, in denen jezt 2200 Frauen und Mädchen beschäftigt sind. Gerade dieser Bericht aber zeigt, daß in solchen harten Zeiten, wie wir sie durchleben, tatkräftiges Handeln unendlich wichtiger ist als sentimentales Klagen oder revolutionäres Donnern mit Worten. hs.

Eingegangene Schriften.

Blide in Gegenwart und Zukunft. Gesammelte Striegsaufsätze von Dr. Konrad Küster, Geh. Sanitätsrat. Berlin   1917, Dietrich Reimer( Ernst Vohsen). 50 Seiten. 1 Mt. Fachblatt für Holzarbeiter. Heft 7 des zwölften Jahrgangs, Juli 1917. Herausgegeben vom Deutschen Holzarbeiterverband   in Berlin  . Das vorliegende Heft bringt Abbildungen von Ein­richtungen, deren Entwurf vom Architekten May Heidrich stammt, und die in den Werkstätten Bernard Stadler( Paderborn  ) aus­geführt sind. über Berufsgeschichte des Tischlers schreibt Hugo Hillig. R. Anger setzt die Arbeit über das perspektivische Zeichnen fort, während Otto Winkelmüller Betrachtungen über den zukünf­tigen Stand unserer Kunstgewerbezeichner anstellt.