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Die Gleichheit

Die unausbleibliche Folge davon ist eine ungeheure Vermehrung der strafgesetzlichen Verfehlungen der Jugend. Die fehlende erzieherische väterliche Gewalt tritt hier merklich in Erscheinung. Die Zustände der Lebensmittelversorgung streifend, schloß Genosse Landé seinen Vortrag mit der Aufforderung zum Eintritt in die gewerkschaftliche, genossenschaftliche und politische Organisation.- Sodann wurde bekannt gemacht, daß die Gleichheit" nunmehr wieder regelmäßig vierzehntäglich erscheint. Auf Anregung wurde ferner beschlossen, fünftighin wieder Frauenabende zu veranstalten. Dieselben sollen stattfinden für Elberfeld   jeden ersten Dienstag im Monat, für Barmen jeden ersten Mittwoch im Monat. Nähere Einladungen zu dieſen Abenden werden jeweilig erfolgen. Die Genossinnen werden ersucht, hieran zahlreich teilzunehmen. Wenn auch der Besuch der Ver­sammlungen hätte besser sein können, so steht zu hoffen, daß es mit der Frauenbewegung in unserem Kreise vorwärts geht, wenn alle Genossinnen in Zukunft rege werben und sorgen, daß die uns noch fernstehenden Frauen und Mädchen dem Sozialdemokratischen Partei­verein als Mitglieder zugeführt werden.

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Die Frauenbewegung im Kreise Mörs- Rees, Bezirk Nieder­ rhein  . Aus Mörs   wird uns geschrieben:

In unserer noch jungen Parteiorganisation nahmen die Frauen immer einen geachteten Platz ein. 1911 hatten wir 426 männliche und 130 weibliche Mitglieder, 1913 708 und 186, vor Ausbruch des Krieges waren es 972 und 364. Jm Anfang des Krieges sank bie Zahl der weiblichen Mitglieder auf 295, ist aber schon wieder auf 470 hinaufgestiegen. Wir sind damit wohl einer der wenigen Kreise, in denen unsere Frauenbewegung sich während des Krie­ges nicht nur auf gleicher Höhe gehalten hat wie im Frieden, son­dern noch erheblich gestiegen ist. Neu eingetreten sind bei uns während des Krieges rund 400 Genossinnen. Erwähnenswert dürfte dabei sein, daß unsere Genossinnen mit einigen Ausnah­men alle Ehefrauen sind. Die erwähnten Zahlen sind aber wohl auch der beste Gradmesser für die Art unserer Arbeit. Hunderte von Auskünften, mündliche und schriftliche, wurden vom Sekre­tariat den Kriegerfrauen erteilt, und geholfen wurde ihnen, wo immer es möglich war. Durch schriftliche Eingaben, durch per­sönliches Vorstelligwerden, durch die Presse, durch öffentliche und Mitgliederversammlungen haben wir in der Kriegsfürsorge ge= wirkt. Wenn auch die Behörden mit einer Ausnahme unsere Ge­nossinnen bis jetzt von der Mitarbeit in der Kriegsfürsorge aus­schalteten, so haben wir uns nicht beirren lassen und haben von außen her für die Verbesserung der Verhältnisse gewirkt. Längere Zeit schon haben wir eine Kommission von Genossinnen der ein­zelnen Orte, die regelmäßig zusammentritt, über Beschwerden und Wünsche berät und sie den maßgebenden Stellen unterbreitet. Un­sere wirtschaftlichen Verhältnisse sind zwar wie im ganzen indu­striellen Westen recht trostlos, aber viel schlimmer würde es ohne unsere ständige Arbeit aussehen! Unsere Genoffinnen wissen dies zu schätzen und beweisen es durch ihre Treue zur Partei.

C. S. Henford. Unsere Frauenbewegung hat hier eine er­neute Belebung erfahren. Im Anschluß an einen Vortrag des Ge­noffen Schreck( Bielefeld  ) wurde am 10. Juli beschlossen, jetzt wieder regelmäßige Zusammenkünfte zu veranstalten. Es wurden 30 Abonnentinnen für die Gleichheit" gewonnen.

Vom Fortgang des Frauenrechts Frauen als Soldaten. Eine Erweiterung des Frauenrechts, die wir nicht wünschen, hat nach Zeitungsnachrichten der russische  Kriegsminister Kerenski   in die Wege geleitet. Bei der neuen rus­sischen Offensive hat er auch die Frauen zur Mithilfe beim fürch­terlichsten Handwerk des Mannes mobil gemacht. Angeblich soll er dem Drängen der Frauen nachgegeben und auf ihren Wunsch Frauenbataillone errichtet haben. Bei der Rekrutierung dieser Ba­taillone soll Kerenski   von Frau Butschkarjowa, die von ihm vom Unteroffizier zum Fähnrich befördert worden war, unterstützt wor­den sein. Von einer stark besuchten Frauenversammlung zur An­werbung von Freiwilligen in Petersburg   wird berichtet, daß die Butschkarjowa begeisterte Zustimmung bei ihrer in derber Bauern­sprache vorgebrachten Werbung fand. Sie stellte sich selbst als fünftige Regimentskommandeurin vor, die unnachsichtlich blinden Gehorsam verlange, und meinte:" Wenn eine von euch an der Front den Feigling spielen will, schieße ich sie mit eigener Hand nieder." Zum Schlusse konnte sie eine lange Liste von weiblichen Freiwilligen für den Frontdienst verlesen. Das Justizministerium gibt bekannt, daß diejenigen weiblichen Zuchthausinsassen, die sich verpflichten, Krankenpflege an der Front auszuüben, aus den Buchthäusern entlassen werden sollen.

Nr. 22

Es ist schon traurig genug, daß die Russen sich noch zu einer Offensive verpflichtet fühlten, obwohl die deutsche Heeresleitung sie nicht dazu veranlaßt hatte; aber daß Kerenski   dazu sogar auch noch die Frauen braucht, macht dieses Blutvergießen noch verab­scheuungswürdiger.

Kleine Mitteilungen. Das englische Unterhaus hat nach leb= hafter Debatte am 20. Juni die Regierungsvorlage betreffend das Frauenstimmrecht im Prinzip mit 385 gegen 55 Stimmen angenommen und am nächsten Tage die Altersgrenze zur Berechtigung der Ausübung mit 291 gegen 25 Stimmen auf 30 Infolge Jahre( statt 35, wie erst vorgeschlagen war) festgesetzt.

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der sogenannten" People Bill" wird die Anzahl der englischen Wähler, die im Jahre 1915 8 357 000 betragen hatte, um 2 Mil­lionen männliche und 6 Millionen weibliche Wähler erhöht werden. Von letzterer Zahl entfallen schätzungsweise 5 Mil­lionen auf verheiratete Frauen. Der erste weibliche Professor an der Moskauer Universität ist die Polin Fräu­lein Marya Szylkarska, die ihren Schulunterricht in Moskau   er­halten und dann in Paris   sich dem Studium der älteren roma­nischen Literatur gewidmet hat. Später arbeitete Fräulein Szyl­Auch karska an der Bibliothek des British Museum   in London  . in Italien   sind im Verlauf des Krieges die Frauen mehr und mehr in sogenannte männliche" Berufe eingestellt worden und sollen sich nach den vorliegenden Berichten vortrefflich darin be­währt haben.

Die Frau als Arbeiterin

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Schwierigkeiten für arbeitende Frauen. Die Arbeiterinnen in den Fabriken, bei der Post, der Bahn und in anderen Betrieben sind heute kaum noch in der Lage, ihre Einkäufe zu besorgen, weil sie keine Zeit dafür haben und, wenn sie doch einmal eine freie Minute haben, nichts mehr vorfinden. Die Stadtverwaltungen haben daher die Pflicht, dafür zu sorgen, daß die arbeitenden Frauen auch Gelegenheit zum Lebensmittelkauf erhalten.

Eine andere Schwierigkeit besteht in der Beschaffung geeigneter Wohnungen. Viele Zimmervermieter wollen aus altem Vorurteil an einzelne Frauen und Mädchen nicht vermieten, oft auch deshalb nicht, weil viele Hausbesitzer das Abvermieten an weibliche Per­sonen vertraglich ausgeschlossen haben. Es geht aber doch nicht an, daß die Frauen, die so notwendige Arbeit verrichten, keine ordent­liche Unterkunftsstätte haben. Hausbesitzer wie Familien, die ab vermieten, müssen einsehen, daß sie den Arbeiterinnen gegenüber ein schweres Unrecht begehen, und ihre Vorurteile aufgeben.

Kleine Mitteilungen. Das Bundeskomitee des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes hat am 30. Juni die Einladung zur inter­nationalen Gewerkschaftskonferenz in Bern   erlassen. Die Konferenz soll am 1. Oftober dieses Jahres stattfinden. Nach der Einladung besteht die Aussicht, natürlich nicht die Gewißheit, daß alle Landeszentralen an der Konferenz teilnehmen. Es ist dem Schweizerischen Gewerkschaftsbund   gelungen, den fehlenden Kontakt Die bei mit den Landeszentralen der Ententeländer herzustellen. der Großen Berliner Straßenbahn beschäftigten Frauen und Männer haben in einer erfolgreich verlaufenen Lohnbewegung er­hebliche Lohnaufbesserungen und volle Freiheit des Koalitionsrechts erkämpft. Nach einem Erlaß des Kriegsministeriums und des Kriegsamts sind jezt bei allen Arbeitsnachweisen und Hilfs dienstmeldestellen mit stärkerer Vermittlung weiblicher Arbeitskräfte weibliche Abteilungen einzurichten. 3472,14 Mt. hat der Berg­arbeiterverband für die Familie eines durch ein Bergunglück zu Schaden gekommenen und später daran verstorbenen Stameraden er stritten nebst einer laufenden Hinterbliebenenrente von 62,50 Mt. für die Frau und ein Kind im Monat. Ein schöner Beweis für Die Kriegsamt den Wert der gewerkschaftlichen Organisation! stelle Koblenz   veranstaltet gemeinsam mit der Stadt Köln   unter Mitwirkung der stadtkölnischen Wohlfahrtsschule und der sozialen Frauenschule des katholischen Frauenbundes einen Fabritpflege­rinnenkursus. Die Dauer ist auf vier Wochen festgesetzt. Es sind Vorträge, praktische Übungen, Musterlektionen und Besichtigungen vorgesehen. Die Höchstzahl der Teilnehmerinnen beträgt 35. Die Teilnehmerinnen sollen mindestens 25 Jahre alt sein. Vorbedingung für die Zulassung sind: Absolvierung einer sozialen Frauenschule oder Prüfung als Lehrerin, Gewerbe-, Handels- und Fortbildungs­schullehrerin, Jugend-, Wohnungs-, Armenpflegerin, Kindergärtnerin, Leiterin von Kriegsfürsorgeeinrichtungen oder sonstige längere soziale Praxis.

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Berantwortlich für die Redaktion: Frau Marie Juchacz  , Berlin   SW 68. Druck und Verlag von J. H. W. Dieß Nachf. G.m.b.8. in Stuttgart  .