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Die Gleichheit
den Stimmrechtsvereinen, wieder und wieder Petitionen und Eingaben dafür an die gesetzgebenden Körperschaften erlassen. Alles blieb bisher gleich resultatlos. Schon aus dem Grunde, weil auch nicht eine einzige der bürgerlichen politischen Parteien sich bisher für das Frauenstimmrecht erklärte. Im Gegenteil, allen Wünschen der bürgerlichen Frauen zum Troß, wurde die Frage von ihnen im Reichstag wie in den Landtagen, ja noch in allerletzter Zeit in dem neu eingesetzten Verfassungsausschuß des Reichstags im günstigsten Falle mit schlecht verhohlener Gleichgültigkeit, von den meisten aber mit offener Feindseligkeit behandelt. Man brachte es dort kaum zu einer wirklich ernsthaften Erörterung der Frauenforderungen.
So bleibt den Frauen nur übrig, sich weiter selbst mit aller Kraft für ihre Ziele einzuseßen, vor allem so lange vor der Öffentlichkeit, in Versammlungen und in der Presse für das Wahlrecht zu wirken, seine dringende Notwendigkeit so lange wieder und wieder den Vertretern aller Parteien flarzulegen, bis endlich eine parlamentarische Mehrheit dafür gewonnen ist. Zu diesem 3wede gilt es, alle gleichlaufenden Kräfte zusammenzuschließen, durch die Vereinigung sämtlicher Stimmrechtsfämpferinnen, gleich viel in welchem politischen Lager sie stehen, ein möglichst machtbolles Rampfheer zu bilden, für diese bestimmte, allen gemeinsame Forderung gemeinsam borzugehen. Ein solcher Zusammenschluß der Stimmrechtlerinnen aller Schattierungen und Parteien ist gerade unter den gegenwärtigen politischen Verhältnissen leichter als jemals früher. Denn gegenwärtig ist volle Demokratisierung, absolute Gleichheit aller Staatsbürger vor Gesetz und Recht die Losung der Zeit. Auch für die Frauen kann es sich also nur darum handeln, ein wirklich demokratisches, das heißt das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht für alle Körperschaften zu erkämpfen. Damit fallen die Konflikte fort, die sich aus der Verschiedenheit der politischen Gesinnung unter den einzelnen bürgerlichen Stimmrechtsvertreterinnen ergaben und oft Uneinigkeit in ihre Vereine trugen.
Für diesen Kampf der Frauen um Gleichberechtigung im öffentlichen Leben ist keine Zeit zu verlieren. Gerade jetzt find die Dinge bei uns im Fluß. Gerade jetzt spielen sich im Reichstag die Kämpfe um fortschreitende Demokratisierung und Parlamentarisierung unseres Verfassungslebens ab, die Deutschland in die Reihe der wahrhaft freiheitlich regierten Staaten heben wollen. Ohne die Gewährung des Frauenwahlrechts bliebe eine scharfe Lücke auch in der sonst freiesten Verfassung. Das Interesse der Frauen und das der Gesamtgesellschaft lassen sich nicht voneinander lösen, wer das eine will, muß auch das andere wollen. Deshalb muß es die Auf gabe jeder einzelnen unter den Frauen sein, sich jetzt an dem Kampf um ihre eigenen Rechte mit vollem Einsatz ihrer Bersönlichkeit zu beteiligen und so zugleich den großen allgemeinen Freiheitskampf mit auszufämpfen. Wally Zepler.
Ein Neues will werden.
Unter dieser überschrift berichtet Regine Deutsch in der„ Staatsbürgerin" über die Verhandlungen des Reichstags über das Frauenstimmrecht( die„ Gleichheit" hat die Verhandlungen nach dem Stenogramm in Nr. 22 vom 3. August wiedergegeben) und tommt zu folgendem Ergebnis:
Man mag es vielleicht für zu optimistisch halten, aus dieser Reichstagsverhandlung günstige Folgerungen zu ziehen. Aber: liebe Leserinnen und Mitkämpferinnen, welche von uns hat denn auch in ihren fühnsten Träumen daran gedacht, daß der Reichstag am 6. Juli 1917 sich in seiner Mehrheit für Übertragung des Reichstagswahl rechts auf die Frauen aussprechen würde? Daß ein Neuling, eine kaum gewonnene junge Frau mir schreibt, es sei doch eine große Enttäuschung, daß den Frauen nun wieder nicht das Stimmrecht gewährt werde, fand ich reizend naiv, aber wir Alteren, seit langem
Ich hab' es mir zum Troft ersonnen In dieser Zeit der schweren Not, In dieser Blütezeit der Schufte, In dieser Zeit von Salz und Brot: Jch zage nicht, es muß sich wenden, Und heiter wird die Welt erstehn, Es kann der echte Keim des Lebens Nicht ohne Frucht verloren gehn. Der Klang von Frühlingsungewittern, Von dem wir schauernd sind erwacht, Von dem noch alle Wipfel rauschen, Er kommt noch einmal, über Nacht! Und durch den ganzen Himmel rollen Wird dieser letzte Donnerschlag; Dann wird es wirklich frühling werden Und hoher, heller, goldener Tag. Heil allen Menschen, die es hören! Und Heil dem Dichter, der dann lebt, Und aus dem offnen Schacht des Lebens Den Edelstein der Dichtung hebt!
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Nr. 25
Theodor Storm.
in der Bewegung Stehenden, wir wissen doch, daß man in keinem Lande den Frauen das politische Stimmrecht gegeben hat, bevor man ihnen nicht die Fesseln auf anderen Gebieten gelöst hat. Wir streben in verschiedenen Städten noch vergebens nach der gleichberechtigten Mitarbeit der Frau in der Gemeinde, wir müssen noch petitionieren um Zulassung der Frau zu den juristischen Schlußexamina, zu dem Amt als Schöffe usw, um nur einiges aus der Arbeit der allerlegten Zeit zu nennen und wir könnten es für möglich halten, daß man derartig benachteiligten Frauen urplötzlich das höchste staatsbürgerliche Recht: das Wahlrecht, und zwar gleid) das zum Reichstag gibt! Man mißverstehe mich nicht. Selbstverständlich müssen wir heute mehr als je unsere Forderung des politischen Stimmrechts aufstellen und sie mit allem Nachdruck vertreten, wo und wie wir nur fönnen; wir müssen an neue Wege denken, auf neue Mittel sinnen, um die uns zweifelnd Gegenüberstehenden für unsere Anschauungen zu gewinnen aber wir haben feinen Anlaß, enttäuscht zu sein, wenn die köstlichsten, begehrenswertesten Früchte nicht so schnell reifen. Der Weg zum Reichstagswahlrecht führt über das kommunale Wahlrecht, und dem sind wir nur in Preußen um einen bemerkenswerten Schritt nähergekommen, denn: ein Neues will werden.... Auch unter den Frauen, scheint es, will ein Neues werden. Wir begrüßen die konservativen Frauen, von denen uns Abgeordneter Mertin berichtet, daß sie sich für das Frauenstimmrecht ausgesprochen. Aus verschiedenen Berichten aus dem Reich entnehmen wir ferner, daß in den Bundesstaaten, in denen zurzeit Verfassungskämpfe stattfinden, Rednerinnen für das Frauenstimmrecht auftreten, die im vorigen Jahre noch die Forderung der staatsbürgerlichen Gleichberechtigung der Frau nicht zu vertreten willens waren; Vereine, die jahrzehntelang nur die soziale Arbeit kannten, entpuppen sich plötzlich als politische und begehren eine führende Rolle. Wir begrüßen dies als charakteristische, erfreu liche Zeichen der Zeit. Schreiberin dieses erinnert sich noch aus ihrer Jugend respektive Kinderzeit der liberalen Ara am Beginn der fiebziger Jahre. Damals, als Bismard mit den Nationalliberalen regierte, da galt es als, modern' und vornehm', liberal zu sein. Das kann eher traurig als freudig stimmen. Denn sicherlich ist es schmerzlich, Menschen eine politische Überzeug wechseln zu sehen, je nach dem Winde, der weht. Nehmen wir zur Ehre mancher sich scheinbar Wandelnden an, daß ihre innere überzeugung nun zur freien Entfaltung kommt, und nur unterdrückt worden ist in Zeiten der Reaktion, wie wir sie bisher erlebt haben. Diese Neigung zur schnellen Wandlung im Bürgertum- man tann den Konservativen die Anerkennung nicht versagen, daß sie streng an ihrer Überzeugung festhalten zeigt aber auch, daß die Regierung, die ernstlich ein Neues schaffen will, Männer und Frauen finden wird, die sich ihr zur Verfügung stellen. Die Frauen scheinen eine besonders feine Witterung zu haben, sie wittern das erste zarte Morgenrot der Freiheit auch für sie."