Nr. 1
Die Gleichheit
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Frau, In wirksamer Weise setzte sie den Anwesenden auseinander, wie groß die Zahl der erwerbstätigen Frauen heute sei und welch hohe Bedeutung die Frau in unserem volkswirtschaftlichen Leben habe. Nicht nur die Privatindustrie, auch der Staat und die Ge­meinde könnten ohne die Frauen nicht mehr auskommen. Diese er­höhte volkswirtschaftliche Bedeutung müsse den Frauen aber auch zum Bewußtsein kommen. Sie müßten ihre Gegenrechnung auf­machen und mehr Recht und Einfluß im öffentlichen und politischen Leben fordern. Im Kriege wäre das deutsche Wirtschaftsleben schon längst zusammengebrochen, wenn nicht die Frauen den Platz des Mannes in der Industrie und im öffentlichen Dienste eingenommen hätten. Die Drangsale des Krieges, die ganz besonders durch Teue­rung und Lebensmittelknappheit in die Erscheinung treten und unter denen vor allem die Frauen furchtbar zu leiden hätten, dürften nicht Mutlosigkeit in den Frauenherzen hervorrufen. Vielmehr müsse sich das öffentliche Gewissen der Frau schärfen. Sie darf sich durch die Not der Zeit nicht unterkriegen lassen, sondern muß innerlich wachsen und zur Kämpferin werden. Auch die seelischen Konflikte, in die die Frau dadurch gerät, daß sie den Mann oder den Sohn im Felde weiß und um dessen Leben bangen muß, oder daß sie die Kinder vom frühen Morgen ab allein zu Hause lassen muß, dürften die Frauen nicht niederdrücken. Ihre Selbständigkeit als zeitweilige Vertreterin des Mannes muß sie auch zum selbständigen Denken und Handeln anregen. Diese Selbständigkeit muß planmäßig organi­siert werden, um sozial fruchtbar wirken zu können. Die Trägerin dieses organisierten Zusammenwirkens ist die sozialdemokratische Partei, der sich die Frauen auch ganz besonders deshalb anschließen sollten, weil sie mit Eifer und Erfolg nach einem recht baldigen Frieden strebt. Deshalb müßten auch die Chemnitzer Arbeiterfrauen hinein in die sozialdemokratische Parteiorganisation. Dort können sie wirken zum Segen ihres Geschlechts, des Volkes und der ganzen Arbeiterklasse. In wirksamen Ausführungen berichteten sodann noch Genosse Fellisch und Genossin Helene Wagner über das rührige und erfolgreiche Wirken der Chemnitzer   Arbeitervertreter im städtischen Ernährungswesen. Die Frauen wüßten nur nicht, welche ausopfernde stille und fruchtbringende Arbeit von den Parteivertretern in den städtischen Ausschüssen geleistet würde, sonst würden sie nicht so gleichgültig der Parteibewegung am Orte gegenüberstehen. In Zu­kunft müsse die Chemnitzer Arbeiterfrau ihre Mutlosigkeit wieder aufgeben, sich vertrauensvoll der sozialdemokratischen Partei an­schließen und stets bereit sein, den Platz ihres Mannes in der
Schlummerzeit. Es ist nun der Herbst gekommen, Hat das schöne Sommerkleid Von den Feldern weggenommen Und die Blätter ausgestreut, Vor dem bösen Winterwinde Deckt er warm und sachte zu Mit dem bunten Laub die Gründe Die st-on müde gehn zur Ruh. Durch die Felder sieht man fahren Eine wunderschöne Frau, Und von ihren langen Haaren Goldne Fäden auf der Au Spinnet sie und singt im Gehen: Eia, meine Bliimelein, Nicht nach ander:» immer sehen, Eia, schlafet, schlafet ein! Und die Vvglein hoch in Lüften Über blaue Berg und Seen Ziehn zur Ferne nach den Klüften, Wo die hohen Zedern stehn, Wo mit ihren goldnen Schwingen Auf des Benedeiten Gruft Engel Hosianna singen Nächtens durch die stille Luft. Jos. v. Cich-ndorff. -»- Die Frauenfrage" von Lily Braun  . Von Anna BloS.  (Schluß.) Die Entwicklung der proletarischen Arbeit im neunzehnten Jahr­hundert ist zugleich die Geschichte der Maschine.«Sie war es, die wie ein Hexenmeister durch ihre eintönig rasselnde Rede und ihren feuersprühenden Atem jene dunklen, endlosen Scharen bleicher
Parteiorganisation jetzt genau so auszufüllen, wie sie das in der schweren Fron der Arbeit in der Fabrik schon lange tun muß. Ver­trauen zur Partei, ihren Führern und Vertretern sind die notwen­digen Vorbedingungen zum guten Erfolg. Dieses Vertrauen hat sich die Partei verdient. Das sollten die Chemnitzer Arbeiterfrauen stets bedenken und daher mit zu uns kommen, um mit uns zu wirken und zu kämpfen. Genossin Schilling aus Döbeln   fand treffliche Worte, um die anwesenden Frauen aufzufordern, die FrauenzeitungGleichheit" zu lesen. Möchte diese Versammlung zu neuer mutiger Parteiarbeit der Chemnitzer   Arbeiterfrauen ein wirksamer Auftakt gewesen sein. Aus Schlesien.  (Von der Agitation.) In Neustadt  (Ober­ schlesien  ) und Deutsch-Rasselwitz haben seit anderthalb Jahren zum erstenmal wieder öffentliche Frauenversammlungen stattgefun­den. Genossin Berta La watsch-Breslau sprach über das Thema: Die Aufgaben der Frauen während des Krieges und nachher". Die Versammlung in Deutsch-Rasselwitz war sehr gut besucht. Dort war vor dem Kriege noch keine Frauenbewegung vor­handen, erst seit kurzer Zeit haben die Frauen in Deutsch-Rasselwitz eingesehen, daß es auch für sie eine Pflicht ist, sich ums politische Leben mehr zu kümmern. In Neustadt hat schon vor dem Kriege eine sehr gute Frauenbewegung bestanden, leider ist sie während des Krieges zurückgegangen. Die Ursache liegt Wohl darin, daß hier die Parole ausgegeben war, Frauen brauchten während des Krieges Beiträge nicht zu zahlen. Dadurch hatten die Frauen die Fühlung untereinander verloren. Die Männer sind zumeist im Felde, niemand hat sich um die Daheimgebliebenen gekümmert, durch die täglichen Sorgen sind sie abgestumpft, gleichgültig und verbittert worden. Es steht aber zu hoffen, daß in kurzer Zeit die Frauenbewegung wieder aufleben wird und unsere Genossinnen mit Arbeitsfreudigkeit ihre Pflichten der Frauenbewegung gegenüber erfüllen. In ihrer einstündigen Rede zeichnete Genossin Lawatsch ein Bild der mannigfachen neuen Aufgaben der Frauen. Sie verwies darauf, daß hunderttausende Frauen Schmerz, Sorge und Leid ertragen müßten, weil Gatten, Väter, Söhne und Brüder im Felde stehen und allen Gefahren des Krieges preisgegeben sind. Sie schilderte die Schwierigkeiten auf dem Lebensmittelmarkt, sprach über das karge Einkommen der Arbeiterin und besonders der Kriegerfrauen und erörterte eingehend die Frauenarbeit. Der Krieg mache die Frauen zwar selbständiger, aber gar häufig fehle ihnen der Einblick ins öffentliche Leben. Darum haben die Frauen die Pflicht, nach geistiger Nahrung und nach Aufklärung zu trachten, darum müssen
Frauen aus ihren stillen Heimstätten herauslockte und in ihre Dienste nahm." Die Maschine wählt die in der Form verkörperte billigste Arbeitskraft. Die Verfasserin weist glänzend nach, wie die Maschine das Volk abhängig macht von ihren Besitzern, wie sie die Menschen aus dem eigenen Haus, der eigenen Werkstatt herausreißen und wie sie die Frauen in ihren Dienst zogen, weil sie ungelernte Arbeits­kräfte brauchten und die billigsten die willkommensten waren. Ver­geblich war der Kampf der Arbeiter zunächst gegen die Maschinen, dann gegen die Frauenarbeit. Die Frauen suchten die Männer zu besiegen nicht durch bessere Leistungen, sondern durch geringere An­sprüche. Erschütternd ist die Schilderung des Weges, den die Ar­beiterinnen im neunzehnten Jahrhundert gehen mußten. Von der Arbeit erhofften sie Erlösung, Nahrung, Obdach, Kleidung für sich und ihre Kinder.Was hatten sie erreicht? Kaum ein Dach über dem Haupt, kaum ein Kleid auf den Leib, kaum das Nötigste, den Hunger zu stillen, und die drohenden Gespenster-- Not und Schande rastlos auf ihren Fersen." In der Statistik der proletarischen Frauen­arbeit ist festgestellt, daß etwa drei Viertel aller erwerbstätigen Frauen Arbeiterinnen sind. Nur das übrigbleibende Viertel kam in der Frauenbewegung zu Wort, ein Beweis für die traurige Lage der Arbeiterinnen, denen die Not den Mund verschloß. Ein Ver­gleich dieser Statistiken mit denen, die heute einen Überblick über die Erwerbsarbeit geben, zeigt, welch ungeheure Veränderungen hier vor sich gegangen sind. Hier hätte die Umarbeitung einzusetzen. Festhalten aber muß man an dem schönen klaren Stil Lily Brauns, der selbst das trockene Zahlenmaterial auch dem Laien verstündlich und interessant»nacht. Als die Arbeiterinnen sich aber den Platz in Werkstatt und Fabrik erobert hatten, fanden sie sich zum gemeinschaftlichen Kampf un» Verbesserung ihrer Lage mit ihren Arbeitsgenossen in den Organi­sationen der politischen Partei, der Gewerkschaften und der Genossen­schaften.Der deutschen Arbeiterinnenbewegung gebührt der Ruhm, sich zuerst und mit aller Entschiedenheit der Sozialdemokratie an­geschlossen zu haben," Die ersten Arbeiterinnenvereine entstanden Anfang der siebziger Jahre. Ihre Forderungen wurden im Jahr 1877 von der sozialdemokratischen Fraktton im Reichstag eingebracht. Sie