Nr. 3
A. g. XIII
28. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen
Mit der Beilage: Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
Das Ergebnis des Parteitags. Ruhiger als wir es aus der Zeit vor dem Kriege gewöhnt waren, ist der Würzburger Parteitag verlaufen. Spannende Auseinandersetzungen von dramatischer Wucht und Kraft hat es nicht gegeben. Die vorhandenen Meinungsverschieden heiten wurden ruhig und sachlich ausgetragen. Die Abstim mungsergebnisse zeigten durchweg eine weitgehende übereinstimmung des Parteitags in allen wichtigen und entscheidenden Fragen.
Wer in diesem Verlauf des Parteitags einen Mangel an innerer Beweglichkeit sieht, wer ihn gar als einen Rückschritt gegen die früheren Zeiten beklagt, täuscht sich über die Ursachen dieser Ruhe. Nicht fehlt es der Partei an der wohl tätigen inneren Reibung, die notwendig ist, wenn das Parteileben nicht erschlaffen soll, im Gegenteil, auch in den Reihen der Mehrheitspartei gibt es zahlreiche und starke Meinungsverschiedenheiten und Gegensäße. Lensch und David und Scheidemann stimmen weder im ganzen noch im einzelnen völlig miteinander überein, von Hoch und Brandes ganz abgesehen. Aber es ist jetzt nicht die Zeit, diese Gegensäße auszutragen. Es liegt auch kein Bedürfnis dafür vor. Viel wich tiger als das, worüber sich die Mehrheitsanhänger zurzeit noch nicht einig sind, worüber sie sich aber später, zu gelegener Zeit, in aller Ruhe und Klarheit auseinanderseßen werden, ist das, worin sie sich alle gemeinsam zusammenfinden: ist die übereinstimmung in der Erkenntnis, daß zurzeit das vornehmste Gebot die Verteidigung des eigenen Landes ist. Ebenso fest werden sie außerdem zusammengehalten durch den entschlossenen Willen, in dem neuen Deutschland , das aus diesem Kriege hervorgehen wird, die Bahn freizumachen für die Selbstbestimmung des Volkes, für die Demokratie und für einen Sozialismus der Tat. Gerade diese erfreuliche Einigkeit des Parteitags in den wichtigsten Fragen der heutigen Politik vermochte ihm auch die selbstsichere Ruhe zu verleihen, von der er von Anfang bis zum Ende getragen wurde. Vor der Spaltung der Partei wäre das nicht möglich gewesen. Die ehemaligen Genossen, die sich zur, unabhängigen" sozialistischen Partei zusammengefunden haben, stellten gerade diese beiden Hauptelemente der Mehrheitspolitik in Frage. Die Verteidigung des Landes anerkennen sie günstigstenfalls theoretisch, durch ihr politi sches Handeln wird sie aber auf das schlimmste gefährdet. An ein neues Deutschland , in dem die Arbeiterklasse mit neuen politischen Mitteln, vor allen Dingen mit dem Mute der Verantwortlichkeit praktisch und positiv mitzuarbeiten hat, glauben sie nicht, es ist ihnen nur ein Gegenstand spöttischen Zweifels und zweifelnden Hohnes. Diese Gegensätzlichkeit in den Grundauffassungen gab den Parteiauseinandersetzungen bis zur Spaltung die unerträgliche Bitterkeit, die persönlich verlegende Schärfe. Man sprach in zwei verschiedenen Sprachen, man verstand sich nicht.
Solange aber diese Tatsachen bestehen bleiben, so lange hat auch eine Wiedervereinigung der beiden feindlichen Teile
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keinen Wert. Der Parteitag hat sich bei den Debatten zum Vorstandsbericht fast ausschließlich mit den Anträgen beschäftigt, die die Anbahnung von Friedensverhandlungen mit den unabhängigen wollten. Ganz abgesehen davon, daß es für unsere Partei nicht leicht ist, den ersten Schritt zu tun, nachdem es doch die anderen waren, die sich von ihr getrennt hatten und die seit der Trennung kaum eine andere politische Tätigkeit als die wilde Bekämpfung ihrer einstigen Kampfgenossen ausgeübt haben, welche Wirkung würde die Wiedervereinigung in diesem Zeitpunkt haben? Keine andere, als daß die Partei wieder aufs neue in die unfruchtbaren, persönlich verbitternden inneren Auseinandersetzungen hineingeworfen werden würde. Jede einzelne Frage würde wieder lediglich nach dem alten Schema erörtert werden, jede neue Auffassung und Durcharbeitung, wie sie die Zeit verlangt, würde erschwert und vielmals geradezu unmöglich werden. Wohl ist es zu verstehen, wenn aus Gründen des Gefühls die Wiedervereinigung versucht wird. Aber die Politik hat es mit harten Tatsachen zu tun und darf dem Gefühl nur einen bescheidenen Einfluß auf ihre Entscheidungen einräumen. Der Parteitag hat deshalb richtig gehandelt, wenn er zwar an sich in der Einheit der Arbeiterbewegung das schöne, erstrebenswerte Ziel sah, aber die Einheit doch nur für möglich erklärte, wenn sich die Minderheit in ihrem Handeln den Beschlüssen der Mehrheit unterordnet. Gegen dieses Grundgesetz demokratischen Handelns hat die Minderheit verstoßen. Möge sie sich vorbehaltlos zu ihm bekennen, so wird sie der Mehrheit wieder willkommen sein.
War der eine Hauptteil der Verhandlungen des Parteitags mehr dem kritischen Rückblick auf die Tätigkeit der Partei während des Krieges gewidmet, so stand der zweite Teil im Dienste der Zukunft und ihrer mannigfaltigen Aufgaben. Es liegt in der Natur der Sache, daß eine vorwärtsschauende Betrachtung von vornherein im Vorteil ist gegenüber einem Blick in die Vergangenheit. Die Zukunft liegt voller Hoffnungen vor uns, ihr Ruf lockt den gesunden und tatenfrohen Menschen zur Arbeit und zum Kampfe. Das zeigte sich auch in Würzburg . Durch vier große Referate waren die wichtigsten politischen Aufgaben der Zukunft schon vorher in ihren Hauptlinien abgesteckt worden. Auf dem Parteitag selber hatte Genosse Scheidemann die dankbare Aufgabe zu erfüllen, in zusammenfassender Weise das Bekenntnis der Partei zur bereitwilligen Mitarbeit bei der Lösung dieser Aufgaben auszusprechen. Scheidemann hat seine Aufgabe in glänzender Weise gelöst. Er verstand es meisterlich, in knapper Form und doch in klarer, unzweideutiger Weise die neue Taktik der sozialdemokratischen Partei zu entwickeln. Nicht nur in der Kritik wie bisher wird sie ihre Hauptarbeit erblicken, sondern im positiven Mitschaffen. Dabei wird sie auch nicht davor zurückschrecken, überall dort die Verantwortung zu übernehmen, wo sie es für geboten erachtet. Aber auch darüber ließ Scheidemann keinen Zweifel, daß die deutsche Sozialdemokratie nach wie vor eine Kampfpartei