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Die Gleichheit

auch in Wien   geleistet wurde, hat vieles deutlich werden lassen, das noch lange nicht Gemeingut des internationalen Proletariats ist. Deshalb erscheint es uns wichtig, übersichtlich zusammenzustellen, was praktische Arbeit und theoretische Erkenntnis uns gelehrt haben, wie die Wege und Ziele immer deutlicher werden, je mehr uns die eigene Entwicklung der Kinderfreunde' vorwärtstreibt. Das kann um so leichter geschehen, als bei der Schaffung der Reichsorganisation, die erst vor einigen Wochen stattgefunden hat, eine Reihe von sehr wichtigen Grundsägen aufgestellt wurde, die uns strenge von den bürgerlichen Fürsorgeeinrichtungen scheiden und die proletarische Organisation verförpern.

Unser Reichsstatut legt vor allem fest, daß die Kinderfreunde ein nicht politischer Verein sind. Wir wollen nicht Politik treiben, aber wir wollen doch eine sozialistische Erziehungsorganisation schaffen. Ein scheinbarer Widerspruch, auf den die Gegner sich vor dem Krieg gern gestürzt haben und den sie nach dem Krieg wieder finden wer­den, aber durchaus nicht ein Widerspruch an sich. Der Sozialismus ist nicht nur eine Weltanschauung, die ihren Ausdruck auch in der Ar­beit einer politischen Partei findet, sondern die auch Grundlage einer neuen Welt sein soll. Deshalb aber muß nicht alles, was sozialistisch ist, auch politisch sein. Wenn wir das Wesen einer sozialistischen   Er­ziehungsorganisation festlegen wollen, dann müssen wir erforschen, welche geistig sittlichen Grundlagen in der sozialistischen   Weltan­schauung vor allem verkörpert sind. Wir finden da vor allem zwei fundamentale Gedanken, den der Demokratie und den der Soli­darität. Die Freiheit und die Gleichheit sind die Fundamente, auf denen die Wirtschaftsorganisation, die politischen Rechtsverhältnisse und die Ethik des Sozialismus aufgebaut werden. Deshalb müssen sie auch die Fundamente der sozialistischen   Erziehung sein. Im Gegensatz zur bürgerlichen Erziehung, die noch immer eine Erziehung zum Gehorsam, eine Erziehung zur Dienstbarkeit gegen Autoritäten ist, soll unsere Erziehung vor allem auch im Reich der Kinder die Freiheit und Gleichheit schaffen.

Man hat in den sozialistischen   Sonntagsschulen Englands und der Schweiz   versucht, eine Morallehre aufzuerbauen, die mir voll­ständig verfehlt erscheint. Man ist nicht gut, weil man gut sein will und uns dieser Wille gepredigt wird, man wird gut, wenn man in einer Gemeinschaft leben kann, wo man dieses Gute zu üben vermag. Gewohnheit und Beispiel sind die Erziehungsmethoden, die allein zur Freiheit und Gleichheit führen können. Nun kann nicht geleugnet werden, daß uns die wissenschaftliche Erziehungslehre aller modernen Pädagogen die Wege praktisch und theoretisch geebnet hat.

eine Gruppe, die die Fläche einer antifen griechischen Kanne geziert haben könnte. Ich halte den Atem an, als ob ich fürchtete, daß bei der geringsten Bewegung die Schönheit vergehen könnte und es wieder Menschen würden, die leben.

Sie springt auf, faßt ihn bei den Schultern, schaut ihm in die Augen, drückt und küßt ihn. Die plötzliche Aufwallung des stür­mischen Mädchengemüts war fast so schön oder noch schöner denn die plastische Tanagra.

Der Bursche ist überrascht. Ich denke unwillkürlich, daß er sich wehren, ihr in die Arme greifen und sie wie ein Federbüschelchen emporheben wird. Aber er schickt sich an zum Fortseyen der Arbeit. Das Mädchen gesellt sich willig an seine Seite und so nehmen sie ihren Weg hin und her wieder auf.

Meine Andacht bleibt fortan bei diesem Paar, das ich keinen Augenblick aus dem Gesicht verliere. Die Besonderheiten des Ge­wölts am Himmel, die Schönheiten des Sommermorgens entgehen mir, oder besser, es wirkt alles mit: es ist die schmüdende Verzie= rung, der Hintergrund, die umgebende Atmosphäre zu dem Glüc der Jugend, das da ausstrahlt in freiem, unbeobachtetem Tun. Das alles in der Bracht des neugeborenen Tages, der den Raum um­zaubert zu einem Paradies.

Die Rolle hält wieder einmal still und das schwärmende Mädchen wiederholt sein Spiel. Es neckt den großen Burschen, zerrt ihn an den Beinen, reckt sich vor ihm auf und bläßt ihm ins Gesicht. Er bleibt noch immer ruhig, die Hände am Querstock, unnahbar für die Schäferei des übermütigen Kindes.

Was es von ihm will und was er ihr anhaltend verweigert, kann ich nicht erraten. Das Gebärdenspiel ist jedoch so deutlich, daß ich am Profil ihrer Körper, an der Haltung und den Gebaren die Verschiedenheit dessen erkennen kann, was sie ausdrücken. Ich vermute zum andern, daß sie feine Worte zu finden vermögen und ohne solche einander ihre Gefühle mitteilen. Es ist zudem so still und der Luftring so rein, daß der Klang einer Stimme den Zauber stören würde.

Von der anderen Seite kommt eine bejahrte Frau, die auf einem angrenzenden Stück Land in den jungen Rüben arbeiten will.

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Sie alle aber sind immer und mußten immer scheitern, weil sie ihre rein ethisch gesehene und gewollte Erziehungsgemeinschaft in dem Klassenstaat und der Klassengesellschaft einrichten wollten. Anders ist es und kann es bei der Arbeiterschaft sein. Auch sie lebt im Klassenstaate und findet in ihrem Wollen seine Grenzen, aber sie fann doch innerhalb ihrer Organisationen diesen Klassenstaat über­winden und die soziale Gemeinschaft der Demokratie und der sozialen Gemeinschaft schaffen. Gewiß, auch hier nicht rein und ungehemmt, aber dennoch. Eine der größten Verantwortlichkeiten, die die Arbeiter­klasse belastet, ist es, daß sie nun wirklich die Gleichheit und die Freiheit erstrebe und das neue Reich schaffe.

Die sozialistische Erziehungsgemeinschaft wird nicht predigen, sie wird schaffen. Sie wird die Familie in ihrer alten Form aufleben lassen. Früher war die Familie die Stätte der Produktion und des Verbrauchs, hier wurde erzeugt, geschaffen und gemeinsam verteilt und verzehrt; in dieser Gemeinschaft fand das Kind alles, was es praktisch lernen und erfahren mußte. Heute ist diese Gemeinschaft aufgelöst. Die Familie ist zerfallen, sie ist nicht mehr als eine Schlaf­gemeinschaft, sie kann nicht Erziehungsorganisation sein, höchstens die Verbindung einzelner zum gemeinsamen Verbrauch. Die Schule, der andere Kontrahent, kann nicht Erziehungsorganisation sein, weil sie nur eine Lern-, aber keine Arbeitsgemeinschaft ist. Beides soll ersetzt und vervollkommnet werden durch die soziale Erziehungs­gemeinschaft, die nicht nur aus Büchern lernt, sondern aus der täg­lichen Arbeit schöpft. Diese Gemeinschaft soll aber auch die Arbeits­und Versorgungsgemeinschaft sein, die den Kindern nicht ein Stück­chen, sondern das volle Leben bringt. Auch hier haben bürgerliche Pädagogen vorgebaut, aber die Geschlossenheit zwischen Weltan­schauung und Erziehung, die kann auch hier allein der Sozialismus bringen. ( Schluß folgt.)

Aus unserer Bewegung

-tz. Berlin  . Für den sechsten Reichstagswahlkreis fand am Montag den 15. Oktober eine gutbesuchte Frauenversammlung statt. Genossin Martha Hoppe führte den Genossinnen vor Augen, wie ungeheuerlich während des Krieges die Lasten und Pflichten der Frauen gewachsen seien. Viele Winten Frauen müßten mit schier übermenschlicher Anstrengung ein Maß von Arbeit verrichten wie es vor dem Kriege nicht den Männern zugemutet worden sei. Da wäre es nicht mehr wie recht und billig, daß man den Frauen auch die gleichen Rechte wie den Männern gebe. Unsere eindringlichste

Nun ist das Spiel aus. Der Junge und das Mädchen scheinen sich vor der Alten in Acht zu nehmen, die mit gebeugtem Rücken und den Körper gegen den Boden gerichtet, ihrer Beschäftigung nachgeht. Doch jedesmal, wenn sie an ihr vorbei sind, erneuert das Mädchen seine Schälerei und will die Rolle anhalten; aber der Junge drängt vorwärts. Die alte Frau scheint nichts zu argwöhnen. Was ihr auffallen könnte, wäre höchstens, daß der Junge und das Mädchen viel dichter nebeneinander gehen als nötig ist, so daß sie einander im Gehen hindern. Aber von einem Jungen und einem Mädchen ist dergleichen erklärlich. Das bessert sich wohl mit der Zeit.

Die Sonne schien mir schon lange ins Gesicht, während ich noch immer hinausschaute. Doch mit dem Aufkommen des vollen Lichts war der Reiz dahin. Ich sah nichts als gewöhnliche Arbeiter, und was hier vor mir in dem jungfräulichen Morgen sich ereignete, tommt mir jegt bereits so schemenhaft vor wie ein Traum....

Nachmittags ging ich auf den Dorfplatz, um einen Trupp Jüng­linge, die sich als Freiwillige gemeldet hatten, abziehen zu sehen. Um sie herum standen Verwandte und Freunde, Abschied zu nehmen. Augenblicklich erkenne ich unter ihnen das Mädchen von heute morgen. Ihr Gesicht ist hochrot, ihre Augen strahlen und bleiben auf die Gestalt des jungen Burschen gerichtet, den sie in der Frühe des Morgens gefüßt.

Jetzt in der Menge hält sie sich zurück, denn niemand soll wissen, was sie miteinander ausgemacht haben. Erst als die Jünglinge int Abziehen um die Ecke der Straße verschwinden, geht das Mädchen mit den Nachbarn wieder heimwärts. Heimlich trocknet es mit dem Schürzenzipfel die Tränen aus den Augen und versucht zu lächeln. In seinem sehnig- geschmeidigen Gang erkenne ich die zurückgehaltene Kraft des warmblütigen Körpers.

Vor Tag und Tau hatte der Bursche noch seine Arbeit verrichten wollen, bevor er auszog. Und sie, die davon wußte, war gekommen, ihm zu helfen.

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Womit sie ihn geneckt oder was sie von ihn erbeten oder von ihm wollte das mag der Dichter erklären, der diesen Stoff zu einer Novelle umwandeln will. Ich gebe mich zufrieden und bin glücklich mit dem, was ich geschaut!