Nr. 3

Die Gleichheit

Forderung müßte sein: das gleiche Wahlrecht in allen Korporationen, in Staat und Gemeinde. Der Krieg hätte endgültig mit der Phrase aufgeräumt, die Frauen seien politisch unreif. Um uns die politische Gleichberechtigung zu erkämpfen, sei es jedoch unbedingt notwendig, daß die Frauen sich fest um ihre Organisation scharen und ihr immer mehr neue Anhängerinnen zuführen. Nur wenn wir starf und einig sind, können wir etwas erreichen.

Zum zweiten Punkt der Tagesordnung, einer Aussprache über Agitation, richtete die Vertreterin des sechsten Kreises, Genossin Helene Schmig, einen warmen Appell an die Genossinnen, nun­mehr mit frischem Mut an die Arbeit zu gehen und das zugesandte Agitationsmaterial recht fleißig zum Werben neuer Mitglieder und Gleichheitleserinnen zu benutzen. Der Monat Oktober müßte ein großer Erfolg werden, aber auch darüber hinaus müßten wir immer und überall werben und tätig sein. Es sollten von nun an wieder regelmäßig Frauenabende in verschiedenen Bezirken stattfinden. Eine Anzahl Gleichheitleserinnen wurden gewonnen und ebenso neue Ge­nossinnen für den Wahlverein.

P.N. Hamburg.( Neues Leben!) In der Presse der Unabhängigen wird es immer so dargestellt, als ob die sozialdemokratische Partei in Hamburg   nur noch aus den Angestellten der Partei und Gewerk­schaften bestünde und die Mitglieder in Massen aus der Partei aus­träten, weil sie mit der Haltung der sozialdemokratischen Reichstags­fraktion nicht einverstanden seien. Auch die breite Masse des Volkes wendete sich von der Partei ab, so daß Hamburg  , die alte Hochburg der Sozialdemokratie, fein stolzer, fester Bau, sondern nur noch eine alte Ruine sei. Einige Ereignisse in der letzten Zeit haben gezeigt, was an diesen Redensarten richtig ist.

Ant 10. Oktober fand hier im Sagebielschen Etablissement, dem größten Saale Deutschlands  , eine Riesenversammlung statt. Trotzdem die Versammlung um 8 Uhr erst ihren Anfang nehmen sollte, mußten schon um ½½ 8 Uhr die Saaltüren geschlossen werden. Tausende von Männern und Frauen fanden keinen Einlaß mehr, sondern standen in dichten Gruppen in den zum Versammlungslokal führenden Straßen. Das Referat des Reichstagsabgeordneten Ge­nossen H. Müller- Berlin  : Für Frieden und Freiheit", das sich mit den Treibereien der Alldeutschen   und der Vaterlandspartei gegen die Mehrheitsresolution des Reichstags befaßte, fand stür­mischen Beifall. Und als ein ganz besonders erfreuliches Zeichen mag berichtet werden, daß recht viele Frauen der Versammlung beiwohnten.

Die Liebe wintert nicht.

Feldeinwärts flog ein Vögelein Und sang im muntern Sonnenschein Mit füßem, wunderbarem Ton:

,, Ade, ich fliege nun davon,

Weit, weit

Reis' ich noch heut!"

Ich horchte auf den Feldgesang,

Mir ward so wohl und doch so bang: Mit frohem Schmerz, mit trüber Lust Stieg wechselnd bald und sank die Brust; Her, Herz!

Brichst du vor Wonne oder Schmerz?

Doch als ich Blätter fallen sah,

Da sagt ich: Ach, der Herbst ist da, Der Sommergast, die Schwalbe zieht, Vielleicht so Lieb und Sehnsucht flieht Weit, weit,

Rasch mit der Zeit."

Doch rückwärts kam der Sonnenschein,

Dicht zu mir drauf das Vögelein,

Es sah mein tränend Angesicht

Und sang: Die Liebe wintert nicht, Nein! Nein!

Ist und bleibt Frühlingsschein."

Ludwig Tieck  .

Die Stellung der Frauen im Zeitalter

der Reformation.

Von Anna Bles.

Vielfach wird die Behauptung aufgestellt, daß durch das Christen­tum die Stellung der Frau innerhalb der menschlichen Gesellschaft gehoben worden sei. Aber eine Frauenemanzipation im modernen

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Am andern Tage, den 11. Oktober, hatte die Leitung der sozial­demokratischen Partei eine öffentliche Frauenversammlung nach dem Gewerkschaftshause einberufen. Kleinmütige befürchteten, daß zufolge der tags zuvor stattgefundenen Riesenversammlung die Frauenversammlung schlecht besucht sein würde. Doch das Gegenteil war der Fall. Eine solch zahlreich besuchte Frauenversamm­Tung hat Hamburg   seit langen Jahren nicht mehr gesehen. Der Musitsaal im Gewerkschaftshause war überfüllt. Leider mußten viele Frauen, da sie nicht einmal mehr einen Stehplay finden konn­ten, wieder umkehren. Mindestens 800 Frauen und Mädchen saßen und standen dichtgedrängt im Saal und lauschten mit gespanntester Aufmerksamkeit den ruhigen, Ilaren und fachlichen Ausführungen der Genossin Juchacz Berlin  , die über Kriegszeit, Frauen pflicht, Frauenrecht" sprach. Eine im Anschluß an das Referat gleich im Saale vorgenommene Mitgliederwerbung zeitigte das er­freuliche Resultat, daß sich sofort 200 Frauen und Mädchen in die Partei aufnehmen ließen. Und mit aller Sicherheit steht zu erwarten, daß in der nächsten Zeit die Mitgliederzahl sich noch ver­mehren wird.

In der Diskussion ergriff zunächst Genossin Helma Steinbach  das Wort, die in ausdrucksvoller Weise auf den Wahnsinn des Krieges hinwies, der in der christlichen Gesellschaft möglich sei. Als zweiter Redner trat ein junger Mann auf, der sich bitter darüber beklagte, daß die Referentin nicht das Mittel angegeben habe, wie der Krieg zu beenden sei. Auf den Zwischenruf, ob er denn dazu in der Lage sei, empfahl er den internationalen Massenstreik. Als er dann eine in diesem Sinne gehaltene Resolution verlesen wollte, wurde ihm von dem überwachenden Polizeibeamten das Wort entzogen. Nachdem seine Personalien festgestellt worden waren, wäre für den erfahrenen Massenstreifler die Sache vorbei gewesen. Das lag aber wohl nicht ganz in seiner Absicht. Von der Bühne aus sprang er mit Hallo in den dichtgedrängten Saal und bahnte fich einen Weg ins Freie. Durch dies Vorkommunis wurde die Versammlung leider für kurze Zeit gestört. Genossin Juchacz   verschaffte sich aber doch recht bald wieder die nötige Aufmerksamkeit und wies mit einigen Worten die unsinnigen Ausführungen des jungen Mannes zurück. Nach einem zündenden Appell, sich der Organisation anzuschließen und ihr treu zu bleiben, das Parteiblatt und die Gleichheit" zu abonnieren, schloß die Vorsitzende, Genossin Johanna Reize, die Versammlung.

Mit dem Ergebnis dieser Versammlung kann die Parteileitung in Hamburg   recht zufrieden sein.

Sinne war dem ursprünglichen Christentum ebenso fremd wie die Emanzipation der Sklaven. Solange das Christentum in seiner Urform eine Religion der Mühseligen und Beladenen war, ström­ten ihm freilich die Frauen in Menge zu, denn es verhieß ihnen den Trost und die Hoffnung, die es allen Unterdrückten brachte, daß das Himmelreich sie entschädigen sollte für alle Unbill, die sie auf Erden ertragen mußten. Der Apostel Paulus, der erklärte, daß cs vor Gott   weder Juden noch Christen, weder Knechte noch Freie, weder Mann noch Weib gäbe, wies dem Weib seine Stellung in der menschlichen Gesellschaft an durch den Satz:" Das Weib schweige in der Gemeinde

Als aber das Christentum aus einer heimlichen, verfolgten Re­ligion der Armen und Unterdrückten zur Staatsreligion wurde, da galt auch vor Gott   das Weib nicht mehr dem Manne gleich. Durch das Weib war die Sünde in die Welt gekommen, und die Lehre der Kirchenväter:" Das Weib ist nicht nach dem Bilde Gottes ge­schaffen. Adam ist durch Eva verführt worden und nicht Eva durch Adam" wurde im Kanonischen Recht zum Gesez erhoben. Während die heidnischen Germanen für ein verletztes Weib ein höheres Wehrgeld verlangten als für einen verletzten Mann, während bei ihnen der Mörder einer Frau ein zweimal höheres Wehrgeld lei= sten mußte als der Mörder eines Mannes, galt das Leben eines Weibes nach dem ersten Gesetzbuch, das durch die römische Kirche einem germanischen Volke gegeben wurde, nur halb soviel als das des Mannes, denn ihrem Mörder wurde nur die halbe Buße auf­erlegt. Die Germanen ehrten in jedem Weibe die Mutter. In den Evangelien spielt die Mutter Jesu   nur eine ganz untergeordnete Rolle.

Der Madonnenfultus ist eine Konzession an die Verehrung, die das mütterliche Prinzip bei den Germanen genoß, eine der vielen Konzessionen, die die römische Kirche dem germanischen Götter­glauben machte, um die Einführung des Christentums zu ermög­lichen. Die Kirche übernahm die heidnischen Feste, die heidnischen Gebräuche, und die Vermischung von heidnischer und christlicher Religion hatte zur Folge, daß heidnische Götter als Heilige ver­ehrt wurden. Im übrigen wurden alle Vorschriften und Anschau­