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Die Stillprämie.

Die Gleichheit

Die Reichswochenhilfe tennt als eine der hauptsächlichsten Leistungen die Gewährung von Stillgeld. Alle Wöchnerinnen, die Anspruch auf die Wochenhilfe bejizen, haben, solange sie ihre Neugeborenen stillen, ein Stillgeld in Höhe von einer halben Mark täglich, einschließlich der Sonn- und Feiertage, bis zum Ablauf der zwölften Woche nach der Niederkunft zu erhalten. Der Zweck der Einrichtung ist, das Selbststillen der Säuglinge nach Möglichkeit zu fördern, da die Mutterbrust die beste Nahrung für diese ist. Die Durchführung der Reichswochenhilfe ist in der Hauptsache den Krankenkassen übertragen, die zu dem Zwecke manche bemerkenswerte Einrichtung getroffen haben. In Hamburg   haben die Ortskrankenkassen für das Beklei= dungsgewerbe und der Buchdrucker eine Säuglingspflegerin angestellt, welche die von der Kasse unterstützten Wöchnerinnen regel­mäßig besucht und ihnen helfend zur Seite steht. Die Ortskranken­tasse Straßburg hat ebenfalls eine Hebamme als Stillrevisorin" angestellt. Sie übte im Jahre 1915 rund 2200 Stillbesuche" aus. Infolge der Abnahme der Geburten verminderten sich diese Besuche im Jahre 1916 auf 1904. In Hannover   haben die Krankenkassen zur Überwachung des Stillens drei Fürsorgeschwestern angestellt, die im Jahre 1916 rund 9800 Besuche ausübten. Die Ortskranken­tasse Remscheid   läßt durch eine Pflegefchwester regelmäßige Fest stellungen vornehmen, ob die einzelnen Mütter ihre Kinder auch zu stillen vermögen. In Apolda  , Gera   usw. bestehen ähnliche Ein­richtungen.

Viele Kassen stellen Erhebungen über die Wirkungen des Still­geldes an. In Berlin   versenden alle Krankenkassen an die unter­stützten Mütter ein Jahr nach der Geburt des Kindes einen Frage= bogen, auf dem Antwort über das Schicksal des Kindes verlangt wird. Die Allgemeine Ortsfrankenkasse stellte bei rund 6000 Ant­worten fest, daß von 100 Brustkindern 7,95 und von 100 Flaschen­findern 24,65 inzwischen verstorben sind. In Dresden   stillten 17 vom Hundert der Wöchnerinnen länger wie 12 Wochen bis zu einem Jahr, 1,4 vom Hundert noch länger. In Straßburg   wurden von 1000 Säuglingen nur rund 100 nicht gestillt. In einer Anzahl Fälle stillten die Mütter auf Kosten und zum Schaden ihrer eigenen Ge­sundheit lediglich der Stillprämie halber. In Aachen   stillten rund zwei Drittel der Wöchnerinnen über 20 bis 60 Wochen. Die Drts frankenkasse der Kaufleute in Breslau   stellte fest, daß von den Wöchnerinnen, die vorher in Berufsarbeit standen, 53 vom Hundert, von den anderen 77 vom Hundert selbst stillten. Ähnliche interes­

Sie mag keine Locken....

Die kleine Annemarie macht sich nichts aus Locken.... Weil sie nämlich keine hat. Dafür aber trägt sie ihr glattes Haar in Zöpfen, in zwei schönen, braunen Zöpfen, denen man allerdings manchmal nicht mehr ansieht, daß es Böpfe find. Diese Zöpfe hängen rechts und links herunter und sind mit je einem unsichtbaren Faden hochgebunden, so daß sie wie zwei dünne Leberwürste vor den Ohren baumeln. Was wirklich recht lustig aussieht.

Und rechts und links spreizt sich eine schöne Haarschleife, manch­mal rot, manchmal rosa, manchmal blau, auch schwarz und weiß. Diese Haarschleifen sind der besondere Stolz der kleinen Annemarie. Sie sind auch viel schöner als Locken, besonders wenn man keine Locken hat. Und die Annemarie weiß ihre Leberwurstzöpfe mit den bunten Schleifen auch zu tragen und sie weiß auch schon, daß ihre Zöpfe morgens, wenn sie frisch geflochten sind, ganz fesch aussehen. Und darum legt sie, wie gesagt, keinen Wert auf Locken....

So versicherte sie mir wenigstens jedesmal, wenn ich das herr­liche Gelock ihrer Base Liesel bewunderte. Sie sagte dann meistens: Mir gefallen Locken gar nicht."

Dder sollten sie ihr am Ende doch gefallen?

Vor einigen Tagen nämlich hatte ich die kleine Liesel zu einem furzen Ferienbesuch bei mir. Und ich hatte alle Mühe, ihre Stopfel­locken so schön und kunstvoll aufzudrehen, wie sie es gewohnt war. 2ißt ihr, wie man das macht? Man wickelt eine Locke fest um den Finger, hält das Ende fest und zieht dann den Finger heraus. Das ist aber leichter gesagt als getan.

Mit wachsender Aufmerksamkeit und ungewohnter Geduld ver folgte die Annemarie unseren Berfeinerungsfult und- oder täuschte ich mich?- hatte doch etwas neidisch die Herrlichkeit betrachtet. Nach getaner Arbeit überließ ich die Mädels ihrem Spiel, das nach der Art der Annemarie sehr geräuschvoll hätte sein müssen. Um so mehr wunderte ich mich, daß alles mäuschenstill blieb. Halb neugierig, halb besorgt suchte ich sie und fand sie noch immer im Schlafzimmer. Die Kleine Liesel tam mir mit tränenfeuchten Augen und sauersüßem Lächeln entgegen und sagte: Schau, Tante, die

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sante statistische Feststellungen wurden noch in Düsseldorf  , Kre­ feld  , Falkenstein, Wilmersdorf   usw. gemacht. Neuerdings wird mit Recht die Verlängerung der Bezugszeit des Stillgeldes verlangt. Professor Dr. Mayet schlägt 39 Wochen vor. Leider hat die Reichs­regierung bislang abgelehnt.

Genossenschaftliche Rundschau

-S.

Die Rationierung der Kunden in dem Städtchen Wilster  ( Holstein) hatte bekanntlich dem diesjährigen Nürnberger   Genossen­schaftstag Veranlassung zum Protest gegen die Behörden gegeben, die dem Konsumverein die Mitglieder wegnahmen, um sie einem Krämer zuzuteilen. Der Proteft und die Beschwerde bei dem preußischen Ministerium des Innern scheinen gefruchtet zu haben, denn der Magistrat in Wilster   hat inzwischen die Umschreibung der Kunden in eine ihnen genehme Kundenliste zugelassen. Die Folge war, daß in Wilster   nicht nur die zwangsweise dem Konsumverein weggenom­menen 101 Mitglieder, sondern im ganzen 191 Kunden sich im Konsumverein neu eintragen ließen.

Das Hand in Handarbeiten ländlicher Verkaufsgenossen= schaften mit den städtischen Konsumvereinen, empfahl für die Zeit nach dem Kriege Ökonomierat Sänger, der Führer der badischen Bauernvereine und der badischen landwirtschaftlichen Ge­nossenschaftsbewegung in einer Konferenz für triegswirtschaftliche Aufklärung, die vom Generalkommando des XIV. Armeekorps nach Karlsruhe   einberufen war. Diese Erklärung des Herrn Sänger fand bei den über 500 anwesenden Arbeiternvertretern lebhafte Zustim mung.

In eine der wichtigsten Behörden des hamburgischen Staates wurde Genosse Lorenz, der Geschäftsführer der Großeinkaufs= gesellschaft deutscher Konsumvereine gewählt. Die Hamburger Bürger­schaft berief ihn in die Deputation für Handel, Schiffahrt und Ge­werbe. Man hat wohl die begründete überzeugung gewonnen, daß die Mitwirkung eines erfahrenen Genossenschafters dem hamburgischen Staate von Nuzen sein kann.

Das Genossenschaftsseminar an der Handelshochschule Mannheim   hat das erste Semester beendet. Der Rektor der Hoch­schule nannte in seiner Rede bei der Jahresfeier die Erfolge er­freuliche und sprach die Meinung aus, daß dem Genossenschafts­wesen in Zukunft ganz besondere Sorgfalt zugewendet werden müsse. Zu den Sizungen des Seminars wurden auch Genossenschaftspraktiker der verschiedenen Genossenschaftsrichtungen zugelassen und hatten Annemarie hat mir Zöpfe gemacht!" Dabei baumelte ihr rechts und links ein triefender Schwanz herunter, sie tropfte wie ein begossener Budel, und sogar die Schleifen waren abgetragene von der Anne­marie, die sie nur bei schlechtem Wetter anzog.

Als die kleine Liesel mein bestürztes Gesicht sah, fing fie bitterlich zu weinen an, umschlang mich mit ihren Armchen und fragte: Sag' doch, Tante, hab' ich jetzt wirklich keine Locken mehr?" Und der Annemarie sah ich die Freude über ihr wohlgelungenes Werk an. Sie hatte also wirklich der Kleinen die Haare ganz naß gemacht, um ihr die stolzen Locken radikal auszutreiben. Sie zeigte keinerlei Reue über ihre Missetat und war erst wahrhaftig niedergeschlagen, als sie nach Verlauf von etwa einer Stunde die Entdeckung machen mußte, daß die Locken der Liesel zu ihrer früheren, ach so wunder­baren Bracht sich neu entfalteten.

Und eigentlich recht traurig entrang es sich da ihren Lippen: Warum habe ich denn keine Locken?"...

Im Nebel.

Der Nebel saugt die Erde ein: Die Bäume gespenstige Schatten, Ein grauer Sarg der Wiesenrain, Und die Häuser nur fahle Laffen.

Ein schwarzer Bogel streicht daher,

Seine Stimme halb Jauchzen, halb Greinen: ,, Die Menschen sind tot und die Welt ist leer, Und die Sonne wird nie mehr scheinen!"

Verfluchter Vogel, und du hast nicht recht! Der Nebel wird bald vergehen,

A. Z.

Und ein neues, ein starkes Menschengeschlecht Wird schöner denn je erstehen. Jacob Loewenberg.