Nr. 5
A. g. XIII
27. Jahrgang
Die Gleichheit
Zeitschrift für Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen
Mit der Beilage: Für unsere Kinder
Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post vierteljährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.
An die Frauen und Mütter!
Ein Feldgrauer schreibt uns: Frieden! Unser aller Sehnen und Wünschen geht dahin. Und wenn bei uns hier draußen diese Sehnsucht in einer Hinsicht auch größer und persönlicher sein mag, so glaube ich doch immer wieder, daß gerade Ihr Frauen, Ihr Mütter den Gegensatz von friedlichem Glück und kriegerischem Wahnwit ganz besonders tief empfindet. Daß in Euch allen die Worte lebendig sind, die eine Frau, eine Mutter einst in die Welt rief: Krieg dem Kriege!
Der Wille zum Frieden! Das ist das Entscheidende. Ihn möchte ich anfeuern in den Herzen aller Frauen. Noch gedeihen in vielen Frauenherzen die Blumen einer falschen Vaterlandsliebe. Noch sehen sie nicht klar, was ihre heiligste Frauenpflicht ist. Daß sie sich ein Vorbild nähmen an jener Frau, der einzigen im amerikanischen Bundesparlament, die bei der Abstimmung über die Teilnahme Amerikas am Kriege weinend das Haupt senkte und gegen den Krieg stimmte! Im ersten Kriegsjahr wußten wir alle, wofür wir kämpften. Aber seit zwei Jahren hat sich das Kriegsziel bei vielen verwischt. Und wenn man sie heute reden hört, geht es um Geld oder Landgewinn. Wo aber sind die Frauen so frage ich, die ihre Liebsten, Männer, Brüder und Söhne für Geld- oder Landgewinn in den Kampf ziehen sehen könnten, ohne daß sich ihr heiligstes Fühlen dagegen empörte?
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Da jagen die einen: Deutschland ist verloren, wenn wir nicht in West oder Ost oder gar in West und Ost!- Neuland gewinnen. Die anderen: Deutschland geht zugrunde, wenn wir keine Kriegsentschädigung erhalten. Haben diese Kleingläubigen recht? Nein! Wofür wir fämpfen und kämpften, ist der Bestand und die Freiheit Deutsch I and 3. Wofür wir nicht kämpfen: das ist um Geld oder Gut. Wenn wir für diese Ziele Geld und Gut auch nur hundert Tage länger Krieg führen würden, so kosteten uns diese hundert Tage 10 Milliarden Mark, 120 000 Tote, 300 000 Verwundete und Krüppel"( Friedrich Naumann ). Und wieder frage ich: Wo sind die Frauen, die um diesen Preis für eine Vergrößerung Deutschlands eintreten? Oder gar für eine Entschädigung"? Als ob das Blut und Leben unserer Lieben je mit Geld entschädigt werden könnte!
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Nun soll aber keine fragen:„ Warum sagt er das mir?" Der einzelne macht das Volk", kündet schon Ernst Moriz Arndt. Ja, auf den einzelnen kommt es an. Auf sein Denken, Wollen, Reden und Tun.
Jede Frau sollte sich klar darüber sein, daß Deutsch . lands Aufgabe nicht in triegerischen Erobe rungen liegt, sondern im Vorkampf für Frie den und Fortschritt. Und daß es die Aufgabe eines jeden Deutschen ist, dafür zu wirken. Im großen oder im Kleinen. Jede Frau sollte sich klar darüber sein, daß es Frauenaufgaben, Frauenpflichten sind, mitzuwirken und mitzutaten für diesen Frieden. Auf daß sie nicht mitschuldig werde an der Fortdauer des Krieges.
Zuschriften find zu richten
an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Moripplag 14838. Expedition: Stuttgart , Furtbachstraße 12.
Und das ist mein Wunsch, daß jede deutsche Frau dieses erkenne und dafür eintrete, wo immer sich die Gelegenheit dazu bietet.
Und mein Hoffen ist, daß uns dieses Wollen und Wirken auch über unsere innerliche Zerrissenheit hinausführen wird zu einer stillen, frohen Zuversicht.
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k. h.
Wir haben diesem warmherzigen Aufruf gern einen Platz eingeräumt, obwohl er an dieser Stelle kaum nötig ist. Denn die sozialdemokratischen Frauen sind von Anbeginn des Krieges an seine leidenschaftlichsten Gegnerinnen und Bekämpferinnen gewesen.
Aber der Aufruf zeigt wieder einmal, wie so viele tausende und aber tausende anderer Zeugnisse, daß auch die Feldgrauen, die angeblich nach den falschen Darstellungen der annerionistischen Heimkrieger nichts von einem Verständigungsfrieden" wissen wollen, keinen sehnsüchtigeren Wunsch kennen als die Beendigung des greuelvollen Mordens. Und darum drucken wir den Aufruf ab. Wie ein Lauffeuer ist vor einigen Wochen die erste leider unrichtige Nachricht an - den Fronten in Ost und West entlanggelaufen: Waffenstill stand mit Rußland ! Ein einziger jubelnder Aufschrei war die Antwort. Am nächsten Tage folgte leider die bittere Enttäuschung!
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Aber was noch nicht ist, kann werden!
In Rußland überstürzen sich die Ereignisse. Ganz klar sind bis zur Stunde die Verhältnisse in dem Riesenreich noch nicht zu übersehen. Aber so viel scheint festzustehen: die Bolschewiki, die unbeirrbarsten Vorkämpfer des Friedens in Rußland , haben bis auf weiteres die Macht in Händen. Und sie werden sie behalten, wenn es ihnen gelingt, ihrem schwergeprüften Lande den Frieden nach außen und Ruhe, Wohlfahrt und Freiheit im Innern zu verschaffen.
Die russischen Parteigenossen haben an die Sozialdemofraten aller friegführenden Länder die Aufforderung gerich tet, mit ihnen gemeinsam für die rasche Herbeiführung des Friedens zu wirken. Die Aufforderung war für uns deutsche Sozialdemokraten nicht nötig, denn wir tun seit Beginn des Krieges- Krieges und je länger der Krieg dauert, mit um so leidenschaftlicherem Eifer nichts anderes, als dem Frieden die Wege zu bereiten. Aber wir begrüßen dennoch diese russische Aufforderung mit großer Freude und wünschen nichts heißer, als daß sie endlich auch in England und Frankreich bei den Arbeitern Gehör finden möge.
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Das vierte Weihnachtsfest naht! Das vierte Fest des Friedens" soll es wiederum wie blutiger, schneidender Hohn unter dem wildesten, grauenhaftesten Waffenlärm vor sich gehen?
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Wer das nicht will und welche fühlende Frau wollte es!, muß zu seinem Teile dazu beitragen, daß zum mindesten den unverantwortlichen Kriegsverlängerern das Handwerk gelegt wird. Und deshalb schließen wir an den obigen Aufruf die Aufforderung, daß die sozialdemokratischen Frauen in hellen Scharen in die Versammlungen