Nr. 6

Die Gleichheit

brauchern nicht gerade sehr freudig aufgenommen werden, sie haben seinerzeit die Erfahrung gemacht, daß die Mischung von Mehl und Kartoffeln zu Brot willkommenen Anlaß zu allerhand Schiebungen und Unehrlichkeiten gibt. Unter sol­chen Umständen ist es empfehlenswerter, wenn die Kartof feln der Bevölkerung direkt zugeführt werden und nicht den Umweg über den Bäcker machen, durch den sie verteuert wer­den und der die Qualität des Brotes herabsetzt.

Die Fleisch versorgung wird höchstwahrscheinlich in dem bisherigen Maße fortgesetzt werden können, denn die Futtermittelknappheit läßt ein allmähliches Abschlachten von Rindvieh angebracht erscheinen. Bedenklich hierbei ist nur, daß auch die Abschlachtung von Milchkühen und dadurch das Knapperwerden von Milch und Butter zu befürchten steht, was wiederum eine weitere Verschlechterung unserer Ernährung bedeutet. Sind doch den Behörden schon jetzt Bedenken dar­über aufgestiegen, ob es möglich sein wird, die Butterver­sorgung in der bisherigen Weise fortzuführen, und selbst die Milchversorgung der Städte, die bisher schon immer schlech ter wurde, droht noch weiter zurückzugehen. Auf den Gesund­heitszustand der Bevölkerung wirkt die Ernährung jezt schon recht fühlbar ein, in den großen Städten macht sich eine be­denkliche Zunahme der Tuberkulose bemerkbar, den heran­wachsenden Kindern sieht man zu einem Teil die Unterernäh­rung an, die Gewichtsfeststellungen ergeben oft recht trau­rige Resultate, und von den Kleinkindern leiden viele unter dem schlimmen Milchmangel. Diese Zustände sind äußerst bedenklich.

Doch es hat den Anschein, als ob die maßgebenden Körper­schaften sich gar nicht der Gefahr bewußt sind, die durch die recht ungünstige Versorgung der Bevölkerung herbeigeführt werden kann, sonst müßte jedenfalls alles darangesetzt wer­den, die Ernährungsmöglichkeit in jeder Weise zu fördern. Wir können aber auf keine Besserung hoffen und nicht ein­mal die Erhaltung des gegenwärtigen Standes unserer Er­nährung erwarten, wenn nicht rechtzeitig Vorsorge getragen wird, daß die Zufuhr an Kartoffeln in die Städte und die Einlagerung beschleunigt wird.

Feuilleton

Der gute Name ist bei Mann und Frau Das eigentliche Kleinod ihrer Seelen.

*

Jedes Weibes Fehler ist des Mannes Schuld.

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Shakespeare .

Herder.

Vorurteile und eine unglückliche Liebe sind zwei Stücke, deren eins schon hinreicht, einen Mann zu etwas ganz ande­rem zu machen, als er ist. *

W

Das Naturell der Frauen

3st so nah mit Kunst verwandt.

Weihnachten in der Schlacht.

Von Georges Clairon.

Leffing.

Goethe.

ir feuerten die ganze Nacht auf dunkle Gegenstände, die sich um die Brückenpfeiler herumschoben. Doch das widerstand unseren Warnungen, das war ganz unempfänglich für unsere Kugeln, das wendete und drehte sich wie durch nichts aufzuhaltende unerschrockene Feinde. Und doch ließen wir uns nur die Zeit, aufs neue zu laden; widersetzten unsere Gewehre sich unserer Hast, so griffen wir zu den Revolvern. Um einen besseren Platz zu erlangen, besser zielen zu können, verließen wir manchmal unsere Verstecke und stürzten in an dere Löcher, in andere Schneegruben.

Blöglich ertönten von der Kirche von Suresnes zwölf Schläge. Mitternacht! Weihnachten!"- klang es aus einem der Löcher heraus, und diese Worte fielen uns aufs Herz. Weih­nachten!" Wir hätten wenigstens zusammentreten mögen,

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Das ist aber eine der Hauptforderungen, die die städtischen Konsumenten an die oberste Ernährungsbehörde zu stellen haben. Die Kartoffelversorgung muß unter allen Umständen gesichert sein, wenn nicht bei eintretendem Frostwetter direkt Katastrophen herbeigeführt werden sollen. Die Beruhigungs­mittel in Form von Mehl, Gerste- und Haferfabrikaten, die im letzten Winter und Frühjahr angewendet wurden, fallen diesmal infolge der schlechten Körnerernte aus, die Kartof­feln bleiben also neben der verringerten Brotration das Rück­grat unserer Ernährung. Ein zweites dringendes Erfordernis ist die Besserung der Milch-, Eier- und Butterver­sorgung. Es ist dies keine Forderung ins Blaue hinein, sondern ihre Erfüllung ist möglich, wenn die Erfassung dieser Waren am Erzeugungsort schärfer erfolgt. Daß da eine er­hebliche Besserung möglich ist, beweist der blühende Schleich­handel mit Butter.

Dasselbe erleben wir bei Obst und Gemüse. In Obst hat Deutschland eine so großartige Ernte aufzuweisen, daß die Marmeladefabriken weit über den notwendigsten Bedarf hinaus beliefert werden konnten und somit die Herstellung einer gegen das Vorjahr mehr als doppelten Menge Frucht­marmelade möglich ist. Trotzdem ist Obst zeitweise gar nicht oder nur zu hohen Preisen zu haben, die Höchstpreise für Tafelobst sind zu Mindestpreisen für die gewöhnlichsten Sor­ten Fall- und sonstiges minderwertiges Obst geworden; die Höchstpreise für Gemüse werden nicht innegehalten, die Aus­landsmarke" muß als Aushängeschild für die hohen Preise herhalten, und dabei ist der Gemüsebau in Deutschland im Durchschnitt um das Vierfache gesteigert worden.

All diese Benachteiligungen, um nicht zu sagen Betrügereien geschehen unter den Augen der Behörden, die es am scharfen Zugreifen fehlen lassen und in all den Jahren noch immer nicht gelernt haben, die Organisation zur Erfassung der Le­bensmittel auf eine genügende Höhe zu bringen. Noch immer walten zahllose Rücksichten auf Erzeuger und Händler, und trotzdem ist mit Ermahnungen und Drohungen nichts bei ihnen zu erreichen. Es ist verlorene Zeit, hier auf eine Ge­wissensschärfung zu warten, die habgierige, wucherische

um uns weniger einsam zu fühlen. Weihnachten!- In der Erinnerung an sonstige frohe, schöne Feiern empfanden wir die Ode und Kälte doppelt. Furchtbare Melancholie senkte sich auf uns, eine solche Traurigkeit, daß wir minutenlang un­beweglich standen- dann schossen wir wieder: in das Wasser, aufs andere Ufer und der Feind antwortete mächtig; hüben und drüben ertönte ein Höllenfeuer.

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Doch noch einmal ertönte eine klagende Stimme: Weih­nachten!"

Da trat Regnault, wie von einer geheimnisvollen Macht getrieben, aus seinem Loche heraus, erstieg eine hinter uns befindliche Bodenerhöhung, und ohne mehr auf die vom an­deren Ufer kommenden Kugeln zu achten, stimmte er, als Held, als Tenor, mit seiner herrlichen, geschulten Stimme, die in schöneren Tagen das Entzücken Gounods gewesen war, das Weihnachtslied von Adam an:

Minuit, chrétiens, c'est l'heure solennelle... Diese Stimme, die plößlich die wilde Nacht erfüllte, jedes andere Geräusch übertönte, jeder Gefahr siegreich trotte, sie erweckte Ehrfurcht wie ein höherer Wille der Natur.

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Wir lauschten, und kein Kommando hätte uns in diesem Augenblick dazu gebracht, unsere Waffen zu gebrauchen. Das Feuer schwieg auf unserer Seite und auch auf der anderen völlig. Freund und Feind auf den beiden Ufern des indifferenten Flusses waren von dem gleichen Zauber umfangen. Voller Begeisterung fang Regnault die Weise mit vollendeter Kunst in die Nacht hinaus; und wenn er eine Strophe beendet hatte, dann nahmen wir sie im Chore auf, unseren beklommenen Herzen zu wahrer Erleichterung. Und als das Weihnachtslied verhallt war, da herrschte Schweigen. Andächtiges und doch entfeßliches Schweigen, aus dem plög­