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Worin bestehen diese Fragen?
Die Gleichheit
In einer längeren( als Beginn der Diskussionsartikel der Sozialistischen Monatshefte veröffentlichten) Arbeit hatte Genosse Dr. Mar Quarc alle bisher bekannten Erfahrungen auf dem Gebiet der industriellen Frauenarbeit zusammengestellt. Zwar existiert keine auch nur annähernd genaue Statistik über die Gesamtzahl der jetzt beschäftigten Arbeiterinnen, deren Löhne und Arbeitsbedingungen, noch weniger sind die gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der weiblichen Berufstätigkeit, ihr Einfluß auf Kindercrziehung und Haushaltsführung, auf die persönliche Entwicklung der Frauen irgendwie zahlenmäßig zu erfassen; aber es liegen doch so viele Anhaltspunkte für all dies vor, daß bestimmte Schlüsse für die Zukunft sehr wohl gezogen werden können.
Genosse Quard stellt zunächst die ja allgemein bekannte Tatsache fest, daß in fast allen Arbeitszweigen die Frauen erheblich geringer bezahlt werden als die Männer. Und zwar auch dort, wo sie die gleiche Art Arbeit leisten, wie im Bergbau( in der Übertagearbeit), in vielen Zweigen der Metall-, in der Holz-, Papier, Schuhwarenindustrie, den staatlichen und kommunalen Verkehrsgewerben( Post, Eisenbahn , Straßenbahnen) usw. Diese Minderentlohnung der weiblichen Arbeiter erstreckt sich auch auf die Akkordarbeiten, bei denen ja fraglos ( gleiche Güte vorausgesezt) die gleiche Leistung besteht.
Daraus ergeben sich die schwersten allgemeinwirtschaftlichen Schädigungen. Die Löhne der Frauen reichen gewöhnlich nicht aus, ihnen, besonders unter den Kriegsverhältnissen, eine Ernährung zu sichern, die die Kräfte des Körpers voll wieder aufbaut, also eine dauernde Gesundheitseinbuße hindert. Damit wird zugleich eine ernste Gefahr für die nachfolgende Generation heraufbeschworen. Die von überarbeiteten Müttern geborenen Kinder treten schon mit verminderter Straft ins Leben ein. Aus der schlechten Bezahlung der Frauenarbeit resultieren aber auch für den männlichen Arbeiter materielle Nachteile. Die geringer entlohnte weibliche Konkurrentin rückt in seinen Posten ein und kann leicht auch seinen Lohn herunterdrücken oder gar ständig seine frühere Arbeitsstelle einnehmen.
Quard weist nun in seinen Artikeln die Hauptschuld an der niedrigeren Entlohnung der Frauen den alten vorurteilsvollen Anschauungen zu, die in dem weiblichen Geschlecht etwas Minderwertiges sehen wollen, ihm nicht die gleiche Arbeitsqualität zutrauen wie dem männlichen und eine geringere Bewertung seiner Leistungen deshalb von vornherein als selbstverständlich erscheinen lassen. Diese Anschauungen veranlassen seiner Meinung nach nicht nur die Unternehmer, die Frau schlechter zu bezahlen; sie hindern oft auch die männliche Arbeiterschaft und die Gewerkschaften, sich für die Organisierung der Arbeiterinnen und die weiblichen Interessen überhaupt mit der nötigen Wärme einzuseßen. Die Organisationen, meint Quard, müßten mit aller Kraft den Grundsatz: Gleicher Lohn für gleiche Leistung durchzuführen versuchen; nur damit wäre einer gesunden Entwicklung der Frauenberufsarbeit die Bahn gebrochen und die Gefahr der Lohndrückerei durch die weibliche Konkurrenz gebannt.
Verschiedene Gewerkschaftsleiter, die praktische Erfahrungen durch das Zusammenwirken mit Frauen in einzelnen Gewerbezweigen besitzen, urteilen jedoch anders über die Frage. Sie heben fast übereinstimmend hervor, daß sich die Frau in ihrer großen Mehrzahl allen gewerkschaftlichen Bemühungen zum Trotz gegenüber dem Organisationsgedanken recht gleich gültig verhalte. Sie betrachte die gewerbliche Arbeit, wie ja bekannt sei, fast stets nur als eine Art Aushilfsmittel für die Zeiten, in denen sie auf eigenen Verdienst angewiesen sei, nicht, wie der Mann, als das eigentliche Lebenszentrum, wechsele daher leicht ihre Tätigkeit und bringe ihr mur geringes Interesse entgegen. Der Beweis dafür sei die Tatsache, daß die Drganisationsziffern der weiblichen Arbeiter während des Strieges nicht annähernd in gleichem Maß gestiegen sind wie die Zahl der Beschäftigten. Die Gewerkschaften könnten aber nicht nur von außen her die weiblichen Interessen vertreten; jeder Versuch zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen fordere
Hoffnung.
Und dräut der JDinter noch fo fehr mit trotzigen Gebärden,
Und wirft er Eis und Schnee umberEs muß doch Frühling werden.
Und drängen die Nebel noch so dicht Sich vor den Blick der Sonne, Sie wecket doch mit ihrem Licht Einmal die Delt zur Donne.
Blaft nur, ihr Stürme, blaft mit macht. Dir foll darob nicht bangen- Auf leifen Sohlen über nacht kommt doch der Lenz gegangen.
Drum ftill! Und wie es frieren mag, O Herz, gib dich zufrieden; Es ist ein großer Maientag Der ganzen Delt befchieden.
Nr. 9
Geibel.
an erster Stelle den starken Druck der organisierten Arbeiter selbst, in diesem Fall also der Arbeiterinnen.
Indes, mag man auch hoffen, daß mit der Zeit die Erkenntnis der Notwendigkeit gewerkschaftlichen Zusammenschlusses sich den Frauen mehr und mehr erschließen wird: damit ist das Problem der Frauenarbeit noch nicht vollständig gelöst.
Das Prinzip: Gleicher Lohn für geiche Leistung erscheint zunächst als das einfachste der Welt. Was jedoch ist: gleiche Leistung?
Die Vorsitzenden des Buchdruckereihilfsarbeiterverbands ( Frau Thiede), des Schneiderverbands( Heinrich Stühmer), des Buchbinderverbands( Emil Kloth), zergliedern diesen scheinbar so klaren Begriff in ihren Artikeln näher, und unter dieser Analyse erweist er sich plöglich als gar nicht so eindeutig, wie er zuerst erschien. Bei der Beurteilung der Arbeitsleistung von Männern und Frauen handelt es sich nämlich nicht allein um den Vergleich ganz bestimmter Einzelarbeiten, wie etwa die Herstellung von 1 oder 100 Stück dieses oder jenes Produktenteils, Schneiden von 1000 Blättern und dergleichen; es muß vielmehr die Gesamtleistungskraft des Menschen in Rechnung gezogen werden.„ Das sogenannte Vorrichten," sagt Kloth, das heißt das Kleben von Blättern und Bildern, wird teils von Männern, teils von Frauen besorgt. Die flinken Hände einer geschickten Arbeiterin werden in derselben Zeit 1000 Blätter zu fleben vermögen wie der tüchtigste männliche Vorrichter. Trotzdem wird der Vorrichter nicht mit dem gleichen Zeitlohn zufrieden sein wie die Vorrichterin, weil er weiß, daß er auch andere, lohnendere Arbeiten verrichten könnte, die Vorrichterin aber nicht. Diesem Umstand Rechnung zu tragen, ist auch der Unternehmer gezwungen; er zahlt an den Vorrichter einen höheren Zeit-, oft auch einen höheren Stücklohn für die gleiche Arbeit als an die Vorrichterin."
Kloth, Gertrud Hanna, Paula Thiede und andere weisen auch darauf hin, daß die Frauen körperlich sehr schweren Arbeiten nur in Ausnahmefällen gewachsen sind, dazu also die Männer herangezogen werden müssen. Hugo Poetsch gibt Berichte aus der Maschinenindustrie wieder, nach denen die Frauen meist nur für Teilverrichtungen verwendbar seien, während die eigentlich schwierige Arbeit, ebenso die Ausbesserung von Maschinendefekten dem Mann überlassen bleiben müsse. Dazu kommt als Hauptentwertungsmoment weiblicher Arbeit vor allem die erwähnte andersartige Berufsauffassung: Da die Arbeiterin in ihrer Tätigkeit meist nicht den eigentlichen Inhalt ihres Lebens sieht, gewinnt sie kein rechtes inneres Verhältnis zu ihrer Arbeit, sezt nicht, wie jeder füchtige Mann, ihren Stolz darein, sich darin zu vervollkommnen, auf der Stufenleiter des Berufs allmählich