Nr. 13
Die Gleichheit
fürzung der Arbeitszeit immer eine Machtfrage und als solche Gegenstand der Verhandlungen zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbänden sein. Auch der Gewerbeinspektion liegt ja nur die Überwachung der gesetzlichen Bestimmungen, nicht die Regelung der Arbeitszeit selbst ob. Die Fabritpflegerin würde also auf diesem Gebiet auch nicht mehr erreichen können, wenn sie nicht Angestellte des Unternehmers, sondern Organ der Gewerbeinspektion wäre.
Wenn die Fabritpflegerin ersprießliche Arbeit leisten soll, dann muß ihre Stellung von vornherein geklärt, ihr Aufgabenfreis fest umgrenzt sein, und zwar nach der Richtung, daß er auf die Fürforgetätigteit beschränkt ist. Es versteht sich von selbst, daß die Fabrikpflegerin in enger Fühlung mit dem Arbeiterausschuß arbeiten muß. Am besten wird sich das Vertrauen zwischen Arbeiterschaft und Fabrikpflegerin bilden, wenn diese dem Arbeiterausschuß angehört. In dieser Zusammenarbeit wird der Fabritpflegerin das Berständnis dafür wachsen, was den arbeitenden Frauen not tut. Von der Einsicht der Arbeiterinnen steht zu erwarten, daß sie der Fabritpflegerin vorurteilsfrei entgegenkommen und damit ihrerseits die Vorbedingung geben, daß der Zweck erreicht wird, der von den Frauenreferaten der Kriegsamtsstellen mit der Ausbildung und Einstellung von Fabritpflegerinnen verfolgt wird. Denn daß die Fabrikpflege überaus wertvolle Arbeit zum Wohle unseres Volksganzen leisten kann, steht wohl außer allem Zweifel. Es sei in diesem Zufammenhang noch besonders auf die Zusammenarbeit der Fabrifpflegerinnen mit den öffentlichen Organen der Wohnungsfürsorge, der Tuberkulose, Säuglings- und Jugendfürsorge hingewiesen. Diese Einrichtung den Arbeiterinnen des Betriebs nutzbar zu machen und dabei vorbeugend zu wirken auf den genannten Gebieten ist allein eine Aufgabe, der dauernde Wirksamkeit zu wünschen ist.
Neuerdings hat die Fabritpflege außer in der Rüstungsindustrie auch in anderen Industriezweigen Eingang gefunden. Wo die Fabrif pflegerin so wie sie sein soll sich ihr Arbeitsfeld erobert hat, da wird sowohl bei der Arbeiterschaft wie bei den Unternehmern der Wunsch vorhanden sein, die Fabrikpflege als dauernde Einrichtung in die Friedenswirtschaft hinüberzunehmen.
Reichskleidung für Arbeiterfrauen.
Der Ruf nach Brot und Kleidung ist jetzt zur Losung des Tages geworden, beides steht gegenwärtig im Mittelpunkt der zentralen Kriegswirtschaft. Durch die Absperrung der ausländi
Feuilleton
Horch! Wie brauset der Sturm und der schwellende Strom in der Nacht hin!
Schaurig süßes Gefühl! Lieblicher Frühling, du nahst! Ludwig Uhland .
( Nachdruck verboten.)
Fröschle.
Aufzeichnungen eines Vaters.
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Fortsetzung.)
Von Karl Bröger . Fröschle, der Sozialist.
Fröschles Vater ist Sozialdemokrat. Wir wissen mun längst, nicht nur Haare und Gesichtszüge, auch Gesinnungen unterliegen dem Gesetz der Vererbung. Dafür ist Fröschle ein schlagender Beweis. „ Alles für Alle!" lautet die furze Formel, auf die sich seine Weltanschauung zurückführen läßt, und es braucht keine Erläuterung, daß in diesem Sage das ganze Erfurter Programm steckt.
Fröschle ist mit Mutter einkaufen gewesen und hat bei dieser Gelegenheit ein fleines Zudergebäck geschenkt bekommen. Man muß mun erlebt haben, wie Fröschle mit diesem wohlerworbenen Besitz tum schaltet und waltet, um seine sozialistische Absicht zu erfassen. Bei uns Erwachsenen kommt alles Eßbare ausschließlich dem Magen zugute. Fröschle hat dagegen begriffen, daß der Magen ein gefährlicher Kapitalist ist, der sich auf Kosten der übrigen Glieder mästet. Die anderen Körperteile erhalten bei Fröschle nun auch ihr gebührendes Teil. Das Zudergebäck wird so verteilt, daß nichts, was am Gesamtkörper Fröschles beteiligt ist, leer ausgeht. Die Hände, das Gesicht, die Haare, selbst Kleid und Strümpfe bekommen ihr zugemessen Teil. Niemand ist bevorzugt, niemand zurückgesetzt! Die Forderung der Gleichheit ist restlos erfüllt.
Mutter ist von dieser Güterverteilung zwar sehr wenig erbaut, ganz erklärlich, denn sie gehört noch zum alten Geschlecht. Durch ihr Schelten läßt sich Fröschle indes nicht anfechten. Er tut jedesmal, was ihm seine Überzeugung vorschreibt.
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schen Rohstoffzufuhr an textilen Faserstoffen, insbesondere an Baumwolle, Wolle, Flachs, Hanf, ist eine Knappheit eingetreten, die in Verbindung mit einer beispiellosen Hochspan nung der Verkaufspreise nachgerade zur Kalamität zu werden droht. Die Einschränkung der Produktion in der Textil- und BeKleidungsindustrie durch Beschränkung der Arbeitszeit und die zentrale Regelung des Kleiderbedarfs durch den Bezugsschein" haben wohl die vorhandenen Vorräte noch gestreckt", wie der landläufige Ausdrud lautet, sie haben jedoch nicht zu verhindern vermocht, daß in der Privatindustrie die Bestände an Nohstoffen während der langen Kriegsdauer auf ein Minimum zusammengeschrumpft sind. Wie in der Nahrungsmittelversorgung taten Preiswucher, Schleich und Kettenhandel ein übriges, um die Preisgestaltung auf eine Höhe zu treiben, die für die ärmere Bevölkerung und besonders für Proletarierfrauen unerschwinglich geworden ist. Einige Zahlen von einst und jetzt mögen in ihrer nadten Gegenüberstellung den Beweis dafür liefern. Wir greifen dabei diejenigen Stoffarten heraus, die vorzugsweise für die BeKleidung der Arbeiterfrauen zur Verivendung kamen: Halbwollene Stoffe früher 1,60 bis 2,50 M., Heute 26 bis 30 Mf. pro Meter.
Wollene Tuche früher 3 bis 5 Mt., heute 40 bis 50 Mt. Baumwollenmusseline früher 32 bis 90 Pf., heute zirka 4 bis 8 Mt.
Wollmusseline früher 0,65 bis 1,50 Mt., heute 8 bis 12 MT. Futterfatin früher 50 bis 70 Pf., Heute etwa 5 Mt. Tüllfutter früher 35 bis 50 Pf., heute bis 8 Mt. pro Meter. Untertaillen jetzt 6 bis 8 Mt.
Kleiderschürzen früher 2,50 Mt., Heute 20 bis 30 Mt. Wollene Damenstrümpfe früher 1,90 bis 2,70 Mt., heute 12 bis 15 Mt. und höher.
Barchent blusen früher zirka 1 M., jetzt 15 Mr. Frauenhemden haben sogar eine Preissteigerung von 1500 Prozent erfahren.
Die Arbeiterfrau kann diese Preise nicht anlegen, sie ist also genötigt, ihre häuslichen Bestände an Alikleidung auf ihre Neparaturfähigkeit hin zu prüfen. Sie muß versuchen, mit ihren ziemlich abgebrauchten und schadhaften Kleidern und Wäschestücken der Not gehorchend durchzuhalten" und diese nochmals - zum wievielten Male schon einer erneuten Ausbesserung zu unterziehen. Bei dieser Prozedur wird sie jedoch zu ihrer grau
Weiter beweist Fröschle seine stark demokratische Natur durch die Art und Weise, wie er mit seinen Spielsachen und den sonstigen Dingen umgeht, die ihm unter die Hand kommen. Da gibt es feine Selassenunterschiede. Jedes gilt gleich viel, und ob ein Gegenstand zehn Pfennig oder zehn Mark wert ist, verschafft ihm bei Fröschle feinen besonderen Rang und schon gar keine besondere Hochachtung. Wie sich mit einem Ding umgehen läßt, entscheidet. Die Behand= lung ist immer gleich. Kein Gegenstand, der je unter Fröschles Fingern gewesen ist, kann sich über Verwöhnung beklagen. Das Verhältnis ist rauh, aber dabei doch auch immer herzlich. Das gleiche Ding, das Fröschle im Augenblick noch arg mißhandelte, weil er es un bedingt von innen begucken will, ist in der nächsten Minute vielleicht schon Gegenstand der liebevollsten Zärtlichkeit.
Die Gesellschaft, die Fröschle um sich versammelt, ist oft sehr gemischt. Da liegen einträchtig beisammen zwei Stofftiere, ein Hase und ein Hund, daneben einige Flicklappen aus Mutters Nähkästchen, dicht dabei der Badeschwamm und ein Handschuh des Vaters, die sich beide ausgezeichnet vertragen mit einer leeren Zündholzschachtel und einer Blechdose, die früher einmal Wichse enthalten hat, wie der Aufdruck verrät. Die hohe Ehre, Fröschle als Siggelegenheit dienen zu dürfen, genießt heute Vaters grauer Filzhut. Im Kreise dieser nach Abstammung und Herkunft so verschiedenen Spielgenossen fühlt sich Fröschle gemütlich; er steht mit allen auf vertrautem Fuß, und er duldet durchaus nicht, daß sich einer ungebühr lich vordrängt.
Aber nicht nur daheim, auch in der Öffentlichkeit bekennt sich Fröschle mutig zu seiner sozialistischen Gesinnung. Sein gewohnter Nachmittagsausgang führt ihn in eine Anlage, wo viele Mütter mit ihren Kleinen weilen. Nicht weit von Fröschle schaut so ein Altersgenosse über die Schulter seiner Mutter, aus irgendeinem Grund, vielleicht nur aus Langeweile, fängt er auf einmal zu heulen an. Fröschle rückt unruhig auf Mutters Schoß hin und her, verzieht das Gesicht, und ehe ihn Mutter beschwichtigen kann, stimmt er schon teilnahmsvoll in das Geschrei des anderen ein. Irgendeine sonstige Ursache, sich mit dem unbekannten Schmerz seines Altersgenossen solidarisch zu erklären, als eben seine sozialistische Gesinnung hat