Nr. 13

Die Gleichheit

ständigungsfrieden zu gelangen. Die Völker Europas , insbesondere das Proletariat Österreich - Ungarns, erleiden seit mehr als dreieinhalb Jahren so Entsetzliches, die Leiden jeder einzelnen Familie und jedes einzelnen Menschen haben ein so hohes Maß erreicht, daß das heiße Verlangen, den Kriegsgreueln ein Ende zu machen, alle Herzen erfüllt. Der allgemeine Friede allein kann der Menschheit Erlösung bringen und die Hoffnung erwecken, daß Menschlichkeit und Kultur endlich wieder zur Geltung kommen werden. Um diesen ersehnten Zustand herbeizuführen, entfenden wir unseren Schwestern in der ganzen Welt unsere Grüße und rufen sie auf, beim Internationalen Frauentag mit uns gemeinsam gegen die Fortdauer des Krieges zu demonstrieren. Der Krieg hat über die Menschen aller Länder, auch über diejenigen, die nicht zu den Waffen gerufen wurden, so namenloses Elend gebracht, daß die Frauen ihre ganze Kraft einsehen wollen und müssen, um Ver­hältnisse zu schaffen, die eine Wiederkehr solcher Greuel unmög­lich machen.

Die Frauen müssen zu dem übermaß schwerster Pflichten, die ihnen aufgebürdet sind, endlich auch Rechte erhalten. Schon vor dem Kriege haben die Frauen vieler Länder politische Rechte be­seffen. Im Verlauf des Krieges wurde vor allem in Rußland , dem einstigen Hort der europäischen Reaktion, den Frauen die po­litische Gleichberechtigung gegeben. Übereinstimmend mit den so­ zialistischen Frauen und Parteien aller Länder fordern wir daher politische Gleichberechtigung, vor allem das allgemeine und gleiche Wahlrecht für alle gesetzgebenden und verwaltenden Körperschaf ten. Wir sind überzeugt, daß die Erlösung der Frauen aus wirt­schaftlicher Knechtschaft und politischer Unfreiheit die Befreiung der gesamten Menschheit beschleunigen und die Welt dem Sozia lismus entgegenführen wird."

Die Frau im Beruf

Was wird aus den arbeitslosen Frauen? Die Nationale Frauengemeinschaft, E. V., Köln , ersucht in einem Antrag an den Oberbürgermeister um besondere städtische Maßnahmen für die bei der Demobilisierung arbeitslos werdenden weiblichen Arbeitskräfte. Auch wenn viele Frauen, die jetzt erwerbstätig sind, nach der Rück­tehr des Mannes und Ernährers fich wieder ganz ihren Hausfrauen und Mutterpflichten widmen werden, so bleiben doch viele Frauen übrig, die auch nach dem Friedensschluß auf Erwerb angewiesen find, besonders die Witwen, die Frauen von ungenügend versorgten Kriegsbeschädigten oder von Arbeitern und Angestellten mit nicht ausreichendem Verdienst. Die Zahl der erwerbstätigen Frauen ist in Deutschland zurzeit 42 Millionen. Wenn diese Frauen nach dem Friedensschluß, wie anzunehmen ist, meist wieder durch Männer er­setzt werden, so ist eine große Arbeitslosigkeit von Frauen und Mädchen zu befürchten. Die Arbeitslosen würden zum Teil der Armenpflege anheimfallen; für einen anderen Teil besteht zweifel los die Gefahr, in die Prostitution hinabzusinken. Die Nationale Frauengemeinschaft schlägt in ihrem Antrag an den Oberbürger­meister vor, zur Bearbeitung und Klärung der erwähnten Fragen möglichst bald einen Ausschuß zu bilden und mehrere Frauen an dessen Arbeiten teilnehmen zu lassen. Für die Vorarbeiten macht der Antrag folgende Vorschläge:

1. Statistische Aufnahmen in allen Betrieben, die Frauen beschäftigen. 2. Vorbereitungen zu Notstandsarbeiten für arbeitslose Frauen, zum Beispiel: ein Stüd Land fultivieren, Dörranstalten vergrößern, Obsttüchen einrichten, Großfirmen und sogenannte Fürsorgestellen beranlassen, in ihren Betrieben die Ausbesserung und Umarbeitung von Militärsachen, Anfertigung von Wäsche und Bekleidung für die unbemittelte Bevölferung aufzunehmen, ferner in einzelnen Stadt­teilen Wäschereien einzurichten, in denen für Minderbemittelte gegen Entgelt Wäsche gewaschen, Wäsche gereinigt und ausgebessert wird. 3. Andere Städte anzuregen, dasselbe zu tun.

4. Bei der Regierung vorstellig zu werden, damit sie geeignete Maßnahmen trifft, die die Rückkehr der zugezogenen Arbeiterinnen in ihren Heimatsort möglichst erleichtern.

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Kleine Mitteilungen. Im Deutschen Holzarbeiterverband hat sich die Zahl der weiblichen Mitglieder vom Beginn bis zum Schluß des Jahres 1917 um rund 10300 gesteigert; das ist eine Zunahme um 126 vom Hundert. Trotzdem hat die Organisation erst einen fleinen Bruchteil der in der Holzindustrie beschäftigten Frauen er­faßt. Die Budapester evangelisch- theologische Akademie ist die erste in Ungarn , die nach ausländischem Muster auch Frauen zugänglich gemacht wurde. Die Frage, ob Frauen zum freien Priesterberuf zugelassen werden sollen, wird der nächste Kongreß entscheiden. Wie in Deutschland , sind auch in Frankreich zum

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Schuße der in den Munitionsfabriken arbeitenden Frauen Fabrit pflegerinnen angestellt worden. Sie müssen einen bestimmten Ausbildungsgang durchmachen und erhalten nach bestandener Prü­fung ein Diplom.

Gewerkschaftliche Umschau

Der Schuß für Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter ist während der Kriegszeit start zurückgedrängt worden. In Anbetracht der großen Zunahme dieser Arbeitskräfte in der Industrie und in Rücksicht auf die schlechten Ernährungsverhältnisse ist diese Maßnahme äußerst bedenklich. Auf wiederholtes Fordern der sozialdemokratischen Reichs­tagsfraktion ist die Regierung nun endlich darauf bedacht, den gröbsten Auswüchsen gegen den Arbeiterinnenschutz entgegenzuwirken. Der Reichskanzler hatte im Sommer 1917 die Anregung gegeben, die Nachtarbeit und überarbeit der Arbeiterinnen einzuschränken. Das soll nun nach überwindung anfänglicher Schwierigkeiten ge­schehen sein, nur in einigen sehr industriereichen Bezirken, besonders im Westen, ist es trotz der Bemühungen der Gewerbeaufsichts­beamten nicht gelungen, die Nacht- und überarbeit in dem ge= wünschten Maße einzuschränken.

Der Reichstanzler hat aber jetzt leider wieder ein Rundschreiben erlassen, nach dem einzelnen Betrieben vorübergehend gestattet sein soll, Arbeiterinnen und jugendliche Arbeiter in weiterem Umfange zu beschäftigen, als dies in dem Rundschreiben vom August 1917 vorgesehen war. Diese Zurücknahme des so gering verbesserten Ar­beiterinnenschutzes soll in Rücksicht auf einzelne Betriebe notwendig geworden sein, deren ungestörter Fortgang sonst nicht möglich wäre. Dabei müssen jedoch folgende Grundsätze beachtet werden: schwache und kränkliche, schwangere und stillende Arbeiterinnen dürfen für Nacht- und überarbeit nicht verwendet werden. Arbeiterinnen über 18 Jahre dürfen nur in achtstündigen Nachtschichten beschäftigt wer= den, auf keinen Fall dürfen ihre Arbeitsschichten einschließlich der Bausen 12 Stunden übersteigen. Für Arbeiterinnen zwischen 16 bis 18 Jahren dürfen diese Schichten nicht länger als 8 Stunden dauern; für noch jüngere Arbeiterinnen ist die Nachtarbeit überhaupt ber= boten. Arbeiterinnen jedes Alters, die in längeren als neunstündigen Schichten einschließlich der Pausen beschäftigt werden, dürfen in zwei Wochen höchstens sechs Nachtschichten arbeiten. Nachtschichten von 24stündiger Dauer sind verboten.

Es ist äußerst bedauerlich, daß die jetzige Zeit zu einer solchen Verkümmerung des Arbeiterinnenschutzes zwingt, um so mehr werden aber die Arbeiterinnen durch ihre gewerkschaftlichen Organisationen nach Friedensschluß darauf dringen müssen, daß nicht nur der Schutz in seiner früheren Form wiederhergestellt, sondern daß er erheb­lich erweitert wird.

Während hier durch die Kriegszeit eine Verschlechterung des Ar­beiterschutzes herbeigeführt wurde, ist im Bädergewerbe durch die zwangslage der Kriegsverhältnisse eine sehr wesentliche Verbesserung des Arbeiterschutzes geschaffen worden, eine Verbesserung, um die die Bäckerorganisation seit Jahrzehnten fämpfte und die unter nor­malen Verhältnissen wohl noch lange hätte auf sich warten lassen: das dauernde Nachtbackverbot ist nun auch vom Bundesrat an­genommen worden. Eine nicht nur vom Standpunkt des Arbeiter­schutzes, sondern auch der Volkshygiene gleich bedeutsame gesetz­geberische Maßnahme, bei der das Bublifum die Annehmlichkeit des frischen Frühstücksgebäds jedenfalls gern eintauscht mit dem ruhigen Bewußtsein, vielen Arbeitern eine soziale Wohltat zu erweisen.

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Das Wiedererstarken der deutschen Gewerkschaftsorganisationen ist als ein recht erfreuliches Zeichen in dieser trostlosen Zeit zu be­trachten. Finanziell hatten die Gewerkschaften während der Striegs­zeit recht wenig gelitten, wohl aber in begreiflicher Weise durch Verminderung der Mitgliederzahl. Nach neuerdings vorliegenden Zahlen geht es trop verstärkter Einziehungen zum Heeresdienst in der Mitgliederzunahme flott aufwärts. Vom dritten Duartal 1916 soweit liegen Zahlen erst vor- bis zum gleichen Zeitpunkt 1917 stieg die Zahl der in den Zentralverbänden organisierten Mitglieder von 947564 auf 1201770, was einer Zunahme von beinahe 27 Pro­zent entspricht. Hoffentlich sind die Arbeiterinnen daran ebenfalls stark beteiligt; in welchem Maße dies der Fall ist, kann noch nicht gesagt werden. In den Vorjahren hielt die folossale Zunahme der Industriearbeiterinnen mit der Vermehrung der Zahl der organi­sierten Arbeiterinnen bei weitem nicht gleichen Schritt, was im Interesse der Arbeiterinnen selbst sehr zu beklagen ist. Einzelne Ver­bände verzeichnen für das Jahr 1917 besonders starke Zunahmen, so der Metallarbeiterverband 140000, der Holzarbeiterverband 22000, der Fabrikarbeiterverband 50000, der Textilarbeiterverband 18500. Gegenüber diesem stetig zunehmenden Vertrauen der deutschen Arbeiter und Arbeiterinnen zu unseren Gewerkschaften erscheint der