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Die Gleichheit

führung der hierauf bezüglichen Maßnahmen unter Heranziehung der in ihr vertretenen Frauenorganisationen tatkräftig mitzuwirken. Neben den ehrenamtlich mitwirkenden Mitgliedern der Kommission werden im Ministerium für soziale Fürsorge zwei besoldete Konsu lentinnen für Frauenarbeit bestellt werden, denen die Vorbereitung der Referate für die Kommissionsverhandlungen sowie die Bearbei­tung der einschlägigen ministeriellen Geschäftsstücke obliegen wird. Es ist zu hoffen, daß durch diese Einrichtungen ein erfolgreiches Zusammenwirken zwischen den Frauenorganisationen und dem Mini­sterium für soziale Fürsorge auf dem so wichtigen Gebiet des Schußes der erwerbstätigen und arbeitenden Frauen herbeigeführt wird." Die Schaffung dieser Zentralstelle für Frauenarbeit und Frauen­schuß entstammt einem Vorschlag der Frauenorganisationen, an deren Beratungen von seiten der Arbeiterinnen Genossin Popp mit­wirkte. Db der weibliche Arbeitsbeirat seinen Hauptzweck, den Aus­bau der sozialpolitischen Gesetzgebung erfüllen wird, hängt natür­lich wesentlich von der Zusammensetzung der Kommission ab, über die Näheres noch nicht bekannt wurde. Die Wendung in der amt­lichen Bekanntmachung, daß Vertreterinnen der großen Organi­sationen" berufen werden sollen, weckt natürlich die Befürchtung, daß das charitative Element vorherrschen könnte. Die organisierte Arbeiterschaft wird jedoch mit allen Kräften dafür eintreten, daß der Frauenbeirat nicht etwa eine Epoche noch so großzügiger und erfolgreicher Wohltätigkeitsaktionen einleitet, sondern den energischen Ausbau der Sozialpolitik sicherstellt. Auch darf keineswegs die An­sicht aufkommen, als ob damit die Frauen schon eine Art Abschlags­zahlung auf die politische Gleichstellung durch das Frauenwahlrecht erhalten hätten. *

Kleine Mitteilungen. Das Zölibat der Postoffiziantinnen Oster reichs ist nach einer ergangenen Verfügung insofern aufgehoben, als Postoffiziantinnen, die das 24. Lebensjahr zurücklegten und min­destens fünf Dienstjahre aufweisen, auch nach eingegangener Ehe fünftig im Dienste verbleiben können. Als die ersten weiblichen Stadträte im Offupationsgebiet Polen wurden in Grodno vor furzem zwei Frauen gewählt. Das englische Oberhaus hat dem An­trag zugunsten des Frauenstimmrechts mit 134 gegen 71 Stimmen zugestimmt. Man betrachtet diese Abstimmung als die wichtigste Gesezesmaßnahme, die seit einem halben Jahrhundert erfolgte. Die Ausdehnung des Stimmrechts auf die Frauen wird die gegenwärtige Zahl der Wahlstimmen um etwa 6 Millionen ver­mehren. Nach einer Timesmeldung aus Ottawa vom 21. März

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Kriegskind.

Noch hat er nicht gesehen Sein Kriegskind rosig- rund, Noch hörte er nicht krähen Den lieben, roten Mund, Noch sah er Bein' und Arme Nicht strampeln bettzerwühlt, Das Körperchen, das warme, Hat er noch nicht gefühlt.

Ich nehm' dich aus der Wiege, Wo du das Köpfchen hebst: Dein Vater weilt im Kriege, Daß du im Frieden lebst, Daß deine lieben blauen Guckäuglein blank und gut Nie Not und Grauen schauen, Wie's jetzt dein Vater tut!

Du trägst ganz seine Züge Mit Augen tief und groß! Ich halte dich und wiege Beglückt dich auf dem Schoß. Ich kose deine Wangen Mit leiser, scheuer Hand! Vom Glück, das uns umfangen, Bist du das Unterpfand.

Solang der Krieg, der harte, Noch uns zu Häupten kreist, Betreu ich dich und warte Dich, daß du uns gedeihst. Will dich dem Vater hüten, Bis dich mein Arm ihm beut, Wenn einst die reichen Blüten Der Frieden auf uns streut!

Ludwig Lessen.

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hat der kanadische Ministerpräsident einen Gesezentwurf eingebracht, laut dessen allen Frauen unter den gleichen Bedingungen wie den Männern das Wahlrecht verliehen wird. Nur die mit Unter­tanen feindlicher Staaten verheirateten Frauen werden ausgeschlossen. - Der Abänderungsantrag zur Verfassung der Vereinigten Staaten Nordamerikas , welcher das Stimmrecht der Frauen vorsieht, wurde vom Repräsentantenhaus mit 273 gegen 136 Stimmen angenommen. Da zur Annahme des Antrags Zweidrittelmehrheit vorgeschrieben war, fand eine Stimmenzählung statt. Nunmehr ist der Antrag noch vom Senat zu behandeln. Der Erfolg des An­trags wird dem Eingreifen des Präsidenten Wilson zugeschrieben, der erklären ließ, daß er dem Frauenstimmrecht sympathisch sei.

Die Frau im Beruf

Der Verband der deutschen Reichspoft- und Telegraphen­beamtinnen( Vorsitzende Fräulein Else Kolshorn) hat dem Reichs­postamt eine Denkschrift über die Tätigkeit der Frau in der Post­und Telegraphenverwaltung in den letzten fünfzig Jahren eingereicht. Die ersten Beamtinnen wurden auf Anregung der damaligen Groß­herzogin Luise von Baden bereits 1864 eingestellt. Als 1871 die badische Post und Telegraphie an das Reich übergeben wurde, waren 100 Beamtinnen vorhanden. Heute werden im Reiche gegen 31000 beschäftigt. Für die Besserung der gegenwärtigen Berufsbedingungen werden verschiedene Wünsche ausgesprochen. In der Denkschrift haben die Beamtinnen gleichzeitig auch Wünsche für ihre künftige Tätigkeit vorgetragen. Der wichtigste, auch die Öffentlichkeit lebhaft interessie­rende ist die Bitte um teilweise Überleitung ihrer Laufbahn in die der männlichen Beamten, zu der wohl die Beamtenschaft und die Postverwaltung noch Stellung nehmen werden. Die Beamtinnen fordern die gleichen Annahmebedingungen, gleiche Ausbildung, Dienstzeit und Bezahlung wie für männliche Beamte, und für die nächsten zehn Jahre entsprechende übergangsbestimmungen. Natürlich wird es sich immer nur um einen kleinen Teil der Beamtinnenschaft handeln, der die Laufbahn der männlichen Beamten beschreitet. Zugegeben muß werden, daß die übelstände, die sich hier und da bei der weiblichen Besetzung der Postschalter infolge der ungenü­genden Ausbildung der Beamtinnen vereinzelt ergeben haben, in der Folge ausgeschlossen wären, wenn die Beamtinnen nicht mur wie gegenwärtig vier bis sechs Wochen, sondern ebenso wie die Beamten mehrere Jahre im Schalter- und Postdienst ausgebildet werden. Weiter bitten die Beamtinnen unter anderem noch um Ver­

( Nachdruck verboten.)

Fröschle.

( Fortsetzung.)

Aufzeichnungen eines Vaters. - Von Karl Bröger .

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Vom heilkräftigen Zündholz.

Die Geschichte, die jetzt erzählt werden soll, ist lehrreich, denn es wird darin von der unbekannten Eigenschaft eines allgemein recht bekannten Gegenstandes berichtet. Wohl alle Erwachsenen kennen das schwedische Zündholz und schäzen es, schätzen es ganz besonders, wenn sie gerade eins brauchen und keins zur Hand ist.

Aber wem wäre es je eingefallen, in diesem bescheidenen, viel benügten Lichtbringer Heilkräfte zu vermuten? Fröschle hat ihr Dasein einwandfrei nachgewiesen, und das ging so zu:

Fröschle mußte geimpft werden. Nun ist das Impfen eine staatlich erfundene Notwendigkeit, von der man nicht überzeugt sein muß. Fröschle war nun gar nicht überzeugt. Er ließ also den in einent Arzt verkörperten Staatswillen überhaupt nicht an seinen Leib. Es sprach von einem überschuß an Temperament und von beherzt frei­heitlichem Willen, wie sich der kleine Staatsbürger gegen die Ge­sellschaft wehrte, die mit ihrem Impfzwang störend in sein Wohl­behagen eingriff. Weder durch Güte noch durch sanften Zwang war Fröschle von seiner ablehnenden Haltung zu bekehren. Unerschütterlich beharrte er in seinem Widerstand gegen die Staatsgewalt.

Was war da zu tun? über das Gesicht des Doktors zog flüch tiges Schmunzeln, während er dem widerborstigen Bürschlein sein Augenglas unter die Stupsnase hielt. Das half augenblicklich. Fröschle packte frohlockend zu und vergaß über dem Spielzeug ganz, daß ihm eigentlich etwas weh tun sollte. So geschah es, daß er die Impfhandlung vollständig überfühlte. Zu seiner großen Verwunde­rung saß Fröschle plöglich wieder auf Mutters Arm, und hui waren beide auch schon aus dem Doktorzimmer, wo Fröschle seine erste Auseinandersegung mit dem Staat so mannhaft bestanden hat. An diesem Nachmittag gemahnte nur dann und wann leises Jucken unser Fröschle an den Vorteil, in einem geordneten Staats­wesen geboren zu sein.

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Schon am andern Morgen erwies sich indes sommentlar, wie be­rechtigt Fröschles Mißtrauen gegen die Staatsiveisheit war. Immer

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