Nr. 18
Die Gleichheit
arbeit ist in völliger Umwandlung begriffen. Der Krieg hat ganz neue Verhältniffe geschaffen. Mit dem Kriege wird die Frauenarbeit nicht aufhören. Vor dem Kriege, wo ein starkes überangebot an weiblichen Arbeitskräften vorhanden war, mußten die Frauen unter den ungünstigsten Verhältnissen schlechtbezahlte Arbeit verrichten. Heute braucht man die Arbeitskraft der Frau und ist genötigt, fie beffer zu bezahlen. Mann und Frau müssen gemeinsam für Besserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen und dafür kämpfen, daß die gleiche Leistung bei Mann und Frau gleich gelohnt wird. Der Gedanke des Arbeiterinnenschutzes hat an Boden gewonnen. Der beste Kinderschutz ist der Frauenschutz und die Bereit ftellung ausreichender und gesunder Wohnungen. Die Frauen be dürfen eines viel wirksameren Schußes gegen Gifte und Maschinengefahren. Besonders nachdrücklich muß dem Krebsschaden der Heim arbeit zu Leibe gegangen werden. Die Fürsorge für Mutter und Kind, die im Kriege erreicht wurde, muß nicht bloß erhalten, sondern ausgebaut werden. Der nächste Parteitag wird sich mit allen diesen Fragen beschäftigen. Wir sind entschlossen, alles für die Menschheit zu tun, aber nichts ohne die Frau.
Im Anschluß an die Konferenz sprach Genoffin Juchacz noch in verschiedenen württembergischen Orten zu den Themen:„ FriedensHoffnungen und Friedenswünsche der deutschen Frauen“ und„ Die Frau als Mutter und Staatsbürgerin". überall betonte sie die Notwendigkeit der Teilnahme der Frauen am politischen Leben.
Vom Fortgang des Frauenrechts
Eine eindrucksvolle Kundgebung für das Frauenwahlrecht fand am 25. April im großen Saale des Hamburger Gewerk schaftshauses in Form einer öffentlichen Frauenversammlung statt. Während des Krieges hat noch keine Frauenversammlung in Ham burg getagt, die einen so starken Besuch aufzuweisen hatte wie diese Frauenwahlrechtsversammlung. Ein Beweis, daß auch die Frauen wieder am politischen Leben Interesse gewinnen. So fand denn auch das Referat der Genoffin Wally Bepler- Berlin :„ Ist in den staatsbürgerlichen Rechten die Frau dem Manne gleichzu stellen?" sehr aufmerksame Hörer und stürmische Zustimmung.
In der Diskussion gaben Vertreterinnen der bürgerlichen Frauenorganisationen Hamburgs zustimmende Erklärungen ab. Ferner sprach Genosse Gruenwaldt als Mitglied der bürgerschaft lichen Wahlrechtskommission, die sich zurzeit mit der Reform des Wahlrechts zur Hamburger Bürgerschaft beschäftigt.
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Groß müssen wir sein, nicht es scheinen.
Man hat bei Gelegenheit der„ kritischen Würdigung" von Ro main Rollands großem Roman Johann Christoph"- den Versuch gemacht, den Dichter als deutsch " zu erklären. Welcher Fehler, welches Mißverstehen! Rolland ist Dichter; seit wann aber ist der Poet Eigentum der Nation, die ihn gebar? Seine aus seelischer Individualität strömende Poesie stellt ihn in die allumfassende Internationale des Geistes, in das Reich, in dem sich alle Nationen zu sammenfinden, in dem die wahrhafte Basis des Völkerfriedens der Bukunft begründet liegt. Die Kunst besitzt nicht Zweck, um mit Molo zu sprechen; ihre Mission ist, alles Trennende zu einen. Die Harmonie des Geistes ist es, die die Völker, die Nationen eint, die Kunst ist der Morgenstern der neuen Zeit, denn nur aus ihr erblüht Frieden und Freiheit.
Eine spätere Zeit wird noch weit flarer als wir zu erkennen ver mögen, was Rolland war, dieser Franzose, dieser- Mensch. Sein " Johann Christoph" ist eines der Fundamente der Zukunft, sein " Beethoven " nicht minder. Dieses dünne Buch mutet an wie ein Wort gewordenes Werk Beethovens selbst; alle Empfindungen werden bei seiner Lektüre in uns wach; köstliche Klänge flingen an unser Dhr, und am Schlusse erfüllt uns nur Bewunderung und Ehrfurcht. Ein paar Worte aus der Vorrede offenbaren deutlicher als alles. andere das, was man als die„ Tendenz" des Buches bezeichnen würde, wenn es eine hätte. Worte des stolzen Mutes, der vertrauenden Hoffnung, der allmenschlichen Liebe, wie sie nur ein Mensch sprechen kann, der im edelsten Sinne Mensch ist.
" Das Leben ist hart. Es ist ein täglicher Kampf für sie, die sich nicht seelischer Mittelmäßigkeit hingeben wollen. Ein trauriger Stampf ist es meist, der ohne Größe, ohne Glück, in Einsamkeit und Schweigen ausgefochten wird. Armut drückt sie, bittere häusliche Sorgen, aufreibendes törichtes Tagewerk, das unnüz Kräfte verschlingt: ohne
* Das Buch ist bei May Rascher, Zürich , in der Reihe der„ Europäischen Bücher" erschienen.
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Die einmütige Forderung der Versammelten nach Gewährung völliger staatsbürgerlicher Gleichstellung kam durch die einstimmige Annahme nachstehender Entschließung zum Ausdruck.
Die am 25. April d. J. im Gewerkschaftshause tagende, von 1500 Personen besuchte öffentliche Frauenversammlung fordert die politische Gleichstellung der Frau, die in der Gewährung der staatsbürgerlichen Rechte zum Ausdruck kommen muß.
Gab die wirtschaftliche und soziale Stellung der Frau, die sie innerhalb und außerhalb der Familie bekleidete, schon vor dem Kriege ein Anrecht auf Erfüllung der Forderung, um so mehr in der heutigen Zeit, da der Weltkrieg eine völlige Umwälzung der Volkswirtschaft herbeiführte und damit auch die wirtschaftliche und soziale Stellung der Frau von Grund auf verändert hat. Die foziale Fürsorge, Landwirtschaft und Industrie, Handel, Gewerbe und Verkehr konnten nur durch die tatkräftigste Mitarbeit der Frau aufrechterhalten werden. Auch nach Friedensschluß wird Wiederaufbau unseres Wirtschaftslebens von der weiteren Mitarbeit der Frau wesentlich abhängig sein. Diese veränderte Stellung der Frau bedingt denn auch die völlige staatsbürgerliche Gleichstellung mit dem Manne, deren Anerkennung durch die gesetzgebenden Körperschaften unter den heutigen Verhältnissen nicht länger mehr verweigert werden kann.
Daher richtet die Versammlung an die bürgerschaftliche Wahlrechtskommission das dringende Ersuchen, bei ihrer Beschlußfassung über die Reform des Wahlrechts zur Bürgerschaft auch der Frau die Staatsbürgerrechte nicht zu versagen.
In Altona , Bergedorf , Schiffbed sprach die Genossin Zepter über das gleiche Thema in gutbesuchten Frauenversammlungen, die eine im Sinne der Hamburger gehaltene Entschließung einstimmig annahmen.
Vom Frauenrecht in Württemberg. Auf verschiedene Eingaben wegen des Frauenstimmrechts hat der Staatsrechtliche Ausschuß der württembergischen Zweiten Kammer eine Entschließung vorgeschlagen, in der die Kammer mit der Regierung die Forderung nach Gewährung des kommunalen und parlamentarischen Wahlrechts an die Frauen ablehnt, dagegen in der weiteren Heranziehung von ent sprechend vorgebildeten Frauen als sachverständige Beiräte in allen die Frauenangelegenheiten berührenden Maßnahmen ein geeignetes Mittel zur Erweiterung des Einflusses sieht, der nach den Erfahrungen der Kriegszeit den Frauen im Interesse der Allgemeinheit gewährt werden soll. Die Heranziehung weiblicher Beamten für diese Maßnahme soll durch entsprechende Ausbildungseinrichtungen gefördert werden. Also ein gnädiges Almosen an Stelle des Rechts!
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Hoffnung, ohne einen Schimmer von Freude sind die einen getrennt von den anderen, ohne den einzigen Trost, den Brüdern im Unglück die Hand reichen zu können, den Brüdern, die sich nicht kennen untereinander." Und die doch so eng, so innig verbunden sind durch ein Denken, ein Fühlen, die einstweilen noch Objekte eines egoistischehernen Schicksals find. Aber Fäuste des befreiungringenden Geistes donnern an den Panzer dieses Schicksals; die Zukunft wird ihn zerschmettern sie wird ihn zerschmettern!- und aus dem Tode des Allzumenschlichen wird Menschlichkeit, wird Liebe strömen. Denn: ,, Wir stehen nicht allein im Kampf: Die Nacht, die über der Welt liegt, erhellt göttliches Licht.....
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Nicht sie nenne ich Helden, die durch den Gedanken oder die Kraft gefiegt haben; fie, ganz allein sie sind es, die kraft ihres Herzens groß waren. Wie einer der Größten unter ihnen gesagt hat, er, dessen Leben ich hier erzähle: Ich kenne keine anderen Vorzüge des Menschen als diejenigen, welche ihn zu den bessern Menschen zählen machen. Wo der Charakter nicht groß ist, kann es der Mensch, kann es der Künstler nicht sein, auch nicht der Mann der Tat.... Groß müssen wir sein, nicht es scheinen."
Rolland , der Mensch, der Dichter und Künstler, schenkt uns die volle Erkenntnis des Menschen, des Dichters, des Künstlers Beet hoven . Dber ist der Komponist nicht Dichter? Ist sein Wert nicht Poesie der ringenden, Göttliches suchenden Seele, die, ewig im Stampf mit dem Gott und dem Menschen in sich selbst, in wollustvollem Erschauern, in tiefstem Ersehnen Kraft, höchste Gnade erfleht- von sich selbst: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn! Ein Werk ist dieses Buch! Und als ich es las, empfand ich das gleiche Gefühl wie beim Lesen des Moloschen Schillerromans: daß Biographien mit dem Herzen geschrieben werden müssen! Und ein Glaubensbuch ist es, ein Glaubensbuch der Zukunft, in der noch alle die unendliche Güte und Liebe schlummert, deren Menschen fähig sind, wenn sie guten Willens sind. Karl Diesel, Jena .
Von der Ehelosigkeit zur Ehrlosigkeit ist moralischen Schwächlingen nur ein kleiner Schritt.