164
Die Gleichheit
dem steht hinter ihnen die Notwendigkeit, für sich und ihre Kinder das Brot zu verdienen; sie dürfen nicht wollen sie müssen! Fräulein Dr. Gertrud Bäumer sprach über„ Die Frauenfrage in der Kriegswirtschaft" und führte aus, daß solche Tagungen gewissermaßen einen Überblick über die Frauenarbeit in der Kriegswirtschaft gäben. Was hier getan werde, diene sowohl der Leistung des Krieges als der Vorbereitung der Zukunft. Vor dem Kriege befand sich die Frauenarbeit in aufsteigender Entwicklung, sowohl quantitativ wie qualitativ. Der Anstieg der Qualitätsleistung war besonders in den höheren Berufen zu beobachten; in den Fabriken stieg die ungelernte und angelernte Arbeit am meisten. Die Mehrzahl der arbeitenden Frauen gehörte bis zum Kriege zu den fronenden. Ihr Leben war durch die Arbeit nicht harmonisch ausgestaltet, sondern mißge staltet. Nur eine kleine Zahl fand die Höhe des Ausdrucks, den der Beruf dort bringt, wo er aus Anlage und höherem Interesse, also aus innerer Freiheit sich ergibt. Der Krieg verwarf jede Zukunft, er forderte Gegenwart. Er warf die Frauen von einer Wirtschaftsfront an die andere, und der einzige Gesichtspunkt war: Produktionszweck. Die Kriegswirtschaft bedurfte der Massen, die unbehindert anpassungsfähig waren, und solche, die nicht gebunden waren in der Wahl der Arbeit. Das Erwerbsbedürfnis war der Kriegswirtschaft willkommen. Genaues wissen wir weder über das Anwachsen der Frauenarbeit noch über ihre Qualität im Kriege. Immerhin aber zeigen die Zahlen der Krankenkassen, daß der Ausfall der Männerarbeit nicht ganz durch die Frauenarbeit gedeckt werden konnte. Überall, wo ein Anlernen in kurzer Zeit möglich war, hat die Frau den Anforderungen voll genügen können. Für die Zukunft bedeutet das ein Anwachsen halbausgebildeter Kräfte und einen Rückgang der Qualitätsarbeit überhaupt, weil auch das Lehrlingswesen stark zurückgegangen ist. Bezüglich der höheren Berufe muß ein Eindringen in selbständige Stellen festgestellt werden. Absolut bewährt hat sich die Frau in der sozialen Arbeit. Die Bewährung in der Arbeit kann man nie an der des Mannes messen, weil sich die Frau fast nie restlos ihrem Beruf hingeben kann. Hinzu kommt, daß die Leistungsfähigkeit infolge der Ernährung überhaupt um etwa 20 Prozent gesunken ist. Der gerechte Maßstab ist ein moralischer. Dort, wo die Frau sich eingesetzt hat für die Erhaltung der Familie, des Geschäftes, dort liegt der Schwerpunkt der Frauenarbeit im Kriege, hier ist das, was sie geleistet hat für die Erhaltung des Volkes. Nach dem „ Reichsarbeitsblatt" werden zirka 70 Prozent des Familienunter
Alles das sind Fragen, die niemand beantworten kann, denn die Zeit.
Sie trägt es aber aus, trop Not, Kummer und der großen Schwäche. Ein winziges Geschöpfchen bringt sie diesmal zur Welt, sie selbst ist mit knapper Not dem Tode entronnen. Kraftlos liegt sie in den verwaschenen Kissen;„ Unterernährung" hatte die Hebamme gesagt.., Gute stärkende Kost sei ihr sehr vonnöten; wenn es ihr recht sei, wolle sie beim Frauenverein vorstellig werden, damit ihr täglich eine kräftige Suppe zugeschickt werde. Wozu seien denn diese Vereine da?" Darauf hatte Martha mit ihrem Manne Rücksprache genommen, sie wußte ja, wie er über derlei milde Gaben dachte. Mit finsterem Gesicht hatte er am Bett gestanden, nicht ja und nicht nein gesagt, nur die Augen, die zornfunkelnden Augen hatten gesprochen.
So weit war es also gekommen!
All sein und Marthas Fleiß hatten nicht vermocht, sie über Wasser zu halten. Almofen! Das war das Ende.
Was blieb ihm denn anderes übrig, sollte die Mutter den Kindern erhalten bleiben, mußte er ja schon einwilligen. Ja, wenn du nicht willst, Karl? brauchst es ja nur zu fagen."-- Wie weh das flang! Bitterten nicht verhaltene Tränen in Marthas Stimme?
-
Da hatte er sich schweigend umgewandt; er konnte den Anblick nicht mehr ertragen.
Das wachsbleiche Angesicht, die hohlen Wangen, die dün. nen blutleeren Lippen--! War das Häufchen Elend, das da vor ihm lag, wirklich seine Martha, das blühende junge Weib, das ihm so mutig die Hand fürs Leben gereicht? Das also hatten noch nicht volle neun Jahre aus ihr gemacht! Die Jahre! Unsinn die Kinder waren schuld daran! Seine Kinder! Fast könnte er sie hassen darum.
Nr. 21
halts durch Frauenarbeit aufgebracht. Ein Fortschritt, den der Krieg gebracht hat, sind die Frauenreferate am Kriegsamt. Sie werden in irgendeiner Form weitergeführt werden müssen. Für die Zukunft haben wir die Folgerung zu ziehen, daß das Produktionsinteresse und die Anpassung an Neigung und Lebensbedingungen der Frau zusammengebracht werden müssen. Die Erkenntnis muß durchbrechen, daß wir den Krieg nicht gewinnen, wenn wir den Anforderungen der Kriegswirtschaft genügen, sondern nur dann, wenn es gelingt, das Volk lebenskräftig ins Friedensland zurückzuführen. Dies bedingt aber die Schonung der Frauenkraft in der Kriegswirtschaft.
Herr Geheimer Regierungsrat Professor Wiedenfeld sprach über die Rohstoffversorgung in der Kriegswirtschaft". Seine Ausführungen waren ein Loblied auf die Grrungenschaften der Technik, die uns in der Kriegsmaterialrohstoffversorgung fast unabhängig vom Ausland mache. Für die praktische Durchführung neuer technischer Errungenschaften sei jedoch Zeit erforderlich, ganze Fabrikanlagen müßten errichtet werden. Und für solche übergangszeiten müsse auf vorhandenes Material zurückgegriffen werden, daher die Beschlagnahme in den Haushaltungen. Für die kommende Zeit solle nachher gesorgt werden; jetzt heiße es: den Krieg gewinnen. Dazu müsse die Produktion stetig um jeden Preis gesteigert werden. Der Herr sprach, als ob wir noch zehn Jahre Krieg führen könnten.
-
Der erste Nachmittag brachte dann die Aufrollung der Probleme der Frauenarbeit in der übergangswirtschaft, wozu Fräulein Dr. Marie Elisabeth Lüders daz einleitende Referat übernommen hatte. Zunächst trete uns für die übergangswirtschaft das Problem der Zahl entgegen. Wohin mit dieser? Die Aufsaugung durch das Haus oder durch die alten Berufe stößt auf Schwierigkeiten, weil die Ehefrauen auch fernerhin mitverdienen müssen und weil viele Rohstoffe fehlen. Die Kriegsarbeit wird aufhören, die Männer werden wieder eingestellt werden müssen. Die Folgen werden Arbeitslosigkeit, Konkurrenzkampf zwischen den Geschlechtern verbunden mit Lohndruck sein. Weiter hat die Kriegswirtschaft eine Entblößung des Ostens und eine Überlastung des Westens mit Arbeitskräften mit sich gebracht, die zu beseitigen kaum möglich sein dürfte. Ein Kampf unt Produktionspolitik und Sozialpolitik wird nach dem Kriege beginnen. Die Überlastung der Frau geht an die Wurzeln der Nationalkraft überhaupt. Erhöhter Lohndruck bedeutet, daß weiter noch die Familienlaft von den Schultern des Mannes auf die
-
Hassen? Die schuldlosen kleinen Dinger! Ja, war er denn von Sinnen, auch nur einen Moment daran zu denken, den Kindern die Schuld an dem Elend zuzuschreiben? Hatten sie nicht so viel Glück, so viel Sonne ins Haus gebracht? Nein nein!- nicht sie die Not war es ja, die sie zugrunde gerichtet. Die Not! Einzig die Not!
-
-
immer
Eine Fata Morgana steigt vor ihm auf. Er sieht seine Martha in hellen, sonnigen Zimmern schalten und walten, sieht sie umringt von der blühenden Kinderschar ist Brot da Brot und Fleisch, Kleidung und alles, was zu des Lebens Unterhalt gehört. Reines weint sich in den Schlaf, weil die Brotschnitte zu klein war, jedes hat sein eigenes, großes, schönes Bett Mutter braucht nicht von früh bis spät das Marterinstrument, die Nähmaschine, zu treten, sie fann mit den Kindern herumtollen nach Herzenslust, ihnen Märchen erzählen und sie erziehen zu allem Guten. Immer ist Lachen und Leben, wenn Vater des Abends von der Arbeit heimkehrt ――― ja-ob, in solchen Verhältnissen lebend, seine Martha auch so ausgeschaut hätte?
-
Aber es muß und soll anders werden, das schwört er. Nur zu Kräften soll sie erst wieder kommen. Da huftet sie gerade, hohl, bellend. Karl Färber steigt die Röte ins Gesicht, wäre es nicht geradezu Verbrechen, der Armsten die Hilfe zu bersagen; möge sie auch kommen, woher sie will.
Am nächsten Tage hat Martha zwölf Suppenbillette, und Jeden Mittag muß flein Marthel mit einem Billett zu einer vornehmen Familie, die Suppe für die franke Mutter in Empfang zu nehmen. Und immer fällt ein klein wenig für die Kinder ab, sie kann nun einmal nicht anders.
An einem Vormittag steigt die reiche Frau Kommerzienrat, die Vorsitzende des Frauenvereins, die wacklige Treppe hinauf, um selbst einmal im Färberschen Heim Umschau zu