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Die Gleichheit

falls fich ergab, daß Grund für die Klagen vorhanden war, dam trat sie mit ebenso großem Eifer für Besserung der Verhältnisse ein. So hat sie länger als drei Jahrzehnte in dem Vordergrund der proletarischen Bewegung Hamburgs   gestanden. Sie hat in dieser Zeit wohl in feiner größeren Bersammlung Hamburgs   gefehlt. Es ist kein größeres Ereignis in der Parteis, Gewerkschafts- oder Ge­nossenschaftsbewegung eingetreten, bei dem sie nicht tätig war. Ant Eifer und Pflichttreue wird sie für alle Zeiten ein Vorbild bleiben. Sie war eine Kampfnatur, die vor feinem Hindernis zurückschreckte. Erst der Tod konnte diesem Streben ein Ziel segen. Nun ist sie dahin. Wenn man übersieht, was sie geschaffen, dann wird man zu der Überzeugung fommen, daß sie noch Jahrzehnte im Gedächtnis aller Genossen leben wird, die mit ihr zusammen die Organisationen geschaffen haben, die mit Recht der Stolz der Hamburger Prole tarier sind. Hermann Moltenbuhr.

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Stephanie Hoffmann. In Mannheim   ist am 7. Juli die Genossin Stephanie Hoffmann nach langjährigem Herz- und Rheumatismus­leiden im Alter von 47 Jahren gestorben. Eine Stur in Bad Nauheim  , worauf sie ihre ganze Hoffnung gesetzt hatte, blieb leider erfolglos. Die Mannheimer   Arbeiterschaft, insbesondere unsere Frauenbewives gung hat mit Stephanie Hoffmann einen schweren Verlust erlitten. Die Verstorbene war weit über die Grenzen Mannheims hinaus bekannt und beliebt. Als wir im Jahre 1905 den Grundstein zur Frauenorganisation legten, hat sie sich daran an erster Stelle her= vorragend betätigt, sie war unsere erste Stassiererin und Vertrauens­person. Nach zweijähriger fleißiger Arbeit mußte sie sich infolge Strankheit einige Zeit zurückziehen, aber so bald es ihre Gesundheit erlaubte, stellte sie ihre ganze Kraft wieder zur Verfügung und war stets bestrebt, unsere Sache zu fördern. In Wort und Schrift ver­stand sie es prächtig, die Massen zu begeistern.

In besonders lebhafter Erinnerung bleibt uns ihre Arbeit als Borsitzende der Kinderschutzkommission, eine Tätigkeit, die während der Striegszeit leider ruht. Unsere Genossin war glüdlich, wenn wir Tausende armer Stinder alljährlich während der Schulferien auf den Spielplägen bei Spiel und Gesang unterhalten fonnten, und wie leuchteten ihre Augen, wenn wir am Schluß der Spieltage die Kinder ausreichend mit Milch und Brötchen bewirten konnten!

Auch auf kommunalem Gebiet hat sich unsere Genossin betätigt, mehrere Jahre war sie Mitglied der Mannheimer   Schullommission.

Patriarchen Rajatschitsch und des Generals Stratimirowitsch waren in aller Munde, und aus dem Fürstentum stießen Hilfstruppen unter Knitschanin zu den Aufständischen. Für Miliza   waren diese Wochen die hohe Zeit ihres Lebens, denn da sie die Morgenröte der Frei­heit für alle Südslawen gekommen glaubte, ließ sie Strophen zum Preis der Nationalfarben und der slawischen Linde ins Bolt flat­tern, und da sie für Schillers Drama schwärmte, wäre sie am liebsten wie das Heldenmädchen von Orleans   ins Lager der Rebellen geeilt, als vor der Übermacht ihre Banner in Blut und Schmutz sanken. Traurig spann sie sich nach den Enttäuschungen dieses Jahres wieder in ihr einsames Leben ein und vertraute muun in den stillen Abendstunden ihre Gefühle dem verschwiegenen Tagebuch an. Aber Miliza war alles andere als ein Blaustrumpf, und des Patriarchen Rajatschitsch spöttische Frage bei einer geistlichen Inspektionsreise, ob sie denn auch kochen und eine Stuh melfen könne, griff durch ans daneben. Noch war in diesen Gegenden die Naturalwirtschaft nicht endgültig der Geldwirtschaft gewichen, und noch bildete jedes Haus eine Wirtschaftsgemeinschaft für sich. So auch war die Dich­terin stolz darauf, in bäuerlicher Einfachheit Hemden zu nähen, Strümpfe zu stricken, Brot zu backen, am Webstuhl zu sigen, am Waschtrog zu stehen und sich um Obstgarten und Weinberg zu fümmern. Daneben betraute sie die Dorftranten, unterwies die Bauernmädchen in Handarbeiten, sezte den Vätern Gesuche an Amt und Gericht auf, verfaßte den Müttern Briefe an den Sohn in der Kaserne und schrieb die Volkslieder auf, die bei der Weinlese die Dirnen sangen, um sie Karadschitsch für seine Sammlungen zu schicken.

Aber ob sie dazwischen auch Rousseau   las, Byron genoß und Balzac   übersetzte, die dörfliche Stille und Enge begrenzte doch auch ihre geistige Welt. In die Berge der Fruschka Gora drang fein lebendiger Hauch von der Bewegung, die in Westeuropa   immer kühner das Haupt erhob und die Befreiung der Frau auf ihre Fahne schrieb; hier war im patriarchalischen Haushalt das Weib noch so, wie es Wesselinowitsch in seinen Bildern aus dem dörflichen Leben" festgehalten hat, weniger Gefährtin als Dienerin des Mannes, und auch Miligas Vorbild war die Serbenjungfrau, die, fromm, be

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In der Zentrale für Kriegsfürsorge hat sie Vortreffliches geleistet, trog ihres Leidens besuchte sie täglich zahlreiche Familien und stand Armen und Bedrückten behilflich zur Seite. Ihr Wahlspruch war: Edel sei der Mensch, hilfreich und gut!" Die Verstorbene war auch auf deutschen   und badischen Parteitagen mehrmals unsere Delegierte. Ihr Andenken werden wir stets in Ehren halten. Therese Blase. h. Harburg  . Von dem regen Interesse, das die Frauen und Töchter der Arbeiterklasse den Bestrebungen des Sozialismus ent­gegenbringen, legten Versammlungen in Harburg  , Wilhelms. burg   und Bugtehude Zeugnis ab, in denen Genossin Hanna über Die Frau im Kampf um wirtschaftliche und politische Rechte" sprach. Die Rednerin schilderte die Zunahme der Frauenarbeit wäh­rend des Strieges und die Aussicht für zahllose Frauen und Mädchen, dauernd Erwerbsarbeit verrichten zu müssen. Es ergibt sich daraus in höherem Maße als bisher die Notwendigkeit, den Bestrebungen Interesse entgegenzubringen, die die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit zum Ziele haben. Dazu gehören nicht nur die Kämpfe um einen angemessenen Lohn, sondern auch der Ausbau der Arbeiterschutzgeseh­gebung und solcher sozialer Einrichtungen, die den Frauen die Ar­beit erleichtern, indem sie ihnen einen Teil der doppelten Lasten abnehmen und einen Teil der Sorgen um die Kinder. Die Mit­arbeit der Frauen an den darauf bezüglichen Bestrebungen der or­ganisierten Arbeiterschaft sei nottvendig. Durch Beitritt zu ihren Organisationen stärken sie deren Einfluß. Durch Lesen der Partei­presse, der Gleichheit" und der Gewerkschaftsblätter erhalten fie dasjenige Maß von Schulung, das sie zur Mitarbeit an den Auf­gaben der Arbeiterbewegung und an den sozialen Aufgaben des Staates und der Gemeinden befähigt. Von der Betätigung der Frauen und Töchter der Arbeiterschaft werde in Zukunft der Aus­gang des Kampfes um Besserstellung der Arbeiterschaft noch mehr beeinflußt werden als bisher.

Wenn an allen Orten mit gleichem Eifer für den Besuch auf=" flärender Versammlungen gewirkt und den Veranstaltungen mit der­selben Aufmerksamkeit gefolgt wird, wie es hier der Fall war, ist ein erfreuliches Resultat daraus mit Sicherheit zu erwarten.

** Aus dem Bezirk Oberrhein. In dem noch sehr stark von Klerikalen Einflüssen beherrschten Gebiet zwischen Köln   und Saar­ brücken   kann die Frauenbewegung, von dem Kölner   Industriebezirk abgesehen, mur erst schwache Ansätze aufweisen. Die Geistlichkeit, vor allem natürlich die katholische, versteht meisterlich alle seelischen Einschüchterungsmittel anzuwenden, um die Frauen von der reli­scheiden und arbeitsam, den Glauben hochhält, die Heimat liebt, die Muttersprache ehrt und im sonntäglichen Reigen der Gefährtinnen züchtig die Augen zu Boden schlägt. Scham schloß ihr selbst den Mund, wo es etwa galt, eigenem Herzenserlebnis Reim und Rhyth­mus zu leihen; sie war schön, und an Bewerbern fehlte es ihr nicht, aber sie hielt es eines Serbenmädchens für unwert, zu singen: Höre, Welt, ich bin verliebt! Nur eine Saite flang auf ihrer Leier, die leidenschaftliche Liebe zu Volk und Vaterland, und in ihren Gedicht­sammlungen, die 1850, 1855 und 1869 erschienen, tönte immer wieder das Glockenspiel vom Zaren Duschan, vom Helden Milosch Obilitsch, vom Freiheitskämpfer Karadschordsch und von Kossowo, dem großen Friedhof,

Wo ein ruhmvolles Kaiserreich begraben ist.

Aber rasch entblätterte der grüne Stranz der Unsterblichkeit, deu sie schon zu Lebzeiten errungen zu haben schien, und sie hatte nicht die Kraft, auch nur eine seiner Blüten zu halten. Wohl vernahm sie die geheimnisvollen Stimmen in der Brust, die den Dichter an­treiben: Wie Früchte fallen von dem Ast, Wenn unsichtbar der Wind ihn faßt, So löst das Lied sich los vom Leben, Das mir die Wila* eingegeben,

aber dem, was ihr Innerstes bewegte, verstand sie keinen rechten Ausdruck zu geben; ihre Dichtung blieb unpersönlich und frostig und kam über gereimte Prosa taum hinaus; sie war ein schwaches Talent, wenn überhaupt ein Talent! Und rasch wurde sie in den Hintergrund gedrängt, als in den sechziger Jahren Dichter mit stärkeren Tönen und wuchtigerem Gang auftraten.

Lezten Endes aber war ihr Schicksal das eines ganzen Geschlechts. Nicht umsonst gehörten zu ihren Lieblingen in der deutschen   Literatur Klopstock   und Geßner, denn das Serbentum war in ihren Jugend­jahren noch so wenig entwickelt, daß seine Zukunftssehnsucht sich in einen erdfernen und wirklichkeitsfremden Jdealismus flüchtete, ähn­lich wie er im achtzehnten Jahrhundert die schwärmerischen Gemüter eines noch nicht recht bodenständigen Bürgertums in Deutschland  Fee.  

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