Nr. 25

A. g. XIII

28. Jahrgang

Die Gleichheit

Zeitschrift für Arbeiterfrauen und Arbeiterinnen

Mit der Beilage: Für unsere Kinder

Die Gleichheit erscheint alle vierzehn Tage einmal. Preis der Nummer 10 Pfennig, durch die Post viertelfährlich ohne Bestellgeld 55 Pfennig; unter Kreuzband 85 Pfennig. Jahres- Abonnement 2,60 Mart.

An unsere Leserinnen.

Stuttgart

13. September 1918

Die ununterbrochen sich steigernden Preise für Papier und zum Druck erforderliche Materialien, Löhne usw. veranlassen uns, ab 1. Oktober 1918 den Preis für die einzelne Nummer der Gleichheit von 10 Pf. auf 15 Pf. zu erhöhen. Dement­sprechend wird der vierteljährliche Bezugspreis der Gleich­heit durch die Post bezogen( ohne Bestellgeld) auf 95 Pf. festgesetzt. Unter Kreuzband bezogen kostet die Gleichheit viertel­jährlich Mt. 1.45.

Wir richten an unsere Abonnentinnen das Ersuchen, der Gleichheit auch fernerhin die Treue zu bewahren und für neue Abonnentinnen werben zu wollen.

Stuttgart , 1. September 1918.

Zuschriften sind zu richten

an die Redaktion der Gleichheit, Berlin SW 68, Lindenstraße 3. Fernsprecher: Amt Morigplatz 14838. Expedition: Stuttgart , Furtbachstraße 12.

Rechte an die Frauen ihre staatsbürgerliche Gesinnung zu heben und damit auch den Willen zur Mutterschaft anzuregen. Wir fordern unsere Genossinnen auf, überall Versamm­lungen einzuberufen und zu den Gesezentwürfen Stellung zu nehmen. Über ihren Verlauf erbitten wir stets sofort einen Bericht.

*

Im August hat Reichstagsabgeordneter Genosse Heinrich Schulz eine Reihe Versammlungen abgehalten, über deren Verlauf die nach­folgenden Berichte unsere Genossinnen unterrichten:

gs. Jm geräumigen Saale der Zentralhalle" in Bremen fand am 16. August eine von der sozialdemokratischen Partei, dem Bunde für Mutterschutz und dem Frauenstimmrechtsbunde gemeinsam ein­berufene öffentliche Versammlung statt, in der Reichstagsabgeord­neter Heinrich Schulz über das Thema: Die Bevölkerungs­politik und die Frauen" sprach. Die Versammlung war start

Der Verlag der Gleichheit. besucht, besonders von Frauen. Genosse Schulz legte eingehend die

Gegen die bevölkerungspolitischen

Pläne.

Die beiden bevölkerungspolitischen Gesezentwürfe, die zur­zeit dem Reichstag vorliegen:

Gegen die Verhinderung von Geburten und Gegen Unfruchtbarmachung und Schwangerschafts­unterbrechung

werden allmählich von den deutschen Frauen als zwei gegen sie gerichtete Ausnahmegesetze erkannt und gewürdigt. Lang­sam schreitet die Erkenntnis von den in diesen Entwürfen ent­haltenen Gefahren zwar nur vorwärts, da die bisherigen Ver­handlungen des Reichstags über die Entwürfe infolge der völlig unzureichenden Berichte der Tagespresse in der Öffent­lichkeit nur wenig bekannt geworden sind. Erst durch die plan­mäßige Gegenbewegung, die von den Frauenorganisationen, besonders von den proletarischen Frauen, in die Wege geleitet worden ist, wird die nötige Aufklärung in weitere Kreise ge­tragen. In verschiedenen Orten finden in diesen Wochen und Monaten Frauenversammlungen statt, die alle einen guten Besuch aufzuweisen haben, zum Teil sind sie sogar überfüllte Massenversammlungen.

Das ist auch dringend nötig, denn in wenigen Monaten steht das Plenum des Reichstags vor der letzten und end­gültigen Entscheidung. Bis dahin muß ein Sturm der Gegen­wehr das öffentliche Gewissen aufgepeitscht haben; die Frauen müssen laut ihre Stimme dagegen erheben, daß man die viel­gepriesene neue Bevölkerungspolitik mit neuen Ausnahme­maßregeln gegen die Frauen, mit entwürdigenden Angriffen auf ihre Selbstbestimmung, mit der Entziehung ihrer freien Verfügung über ihren Leib beginnt, anstatt durch sozialpoli­tische und andere Maßnahmen und durch Einräumung gleicher

Gründe des ständigen Geburtenrückganges dar und wies nach, daß das einzige erfolgversprechende Mittel einer wirksamen Bevölke­rungspolitik darin bestehe, den Willen der Frau zur Mutterschaft zu stärken. Das könne aber nicht durch schöne Worte und Dekla­mationen, nicht durch gutes Zureden, nicht durch Berufung auf religiöse oder gar patriotische Pflichten der Frau erreicht werden, sondern nur durch sozialpolitische, steuerpolitische, sozialhygienische, sozialpädagogische Taten der Regierung, vor allen Dingen aber durch Gewährung aller politischen und sonstigen staatsbürgerlichen Rechte an die Frauen. Das allerungeeignetste Mittel seien die beiden bevölkerungspolitischen Gesetzentwürfe, die unverhüllt den Charakter von Ausnahmegesezen gegen die Frauen trügen und die Empörung der Frauen wachrufen müßten. Die beste Vorbereitung auf eine ge­sunde Bevölkerungspolitik nach dem blutigen Striege sei ein baldiger Verständigungsfriede, der den Müttern die Gewähr gebe, daß ihre Kinder nicht wieder nach Ablauf weniger Jahre auf fürchterlichen Schlachtfeldern enden, anstatt durch fleißige Arbeit der Kultur zu dienen.

In der freien Aussprache erklärten Frau Rita Bardenheuer im Namen des Frauenstimmrechtsbundes und Frau Schmitz im Namen des Bundes für Mutterschutz ihr Einverständnis mit dem Vortragenden. Außerdem sprach noch der Reichstagsabgeordnete Hente als unabhängiger Sozialdemokrat; an den Ausführungen des Vortragenden vermochte er nichts auszusetzen, aber er glaubte sie durch einige grundsägliche Bemerkungen über den Kapitalismus,

Imperialismus und Sozialismus ergänzen zu müſſen.

Folgende Entschließung fand einstimmige Annahme:

Die Versammlung lehnt die beiden Gesezentwürfe gegen die Verhinderung der Geburten und gegen die Schwangerschaftsunter­brechung ab. Sie sieht in den Gesezen ein unzulässiges Ein­greifen in das Selbstbestimmungsrecht des Menschen, insbesondere der Frauen. Es muß dem Berantwortungs­gefühl der Eltern überlassen bleiben, wie oft und wann die Frau Mutter werden will. Die geplanten gesetzgeberischen Maßnahmen werden auch keinen Geburtenzuwachs hervorbringen, aber den triminellen Abortus vermehren und damit die Gesundheit der Frauen schwer schädigen.

Die Versammelten fordern demgegenüber sozialpolitische und steuerpolitische Maßnahmen zur Unterstützung finderreicher Fa­milien, besseren Mutter und Kinderschutz, soziale Hebung der außerehelichen Mutter und ihres Kindes, Beseitigung aller Ehe­