Nr. 25

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Die Gleichheit

und Wege zu suchen, um dieselben zu beheben, durch ein Gesetz den Vertrieb aller empfängnisverhütenden Mittel auch der un­schädlichen verhindern will und somit den Frauen der arbei­tenden Bevölkerung Lasten auferlegt, die zu tragen sie nicht im­stande sind.

Sie schließen sich deshalb den Vorschlägen an, welche die vom Reichstagsausschuß für Bevölkerungspolitit empfangene Kommis­fion von Frauen aus allen Kreisen der Bevölkerung aufgestellt hat, nämlich das Gesetz zu beschränken auf das Verbot der An­preisung und des Verkaufs von Mitteln und Gegenständen zur Beseitigung der Schwangerschaft sowie des Anbietens von darauf gerichteten Diensten, wenn auch in verschleierter Form, ferner auf das Verbot der Herstellung, Einführung und des Verkaufs ge­sundheitsgefährdender Mittel und Gegenstände zur Verhütung der Empfängnis, auf das Verbot des Haufierhandels und der Auto­maten.

In beiden Versammlungen wurden zahlreiche neue Mitglieder für die Partei und Abonnentinnen für das Hamburger Echo" und be­sonders für die Gleichheit" gewonnen. Luise Schroeder.

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ak. Am 21. Auguſt ſprach Genosse Schulz in Kiel   in zahlreich besuchter Versammlung, die seinen Darlegungen mit Aufmerksam= feit folgte. Die vorgelegte Entschließung( wie in Bremen   und Ham­ burg  ) fand einstimmige Annahme.

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m. Im Frauenleseabend in Großlichterfelde bei Berlin   sprach ant 15. August Genosse Heinrich Schulz   über die Fragen der Be­völkerungspolitik. Die gutbesuchte Versammlung stimmte den Dar legungen und Schlußfolgerungen des Redners mit lebhaftem Bei­fall zu.

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Das gute Beispiel, das mit den Versammlungen die nord­westdeutsche Wasserkante gegeben hat, möge in anderen Gegen­den Deutschlands   Nachahmung finden! Daß die Frauen an den bevölkerungspolitischen Fragen in höchstem Maße Anteil nehmen, beweist der starke Besuch der Versammlungen. Be­sonders in Hamburg   und Altona   waren die Frauen in über­wältigender Zahl erschienen. Und trok der fürchterlichen Enge, in der sie stundenlang aushalten mußten, bewahrten die Frauen eine musterhafte Ruhe und Aufmerksamkeit und folgten den

Feuilleton

Nur eine Mutter weiß allein,

Was lieben heißt und glücklich sein. A. v. Chamisso.

Meine Mutter.

enn ihr einmal Gelegenheit habt, durch den kleinen Resi­denzvorort G. zu kommen, so trefft ihr vielleicht auch eine ältere Frau in mittlerer Größe ihres Geschlechts. Sie geht leicht gebeugt in furzen, haftigen Schritten, als warte immer jemand auf ihr Kommen. An den Haaren schon erkennt ihr die Jahre und die Lasten des Lebens. Das wetterharte Ge­sicht schimmert gelbbraun. Es scheint, als wolle es noch Menschenaltern troßen; aber ihr merkt ihm doch einen wei­cheren Unterton an. Vielleicht denkt ihr euch alte Seide. Sind die Augen grün, blau oder braun? Ich weiß es nicht. Aber ihr findet in ihnen noch einen hellen Glanz, und sie suchen immer etwas. Sie blicken mild und verleihen dem ganzen Wesen einen weichen Ausdruck und blicken gegebenenfalls doch auch scharf, trozig und angriffsbereit in die Welt. Ihr könnt sicher noch viel in diesen Augen finden, aber vielleicht umschreibe ich alles besser, wenn ich sage, daß es die Augen einer Mutter sind. Und merkt auch auf die Dhren! Sie lauschen immer, als hörten sie den Wehlaut eines Kindes, eines groß­gezogenen und doch schon sicher und sturmerprobt in der Welt stehenden Kindes. Oder als lauschten sie auf das Kommen des Sohnes aus blutiger Schlacht.

Vielleicht seht ihr sie einmal. Ihr braucht nicht erst lange nach ihr umzuschauen. Sie fällt euch sofort ins Auge. Wenn ihr sie in ein Gespräch zieht, werdet ihr merken, daß sich beim

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Darlegungen des Redners, die sich bei der Natur des Gegen­standes zum Teil mit recht intimen und diskreten Angelegen­heiten befassen mußten, mit vorbildlichem sittlichem Ernst.

In Hamburg   und Altona   war besonders dadurch ein so zahlreicher Besuch der Versammlungen erzielt worden, daß neben einer vorzüglichen Vorbereitung durch Drganisation und Presse Flugblätter an die sich bei Volksspeisungen und anderen Zusammenkünften sammelnden Frauen verteilt worden waren.

O

Politische Umschau

Das furchtbare Ringen im Westen dauert an. Langsam kommen die Heere der Entente vorwärts, und langsam wird unsere Front zurückgenommen. Jetzt, Ende August, kämpfen die Engländer um Bapaume  , das unsere Truppen bei dem Vorsturm im März in wenigen Tagen genommen hatten. So wechselt der Erfolg auf dem Schlachtfelde, ohne daß eine Entscheidung fällt und das Ende des Krieges herbeiführt.

An den Augustfämpfen sind amerikanische Truppen stark be­teiligt, und es wird ihnen ein frischer Angriffsgeist nachgesagt. Die alldeutschen Freunde des unbeschränkten U- Bootkrieges prophezeiten seinerzeit, daß es Amerika   nicht gelingen würde, nennenswerte Truppen und Kriegsgerät herüberzuschaffen, da die U- Boote unter­wegs alles versenken würden. Diese Prophezeiung hat sich als ebenso falsch erwiesen wie alle anderen auch, die über die Wirkung des U- Bootkrieges auf England gemacht wurden. Es ist nun einmal ein verkehrtes Mittel, den Teufel mit Beelzebub austreiben zu wollen. Im Osten geht die Intervention Japans   in Sibirien  weiter, obwohl Amerika   dagegen stark bremst. Präsident Wilson weiß, daß die Ansprüche Japans   bei einer Teilung der befreiten Gebiete" nicht klein sein würden, und Amerika   hat ein wachsames Auge auf die wachsende Macht Japans  . In England dagegen ist eine starte Richtung für weitere Ausdehnung der Intervention vorhanden. Bisher haben die Alliierten an sieben Punkten Rußlands   Truppen gelandet. Die diplomatischen Beziehungen zu der Bolschewikiregie­rung sind von den Vertretern der Ententestaaten abgebrochen wor­den, so daß sich also die jetzige russische   Regierung mit den ehe­maligen Verbündeten Rußlands   im Kriegszustand befindet. Die Tschechoslowaken sind von England als selbständige Nation anerkannt worden; zwischen ihnen und den Bolschewiti finden harte Kämpfe statt. Auch Finnland   wird von dem neuen Krieg Rußlands inso­

Stehen und Zuhören ihre Rückenlinie noch etwas mehr krümmt als sonst, und daß sie in der ersten Zeit mehr verlegen als staunend oder gespannt euch zuhört. Gewandtheit und Sicher­heit in gesellschaftlichen Umgangsformen ist ihr weniger ge­geben, dazu hat sie bei der harten Tagesarbeit keine Zeit gehabt. Aber ihr werdet merken, daß sie allmählich ihre Sicherheit gewinnt, und dann ist sie euch, wenn auch nur in ungelenkeren Ausdrücken, ebenso gewachsen wie dem Boden, den sie bearbeitet und bepflanzt.

Seht ihr, das ist meine Mutter!

Seit ich denken kann, hat sie für uns gesorgt und sich dabel abgeradkert. Goldene, zukunftssichere Tage waren ihr nie be­schieden. Wir lebten immer in unsicheren Verhältnissen. Dft waren Zeiten, in denen wir nicht wußten, wovon wir den kommenden Tag leben sollten. Und immer war letzten Endes sie es, die es mit ihrer Hände Arbeit möglich machte, daß uns immer wieder Nahrung kam und ein schüßendes Dach verblieb. Am frühen Morgen war sie für uns besorgt, dann ging sie in die Fabrik und leistete schwere Arbeit, oder sie ging waschen oder scheuern. Am Abend war sie glücklich, wenn wir folgsam gewesen waren und gesund und munter um sie herum sprangen. Wenn wir dann längst im Schlafe lagen, saß sie noch immer beim flackernden Lampenlicht und war um die Ausbesserung schadhafter Kleidungsstücke besorgt.

So verging ein Jahr nach dem anderen. Dann kamen die Zeiten unserer Schulentlassung. Das waren immer Monate schwerer Sorgen und Mühen für meine Mutter. Wenngleich auch Freude damit verbunden war, gruben sie dennoch von Jahr zu Jahr tiefere Furchen in ihr Gesicht. Waren die Sorgen um die unerwachsenen Kinder einigermaßen geschwunden, so kamen die Sorgen um die großen Kinder. Ja, bald waren. diese größer als die früheren. Sorge ums. Fortkommen, Sorge­