Nr. 25
Die Gleichheit
Wir wissen eigentlich nur, daß Mangel an Zeit, Kräften und Geld eine Frau hindern, eine gute Mutter zu sein".
Was wissen wir aber darüber, inwieweit ein Beruf die Mutterfchaft innerlich hemmt oder fördert? Mit dem Begriff„ Mutterschaft" baut fie uns da einen ganzen Berg von Fragen auf: Welche Eigenschaften find der Mutter denn angeboren, welche zufällig? Können die ersteren durch den Beruf jemals ertötet werden? Werden fie es in Wirklichkeit? Und find durch den Beruf andere, zufällige ( Eigenschaften) geschaffen, die hindernd oder fördernd wirken? Denn Mutterschaft" bedeutet ja nicht allein die physische( körperliche) Möglichkeit des Kinderkriegens, sondern die innere Bereitschaft und Fähigkeit, Kinder zu haben".
Und nun sagt sie treffend von der Arbeit:„ Daß Arbeit an sich nicht hinderlich sein kann, ist klar. Arbeit weckt und entbindet Kräfte." Arbeit gewöhnt an Selbstzucht und Selbstüberwindung, ohne die feine wahre Mutterschaft möglich ist". Auch geistige Arbeit schadet nicht, sondern stärkt alle geistigen Lebensäußerungen". Und daß " geistige Tätigkeit körperlich unfähig zur Mutterschaft macht, soll erst bewiesen werden".
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Also„ Arbeit ist gut". Und„ feste Pflichten sind gut". Aber kommt das große, große Aber: Unsere heutige Arbeit, unsere heutigen Berufe sind nicht gut! Weil sie nicht den Menschen als Zweck und Ziel aller Arbeit setzen, sondern ihn zum Werkzeug erniedrigen für andere Zwede".
" Wir tun eine Sache nicht mehr um ihrer selbst oder um der Menschen willen, sondern entweder um des Geldes oder um der Vorgesetzten willen...." Und so kommt es, daß diese Berufe uns feine Mutter schaffen können", weil alle mütterlichen Eigenschaften in ihnen nur hinderlich sind für den äußerlichen Erfolg. Und so sehen wir in ihnen die besten Frauen sich zerreiben und den Durch schnitt verkümmern."
Man erkennt, daß Anna Siemsen das Problem nicht nur tief durchdacht, sondern auch ein warmes Empfinden dafür hat. Um so mehr ist man enttäuscht, daß sie die Lösung der Frage von einer inneren Umwandlung der Frau erhofft.
Sehr schön, wenn sie den Frauen zuruft:„ Nicht auf den Beruf fommt es an und nicht auf die Leistung(?), sondern auf uns selbst..., auf den Menschen!" Aber wie sollen die Frauen, die arbeiten müssen... nicht um der Arbeit, nicht um ihres Menschentums, geschweige denn ihrer Mütterlichkeit, sondern um des Geldes willen wie sollen diese Frauen die Fähigkeit gewinnen, sich zu wandeln? Wie sollen sie sich wandeln können, solange ihnen das
Strömt mir des Leides greller Schmerzenchor Wie aus dem Grün die schwelende Lava empor. Ich seh nicht dein Los, nicht einzeln lebst du mir, Ich sehe dich vereint im Massentroft als Arbeitstier, Des Kinderland durch Hunger ward zur Sehnsuchtswüste Und dessen Traum verwelkt der Ordnung Chaos büßte.
Nicht wurdest beim Erscheinen du begrüßzi.
O Seelchen, nein. Als man sich heiß geküßt, Zifferte man vor dieser Küsse Segen,
Des Brandmal drohte auf der Schöpfung Wegen, Der man die Poesie geraubt und dann zum Hohne
Auf kußgeweihte Stirnen drückte einer led'gen Mutter Dornenhrone. Seelchen, weit von dir im Märchenbrand Leuchtet deines Daseins wunderliebliches Kinderland, Armes Seelchen, nein, o niemals du's erreichst, Da du gleich den andern einst im Schaffen schleichst. Lichterfüllte Kindheitssphären bleiben dir verschlossen, Unerblüht der Sehnsucht welke Sprossen. Bis du selbst mit brennend wunden Zähren Deines Kindes unerfülltes Sehnen wirst gewahr, Das man opfert auf der Armut Blutalfar, Ewig hoffnungslos das müde Glücksbegehren.
Nicht ich habe dich gezeugt, kleiner Erdengefährte,
Ich, dem die Vernunft die Schöpfung wehrte, Wenn auch meine Seele leise weinend klagt, Wenn sie nach dem Kuß des eignen Kindes fragt. Nicht dein Los nur seh ich, Millionen neben dir wallen, Fronbestimmte, leidverkrümmte Vorrechtevasallen. Schlafe, Seelchen, deiner Anmut Zauberlieblichkeit Dich umhülle mit der Traumwelt Wunderkleid. Heiliges Schweigen!
Schlafe, Seelchen, dein Frieden atmet Trost und Ruh. Armes Seelchen, ernte diesen Trost im Leide einst auch du! Joh. Ferch.
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fehlt, was ihnen erst die Möglichkeit dazu gibt: Zeit, Kräfte, Geld? Darum: wer die Gefahr erkennt, die unseren Müttern droht und denen, die es werden wollen, wer erkennt, daß ihnen geholfen werden muß, der muß auch den Weg finden zu uns! Der muß den einzigen Weg finden, auf dem ihnen geholfen werden kann: den Weg zum Sozialismus!
Weltvölkerbund!
Während der letzten Monate hat sich das internationale Interesse für die Schaffung eines Weltvölkerbundes wieder in den Vordergrund gedrängt. Weite Volkskreise, Barlamentarier und Regierungen verschiedener Nationen sehen in der Gründung eines Völkerbundes die sicherste Gewähr für die Anbahnung weitgehender Völkerverständigung und für Vermeidung zukünftiger Kriege.
Der deutsche Frauenausschuß für dauernden Frieden hat soeben eine Eingabe an den Reichskanzler eingereicht, die in dem Ersuchen gipfelt: das Eintreten der deutschen Regierung für den Völkerbund in der Öffentlichkeit erneut deutlich zum Ausdruck zu bringen und der theoretischen Zustimmung die praktische Bestätigung folgen zu lassen, indem auch von der deutschen Regierung eine Kommission von Männern und Frauen Staatsmännern, Völkerrechtslehrern und Pazifisten eingesetzt und mit
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den Vorarbeiten zur Verwirklichung eines Völkerbundes und dem Entwurf seiner Verfassung betraut wird.
Der Ausgang der Parlamentswahl in Holland .
Unsere Leserinnen wissen, daß sonderbarerweise die Frauen in Holland in der neuen Verfassung das Wahlrecht nicht besigen und nur die Wählbarkeit erhalten haben. Jedoch ist es der Volkswille, daß die Frau das volle Bürgerrecht haben soll, das sieht man klar aus dem Verhalten der politischen Parteien, welche um der öffentlichen Meinung und namentlich den Wählern zu willfahren weibliche Kandidaten aufgestellt haben. Neun Parteien haben 23 Frauen aufgestellt, und zwar in solcher Reihenfolge, daß jedermann ihre Wahl erwarten fonnte. Daraus geht hervor, daß die Parteivorstände wirklich
Das Feuer.*
Nirgendwo hat der Krieg maßlosere Leidenschaften entfesselt als in Frankreich . Die französische Literatur des Weltkrieges enthält eine Unmasse Zeugnisse eines unbändigen Hasses, der viele der hervorragendsten Köpfe umnebelt und bis zur Sinnlosigkeit fortreißt. So sehr man das als Sozialist bedauern mag, so muß man sich doch Mühe geben, es zu verstehen. Kein Volt, dessen Existenz mit der Entscheidung dieses Krieges verknüpft ist, hat sich von der Striegspsychose freihalten können, das ist auch verständlich.
Dem Sozialisten fällt es am leichtesten, sich der Wirkung dieses Zustandes zu entziehen, vor allem dem deutschen. Er kennt die Triebträfte, die zur Weltkatastrophe geführt haben, sieht sie mit nüchternen, marristisch geschulten Augen. Dem Franzosen fällt Sachlichkeit schwerer. Mehr als uns Deutschen ist ihm das Ereignis Sache des Gefühls, des Temperaments. Der Feind steht tief im Lande, die noch unge= klärte, weil zu verwickelte Frage der Kriegsschuld macht es ihm leicht, das Herz für die Unschuld des Vaterlandes sprechen zu lassen. So kommt es, daß viele derjenigen, die den Krieg gehaßt und bekämpft haben, zu den ärgsten Kriegshegern gehören, weil sie die Sache des Friedens mit der ihres Vaterlandes gleichstellen.
Das ist ein unseliges Verhängnis und lähmt den guten Willen auf deutscher sozialistischer Seite, an einem ehrlichen Frieden zu aller Besten mitzuhelfen.
In diese Nacht leuchten die Feuer derer, die einen Weg aus dent Chaos suchen. Romain Rolland ist einer von ihnen, der fran zösische Dichter, der in der Schweiz ein Obdach vor der heimischen nationalistischen Meute suchen mußte. Die Innigkeit, mit der er für die kommende Völkerfreundschaft eintritt, findet ein Beispiel nur in der Leidenschaftlichkeit seines Landsmannes Henry Barbusse, des französischen Schüßengrabensoldaten, dem Kriege die Maste von Gesichte zu reißen und mit überwältigender Schilderung der grauenhaften Wirklichkeit der Vernunft Tore aufzutun.