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Die Gleichheit
Frauen in der Regierung wollten, obgleich nirgends eine Frau oben an der Liste stand, weil man überall die Namen der alten Parlamentarier obenan gesetzt hatte.
Dr. Aletta Jacobs , die Vorsitzende des Vereins für Frauenstimmrecht, stand als dritte auf ihrer Liste; Frau van Balen Klaar war die vierte auf der ihrigen! Frau Tjaden van der Vlies hatte den zweiten Platz auf der Liste der ChristlichSozialen, und die Sozialdemokraten hatten nicht weniger als sieben Kandidatinnen aufgestellt, unter denen Fräulein Suze Groeneweg in Rotterdam die dritte Stelle einnahm und Frau Carrie Pothuis- Smit in Amsterdam die vierte. Die übrigen der 23 Frauen hatten verschiedene Stellen, doch die Aussicht auf ihre Wahl war gering, weil die aufstellenden Parteien entweder sehr klein oder neugebildet waren, oder ihr Platz auf der Liste wenig Aussicht bot.
Die Wahl fand am 3. Juli statt. Es war das erstemal, daß unser Land die Wirkung des neuen Wahlsystems erfahren fonnte, welche proportionelle Vertretung, allgemeines Männerwahlrecht und Stimmzwang brachte, drei Reformen, die jede in ihrer Weise in den Erfolg hineingespielt haben.
Damit das Abstimmen für die neuen Wähler bei den 31 eingelieferten Kandidatenlisten einfach würde, hatten die Parteivorstände die Losung gegeben, es wäre das beste, den ersten Kandidaten der Liste zu wählen, dann brauchte man nur die Nummer der Liste zu behalten und die abgegebene Stimme käme der ganzen Parteiliste zugute. Eine große Mehrheit der Wähler befolgte diesen Rat, jedoch gaben auch viele Vorzugsstimmen ab auf andere Kandidaten der Liste. So zeigten etwa 11000 Wähler, daß sie einer Frau den Vorzug gaben. Diese Zahl war nun freilich nicht groß bei einer Gesamtstimmen zahl von 1344209. Die Gegner unterließen es nicht, uns zu verspotten und zu sagen, daß offenbar weniger als einer auf hundert Männer in Holland wirklich Frauen in der Kammer oder überhaupt in der Politik sehen wollten. Die Frauenrechtlerinnen und das Pressebureau in Rotterdam brachten den Nachweis, wie sehr hier die Logik fehlte, indem sie zeigten, daß die übergroße Zahl der Wähler das Verhalten der Parteien gutgeheißen hatte, indem sie ihre Stimme auf Nummer 1
Henry Barbusse stand Jahre im Schüßengraben und ist jetzt Redakteur eines Blattes der französischen Parteiminderheit, deren Ziele ungefähr denen unserer alten Sozialdemokratie gleichkommen. Als sein Buch herauskam, wurde es von der Zensur sofort verboten, es war aber schon in etwa 10000 Exemplaren verbreitet und hatte ein ungewöhnliches Aufsehen erregt. So wurde es freigegeben. Auch in Deutschland war es bis vor kurzem verboten.
Das Buch ist wirklich ein Feuer, eine Fackel, die in die Umnachtung der Welt brennt. Mit einer Sprachgewalt, die unerhörter Steigerungen fähig ist, mit einer unerschrockenen und unbarmherzigen Wahrheitsliebe faßt es den Leser und zwingt ihn, hineinzusehen in das Elend und Heldentum der Namenlosen.
Eine Vision leitet ein: Krante in einem Kurort der Schweiz sprechen von dem Kriege, der vor den Toren steht. Und einer findet das prophetische Wort: Zwei Armeen, die einander bekämpfen, sind eine große Armee, die Selbstmord an sich übt!
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Im Schüßengraben. Das Wort, flanglos geworden, gewinnt Gestalt. Schlamm, Kälte, Hunger, Beschießung. Er schildert die Soldaten. „ Es sind Menschen; es sind ganz gewöhnliche Menschen, die man dem Leben plötzlich entrissen hat; wie beliebig aus der Masse herausgenommene Menschen sind sie unwissend, wenig begeistert, mit engent Horizont begabt und voll gesunden Menschenverstandes, der zwar zeitweise entgleist; sie lassen sich führen und geben sich her, das zu tun, was ihnen befohlen wird, ohne merklichen Widerstand, und sind fähig, lange zu leiden.
Es sind einfache Menschen, die man noch vereinfacht hat und bei denen notgedrungen noch die Urinstinkte in den Vordergrund treten: der Selbsterhaltungstrieb, der Egoismus, die hartnäckige Hoffnung, immer wieder davonzukommen und dazu die Freude am Essen, am Trinken und am Schlafen.
Mitunter bricht aber aus dem dunklen Schweigen ihrer großen menschlichen Seelen ein tiefer Schrei der Menschlichkeit...." Die Stompagnie zieht in Ruhestellung.
„ Die Uniformen der Überlebenden sind durchweg von der gelben Erde verdreckt, so daß die Mannschaften Stali zu tragen scheinen. Das Tuch ist steif vom ackergelben Sot, der darauf eingetrocknet
Nr. 25 abgaben, und daß die Mehrheit demnach den Frauen ihren guten Platz auf der Liste gönnte.
Das Resultat der Wahlen ist eine Zunahme der katholischen Fraktion in der Kammer und ein noch größerer Zuwachs der Sozialdemokraten, während die in verschiedene Gruppen zerstückelten Liberalen viel an Einfluß eingebüßt haben. Es ist daher kein Wunder, daß die Sozialdemokraten die einzige Partei sind, deren Fraktion in der Zweiten Kammer eine Frau zählt. Die erste Volksvertreterin in den Niederlanden ist Fräulein Suze Groeneweg, eine Lehrerin an einer Volksschule in Rotterdam . Sie ist gut dazu geeignet, um die Not und die Beschwerden des Volkes, sowie die der Frauen, den Gesetzgebern vorzuführen, und obgleich sie kein Mitglied des Vereins für Frauenstimmrecht ist, da es ihr überflüssig erscheint, eine Organisation für einen speziellen Programmpunkt der Sozialdemokratie zu unterstüßen, so hat der Verein ihr doch einen herzlichen Glückwunsch zu ihrer Wahl gesandt.
Der Verein für Frauenwahlrecht veranstaltet jetzt eine Anzahl von Lehrkursen über Gemeindepolitit, damit wir viele Kandidatinnen stellen können, wenn nächstes Jahr die Munizipalwahlen stattfinden. Da wir nun gesehen haben, daß viele Parteien die Frau als Bürgerin erkannt sehen wollen, haben wir Grund zu hoffen, daß manche Frau Siz im Gemeinderat bekommen wird. Martina G. Kramers.
Aus unserer Bewegung
mk. Aus der Frauenbewegung im Ruhrgebiet . Die sozialdemokratische Frauenbewegung im hiesigen Bezirk befand sich vor Ausbruch des Krieges in guter Entwicklung. Vor dem Kriege war die Fabrikarbeit der Frauen im Gebiet der Ruhrkohlen nahezu unbekannt. Wohl gab es auch gewerbliche Arbeiterinnen, aber ihre Zahl war eine verhältnismäßig geringe, denn diejenigen Industrien, die schon länger vorwiegend Frauen beschäftigen, fehlen hier fast ganz. Darin ist zwar bis heute noch keine Änderung eingetreten; aber dennoch hat sich eine gewaltige Umwälzung vollzogen: In den Eisen- und Stahlwerken, auf den Zechen, in den Maschinenfabriken, an Bauten, wie am Straßen- und Wegebau , bei der Eisen- und Straßenbahn, im Postbetriebe, im Handwerk, überall wächst täglich ist; die Zipfel der Mäntel wackeln hin und her wie Bretter über der kartongelben Schicht, die die Knie wie eine Rinde bedeckt. Die Gesichter sind abgezehrt, wie mit Kohle beschmiert, die Augen weit offen und fiebernd. Staub und Schmutz durchfurchen das Antlig mit unzähligen Striemen."
Einer, Volpatte, hat einen guten Schuß" erwischt( Heimatschuß nennt ihn der deutsche Soldat). Voll Freude, von den Kameraden beneidet, fährt er ins Hinterland. Er kommt zurück, wütend, empört über das Treiben der Hinterfront, über den zügellosen Lebensgenuß derer weit vom Schuß.
„ Wir irren auf dem Straßenpflaster umher, in der Dämmerung, die sich bereits zu vergolden beginnt; in den Städten behängt sich die Welt mit Schmuckwerk. Das Schauspiel dieser Welt hat uns unendlich, ohne daß wir uns ihrer erwehren können, die große Wirklichkeit offenbart: ein Unterschied trennt die Menschen, ein viel tieferer Unterschied mit unüberbrückbareren Gräben als die, welche die Völker voneinander trennen: die klare, scharfe und wirklich unüberwindbare Spaltung im Volfe eines Landes, zwischen denjenigen, die den Gewinn haben, und den anderen, die sich abarbeiten.. diejenigen, von denen man verlangt, alles hinzugeben, alles, und diese, die bis zum Schluß ihre Zahl, ihre Kraft und ihr Martyrium bieten, und über welche die anderen hinwegtreten, vorwärtskommen, lächeln und ihr Ziel erreichen."
Das möge genügen, um einen Eindruck von der künstlerischen und gedanklichen Stärke des Buches zu geben, dessen Wirkung nur die Lektüre selbst vermitteln kann. In diesen Tagen ist dieses Buch mehr als eine Leistung, es ist eine fühne Tat von unschäzbarer Bedeutung. Artur Zickler.
Welche Regierung die beste sei? Diejenige, die uns lehrt, uns selbst zu regieren. *
Goethe.
Was nicht zusammen kann bestehn, das tut am besten, sich zu lösen.
Schiller.