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Die Gleichheit
bewährte Genossin. Die aber schüttelt bedenklich den Kopf, und von ihren Lippen kommt es schüchtern wie bei einer Konfirmandin: Dazu bin ich zu bang!" Dabei bleibt sie. Sie kann mit tausenden Menschen mit jedem einzeln sprechen, aber das Herz versagt sprechen, aber das Herz versagt ihr, wenn sie zu einigen hundert Leuten auf einmal einige Worte sagen, vielleicht nur verlesen soll.
Aber in unserem Falle geben die Genossinnen nicht nach:„ Wir müssen eine Genossin als Vorsitzende haben. Sie sind die Geeignete. Sie können unseren Frauenabend leiten und müssen das auch in einer öffentlichen Versammlung fönnen." Ettvas Scherz und etwas Spott kommt noch in die Auseinandersetzung, und endlich, im Lachen der übrigen gibt die Genossin nach, weil sie muß.
Wie sie in der großen Versammlung die Sache machte? Ganz ausgezeichnet. Ihre roten Wangen konnten ebensogut vom Eifer für die Sache kommen wie vom Lampenfieber. Das Zittern in ihrer Einleitungsrede konnte ebensowohl Empörung über die Auswucherung der Frauen sein wie die Scheu vor der ungewohnten Aufgabe. In der Schlußrede war unsere Genossin schon unbedingt sicher. Meint ihr, daß sie noch immer zu bang" ist. Nicht daran zu denken! Sie weiß jezt, daß sie auch große Versammlungent letten fann. Hätte sie je dieses Zutrauen zu sich selbst gewinnen können, wenn sie nie den Versuch dazu gemacht hätte?
Also ein für allemal: nur feine Furcht vor einer neuen Aufgabe! Gewissenhaft und eifrig sie zu lösen versuchen! Dann braucht man sich keine Vorwürfe zu machen, selbst wenn es schief" gehen sollte. Meist aber geht es gut, besser, als man denkt. Niemand lernt schwimmen, wenn er nicht ins Wasser geht. Keine Genossin kann ihre agitatorischen und organisatorischen Fähigkeiten kennenlernen, wenn sie sie nicht durch übung entivickelt.
Was wir nötig haben, sind tüchtige Genossinnen auf vielen Bosten. Sicher haben wir davon genug im Lande. Sind viele davon zu bang"? Wenn je, mögen sie an dem Beispiel unserer Versamm lungsleiterin wider Willen Mut schöpfen und lernen. *
a. Duisburg . Im Monat Juli veranstaltete die hiesige Parteiorganisation im Hamborner Bezirk drei öffentliche Frauenversamm lungen. Sie fanden statt am 10. in Bruckhausen, am 11. in Schmidthorst, am 13. in Margloh. Außerdem fand ant 12. eine Frauenmitgliederversammlung in Hamborn statt. Überall war der Besuch den Verhältnissen entsprechend ein guter. Genossin Arning sprach in den drei öffentlichen Versammlungen über: Serieg, Frauen und Politik". Die Rednerin schilderte mit eindrucks
den Geschehnissen hin, die diese schöpferische Straft uns gestaltet.- Greift zu ihren geschichtlichen Werken oder geschichtlichen Romanen „ Der große Krieg in Deutschland ",„ Das Leben des Grafen Federigo Confalonieri",„ Wallenstein ", und es wird euch offenbar werden, daß ihre Art der Geschichtschreibung das Herannahen einer neuen Epoche bedeutet. Ricarda Huch schreibt nicht Geschichte, fie läßt uns Geschichte durchleben.
Aber genug
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wer so weit im Studium ihrer Werke gekommen ist, der hört nicht auf, sie zu lesen, bis er alles gelesen hat, was sie schrieb.
Ricarda Huch hat kraftvolle Werke geschaffen, die, wenn sie Eigentum der Masse werden, dazu angetan sind, das moralische und künftlerische Niveau eines Volkes zu heben; sorgen wir dafür, daß es endlich in Deutschland dahin komme. Lida Gustava Heymann .
Betrachtungen einer Hausfrau
über ihren Haushaltsetat.
Beim Hauspug fiel mir jüngst etwas längst Vergessenes in die Hände: Wirtschaftsbücher aus der guten, alten Zeit", in der man noch alles nach Belieben ohne Bezugschein bekam. Mit welchen Gefühlen ich die Preise von Anno dazumal las und sie mit den heutigen verglich, wird mir jede Genoffin nachfühlen können.
In einer früheren Nummer der„ Gleichheit" wurde schon ausgeführt, was für einen Nutzen solch ein Wirtschaftsbuch bei Steuerreklamationen, zur Begründung bei wirtschaftlichen Forderungen usw. hat. Für die Hausfrau ist vor allem ein überblick über Einnahmen und Ausgaben von unschäzbarem, unmittelbarem Wert. Wenn sie die Zahlen auf dem Papier hat, kann sie leichter überschauen, wie sie dieses oder jenes vielleicht noch besser einrichten kann. Natürlich will ich hier keine Richtersche„ Spar- Agnes" als Vorbild proklamieren, die sich alles vom Munde abspart, um nachher auf ihre alten Tage einen Notgroschen von einigen tausend Mark zu haben.
Ich weiß sehr wohl, daß es Proletarierinnen nur in den ungewöhnlichsten Fällen möglich ist, Spargelder zurückzulegen. Aber eine
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vollen Worten das Kriegsgrauen und das Ernährungselend, die die Frau fast erdrücken. Der Krieg sei ein politisches Ereignis, weil aber nur Männer die Politik verantwortlich betrieben haben und die Frauen von jeder direkten politischen Betätigung ausgeschlossen waren, sind die Frauen nicht verantwortlich für diese schreckliche Katastrophe. Woher leiten nun die Männer das Recht ab, die Bo litik allein zu betreiben? Weil sie im wirtschaftlichen Produktionsbetrieb tätig sind als Arbeiter, Handwerker, Unternehmer, dann weil sie das Vaterland verteidigen und dafür ihr Leben einsetzen. Die Frau soll als Hausfrau in der Familie walten, ihrem Manne das Nestchen warm machen, ihm Kinder gebären und erziehen. Diese Argumente wurden bis in die jüngste Zeit gegen die politische Betätigung der Frauen gebraucht. Gilt das aber heute noch? Nein! In allen Berufen sind Frauen beschäftigt, es gibt zurzeit in Deutsch land 8 Millionen berufstätige Frauen. Sie haben durch ihre Arbeit den Staat gerettet. Man nehme nur einmal die Frauen aus den Betrieben heraus, und alles klappt zusammen. Auch die Frauen lassen ihr Leben für das Vaterland im Wochenbett oder auf dem Schlachtfeld der Arbeit. Vieles hätte in der Kriegswirtschaft besser sein können, wenn Frauen mit zu Rate gezogen worden wären. Die schlechten Geseze fönnen nur im Parlament geändert werden, deshalb müssen Frauen ins Parlament. Auch in der Bevölkerungsfrage haben wir ein wichtiges Wort mitzureden. Wir Frauen sind die Trägerinnen der nachkommenden Generation. Keine Strafandrohung und Unterdrückung der Willensfreiheit, wie sie die neue Gesetzesvorlage will, kann uns zwingen, dem Staat Ersaz für die vernichteten Menschenleben zu schaffen. Die Vorlage bedeutet einen unerhörten Eingriff in die heiligsten persönlichen Rechte der Frau. Und überall im Reiche sollten die Frauen schärfsten Proteft gegen die Vorlage erheben und die Gesezentwürfe zurückiveisen, die gerade das Gegenteil von dem erreichen, was sie bezwecken, nämlich eine erschreckende Zunahme der Frauenkrankheiten und der Aborte und damit eine größere Straffälligkeit der Proletarierfrauen. Aber darum wird doch kein Kind mehr als sonst das Licht der Welt erblicken. Will der Staat den Geburtenrückgang heben, mag er die sozialen Zustände heben und damit das übel an der Wurzel fassen. Für finderreiche Familien sind steuerliche Erleichterungen zu schaffen, und vor allem ist die Wohnungsfrage zu lösen. Einen ausreichenden Mutter- und Säuglingsschuß brauchen wir; denn in den schlechten unsozialen Zuständen liegt eine Hauptursache der gewollten Geburteneinschränkung. Aber gutwillig ist von keiner Seite Besserung zu erreichen, deshalb muß sie erkämpft werden durch den Zusammen
beffere Verwertung der geringen Einkünfte proletarischer Familien ist erreichbar, wenn man keine Kleinigkeiten" außer acht läßt, die im Laufe der Zeit zu Größen anwachsen können.
Die Beobachtung zeigt uns, daß wohlhabende Damen im Haushalt an allerlei scheinbar Unbedeutendem oft mehr sparen, als es im fleinen Haushalt gewöhnlich geschieht. Wohl hat die reiche Frau mehr Zeit, alles zu überdenken. Oftmals geschieht es auch wohl vorwiegend aus dem Grunde, um ihr Dienstmädchen besser zu überwachen.
Die arbeitende Frau hat gewöhnlich neben ihrem Haushalt noch eine Erwerbstätigkeit. Da kommt sie dann müde und abgespannt nach Hause und erledigt schnell, ohne viel zu bedenken, das Nächst liegende.
Jm nachfolgenden möchte ich mir erlauben, einige praktische Winte zu geben, die ein wenig zur Erleichterung des Haushaltens beitragen können.
In dieser anormalen Zeit, in der das Wirtschaften doppelt erschwert ist, in der es außer Sonnenlicht, Luft und Wasser kaunt noch etwas ohne Bezugschein gibt, wird man ja ständig zur„ Spar samfeit" gezwungen. Mit der vielfach falschen Sparsamkeit wollen wir uns heute nicht beschäftigen. Ich möchte jedoch darauf hinweisen, daß früher und auch heute durch Gedankenlosigkeit viel gesündigt wird. Zum Beispiel dadurch, daß man an das Einführen der Kochtiste nicht viel früher gedacht hat. Ferner ist es sehr praktisch, wenn man, ehe man Feuer im Herd macht, sei es, daß man sich eines Kohlen- oder eines Gasherdes bedient, ringsherum die Platte mit Töpfen bestellt, die mit Wasser gefüllt sind. In den eingemauerten Herden in Nord- und Ostdeutschland pflegen ja stets auch Wasserkasten gleich am Herde zu sein. Im Rheinlande wurden die schönen Nickel- und Kupferwasserkästen ja leider auch Opfer des Krieges. So hilft man sich eben, so gut man fann, durch das Aufstellen von Töpfen mit Wasser. Man hat dann immer etwas warmes Wasser bei der Hand.
Die wenigsten Frauen denten auch daran, den Kaffee, oder vielmehr die Striegs- Erfaßbrühe, warm einzuhüllen, nachdem ec gefocht ist. In den Haushalten, in denen es feinen Gasherd gibt,