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Die Gleichheit
Deutschen Reichsverbandes für Frauenstimmrecht und des Deutschen Frauenstimmrechtsbundes in den Sophienfälen in Berlin anwesenden Frauen und Männer erklären die politische Rechtlosigkeit der Frauen für unvereinbar mit einer demokratischen Regierung.
An allen Fragen wirtschaftlicher, sozialer und politischer Natur in gleichem Maße beteiligt wie die Männer, in allen Fragen des eigenen Geschlechts, des häuslichen und Familienlebens die in erster Linie Sachverständigen, haben sie in gleichem Maße wie die männ lichen Bolfsgenossen an den Lasten für die Gesamtheit zu tragen. Es geht daher nicht an, ihnen als dem größeren Teil des Volkes in einem Volksstaat die entsprechenden Bürgerrechte zur Mitberatung und Mitbestimmung in allen öffentlichen Angelegenheiten noch länger vorzuenthalten.
Nicht nur um der Frauen, sondern um des gesamten Volkes willen fordern wir daher in dieser harten Prüfungszeit unserer Heimat das Wahlrecht für die Frauen in Reich, Staat und Gemeinde!"
Der über Berlin hinaus wirkende Charakter dieser Veranstaltung ergab sich aus einer Reihe von Zustimmungserklärungen, die aus dem Reich eingegangen waren. Frau Meta Duard- Hammerschlag überbrachte persönlich die Grüße der gesamten Frauenbewe gung in Frankfurt a. M. Namens der sozialdemokratischen Frauen Nürnbergs und des Reichsverbandes für Frauenstimmrecht, Drtsgruppe Nürnberg- Fürth, hatten Helene Grünberg und Dr. Jlse Berlin - Neubart der Versammlung telegraphisch beste Erfolge im Kampfe um das Frauenwahlrecht ausgesprochen; von Genossin Johanna Reize in Hamburg war folgendes Telegramm eingelaufen:
,, 10000 sozialdemokratisch organisierte Frauen Hamburgs entbieten herzliche Grüße. Mit Ihnen fordern wir von der neuen Volksregierung baldigen Frieden und volle staatsbürgerliche Gleich' berechtigung."
Außerdem war von Käthe Kollwig, der berühmten Künstlerin, folgendes Schreiben eingegangen:
Die Mitbetätigung der Frauen in allen Angelegenheiten des öffentlichen Lebens ist seit Jahrzehnten eine Forderung aller arbeitenden Frauen.
Die Organisation des Frauen- Kunstverbandes erklärt ihre Zufammengehörigkeit in dieser Frage mit den großen Frauenverbänden, welche für dieses Recht kämpfen, und schließt sich der For derung nach dem passiven und aktiven Wahlrecht der Frauen an.
brechens angeschuldigt, dessen in Kriegszeiten jemand geziehen werden kann: sie sollte die Bevölkerung ihres Streises mit allen Mitteln der Beredsamkeit gegen die Regierung des Zaren auf gewiegelt haben zu dem offensichtlichen und auch eingestandenen Zweck, Teile des russischen Reiches von diesem loszutrennen und sie in die Hand der Feinde Rußlands zu liefern. Aus diesem Grunde mußte dem Buchstaben des Gesetzes nach ihre Verurteilung zum Tode erfolgen, welches Urteil, wie schon erwähnt, am 24. August 1915 zu Kielkond vollstreckt wurde. Aus den sehr knappen Gerichtsakten, die über das Verbrechen der Kutusa vorliegen, läßt sich feststellen, daß sie, die bis dahin eine stille, friedfertige und arbeitsame Frau gewesen, die bei allen Nachbarn und Bekannten ihres redlichen Sinnes wegen wohlgelitten und geschätzt war, nach Erhalt der Nachricht, ihre bier Söhne seien am gleichen Tage, ja fast zur gleichen Stunde gefallen, Merkmale einer beginnenden Geistesverwirrung zeigte, die in immer ausgeprägterem Maße zum Vorschein kam und etwas derart Zwingendes an sich hatte, daß die Personen, welche mit der Kutusa in Berührung famen, sich deren Wahnfreis nicht mehr zu entziehen vermochten und, als seien sie mit Peft oder Aussat behaftet, für den russischen Staat sowohl wie auch für die gesamte sonstige Kulturwelt dauernd und unwiederbringlich verloren waren. Es ist aus diesem Grunde verfügt worden, daß die erwähnten Personen, 122 an der Zahl, nach Sibirien zu verbannen, dort in Ketten zu legen und für die Dauer ihres Lebens in gutem und sicherem Gewahrsam zu halten seien.
Einwandfrei festgestellt ist, daß die Kutusa, anknüpfend an den unter der estnischen, lettischen und livischen Bevölkerung verbreiteten Aberglauben, wenn die Sonne am Ostermorgen tanzend am Himmel aufgehe, werde die Herrschaft Rußlands in den baltischen Provinzen zertrümmert werden, daß die
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Wir wollen wünschen, daß die eindrucksvolle Kundgebung den doppelten Zweck erfüllt: einerseits die Frauen im übrigen Deutschland aufzurütteln und sie zu leidenschaftlichen Vorfämpferinnen ihrer eigenen Rechte zu machen, andererseits die neue deutsche Volksregierung und die führenden Politiker der Mehrheitspartei von dem Ernst der Frauenforderungen zu überzeugen.
Wer in dieser revolutionären Zeit seine berechtigten Forderungen nicht anmeldet und mit Energie vertritt, darf sich nicht wundern, wenn sie unerfüllt bleiben.
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Politische Umschau
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In der Reichstagssigung vom 26. Oktober wurde ein Mehrheitsantrag über die Änderung der Verfassung verhandelt und angenommen. Nunmehr ist in Deutschland die Zivilgewalt über die Militärgewalt gestellt, das Volk entscheidet über Krieg und Frieden. Der Reichskanzler bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Reichstags und ist für alle politischen Handlungen des Kaisers verantwortlich. Damit ist das persönliche Regiment in Deutschland beseitigt, aber das tiefe Mißtrauen des Volkes gegen dieses Regiment, das so lange verhängnisvoll und verderblich über Deutschland geherrscht hat, ist noch nicht beseitigt. Das Volk wünscht den Rücktritt des Monarchen, es sieht in dem Verbleiben des Kaisers ein Hemmnis für den schnellen Abschluß des Krieges. Das Volt will aber den Abschluß des Krieges so bald als möglich, da jeder neue Tag nur die ungeheuren Opfer vermehrt, ohne irgendwelchen Vorteil für die Zukunft zu versprechen. Die Ehre des deutschen Volkes sollen die Leute, welche für„ die nationale Verteidigung bis zum letzten Mann" sich zu Hause begeistern, aus dem Spiele lassen. Auch nach dem unglücklichen Frieden ist der Ehrenschild des deutschen Volkes rein. Dieser Auffaffung gab ein Aufruf der sozialdemokratischen Funktionärinnen Groß- Berlins Ausdruck, welcher am 26. Ottober erschien und in welchem gesagt wird, daß die Arbeiterschaft heute zum größten Teil durch Frauen repräsentiert wird.
Nachtrag. Inzwischen ist das Kaisertum in Deutschland gestürzt und die Republik proklamiert worden, die auch das gleiche Wahlrecht für die Frauen einführen wird.
Kutusa, an diesen tiefeingewurzelten Aberglauben anknüpfend, sich im Frühling des Jahres 1915 zu einer Art Seherin, richtiger wohl Aufwieglerin, unter der estnischen Landbevölkerung aufgeworfen und den in ihrer Einfalt gutgläubigen Bauern verheißen hat, am Ostermorgen des Jahres 1915 werde, wie eine innere Stimme ihr verkünde, die Sonne tanzend am östlichen Himmelsrand aufgehen und den Eſten, Letten und Liven die so lange ersehnte Befreiung von der- wie sie sagte schmachvollen russischen Gewaltherrschaft" bringen. Sie brachte es durch diese Verheißung zuwege, eine Schar von Gleichgesinnten um sich zu sammeln, die fest an ihre Worte glaubten und mit ihr einig waren, alles, was in ihren Kräften stand, zu versuchen, um die Herrschaft Rußlands im Baltenland zu brechen und dieses entweder als selbständigen Staat zu verwalten, oder aber es dem benachbarten Deutschen Reiche als Provinz mit besonderen verbrieften Rechten anzugliedern.
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In der Osternacht des Jahres 1915 ist die Kutusa dabei betroffen worden, wie sie, aus der Ostermesse kommend, mit ihren Anhängern einen außerhalb Kielfonds liegenden Hügel erstiegen und dort unter verzückten Gebärden und mit wirren, aufreizenden Reden die Stunde des Sonnenaufgangs erwartet hat. Sie ist dabei wiederholt mit gen Himmel erhobenen Armen in die Knie gesunken und hat ihre Begleiter aufgefordert, ein Gleiches zu tun, also daß die ganze nächtliche Versammlung den Eindruck erweckt hat, als diene sie dem Zweck, von Gott dem Allmächtigen das Verderben Rußlands und seines Zaren zu erflehen....
Als die ersten Morgennebel begonnen haben, sich über den umliegenden Wiesen zu erheben, haben sämtliche Versammelte sich bei den Händen genommen, so daß es war, als bildeten sie eine einzige lange lebende Kette, und so stehend, haben