Nr. 4

Die Gleichheit

Auch der österreichische Kaiser hat gleichfalls dem Thron entsagt. Durch die Note, welche er mit Andrassy   am 27. Oftober an Lansing richtete, und in der er um einen Sonderfrieden bat, ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten", ver­suchte er, sich und seiner Dynastie den Thron zu erhalten. Daß er damit einen Treubruch an Deutschland   beging, war für ihn an­scheinend Nebensache. Das deutsch  - österreichische Volt aber ist nicht die Dynastie, und es hält dem deutschen Volt die Treue. Der Waffen­stillstand zwischen Osterreich   und der Entente ist nunmehr abge­schlossen unter harten Bedingungen, die vor allem Deutschland  treffen. Ebenso ist es mit dem Waffenstillstand der Türkei  . In Un­ garn   wurde Graf Tisza, einer der Urheber des Weltkrieges, von Revolutionären erschossen.

Auch der deutsche Waffenstillstand mit der Entente ist, wenn auch unter sehr schweren Bedingungen, zustande gekommen. Wie immer muß das Volt für die Sünden seiner eigenen Unterdrücker aufs heftigste bluten. Der preußische Militarismus ist von der Entente am schärfsten bekämpft und als Urheber des Krieges hingestellt worden. Nach einer Besiegung sollten Versöhnung und Gerechtigkeit in der Welt wohnen und zukünftige Kriege unmöglich machen; und die Völker jagten verblutend nach diesem Jdeal. Nun ist der preußische Militarismus besiegt. Ludendorff   ist gegangen, das militärische Bündnis der Mittelmächte ist zerfallen, die Junker­herrschaft in Preußen, eine der stärksten Stüßen des preußischen Militarismus, ist zerbrochen; jetzt aber entscheidet bei der Entente nicht versöhnende Gerechtigkeit, sondern das militärische Oberkom mando über die Waffenstillstandsbedingungen. Nun ist der Mili­tarismus" auf der Gegenseite Trumpf.

Das sollte die Arbeiterschaft der ganzen Welt darüber belehren, daß der Militarismus keine herrschende Gewalt für sich ist, sondern nur das Machtmittel der international herrschenden Gewalt, des Kapitalismus, darstellt. Und zur Bekämpfung dieses Feindes sollten die Arbeitermassen der ganzen Welt zusammenstehen. So­lange die Ententeregierungen ihren Arbeitervertretern die Teilnahme an einer internationalen Konferenz, um deren Zustandekommen sich jetzt die Genossen Troelstra   und Branting   sowie die deutsche Partei bemühen, unmöglich machen, muß dieser Kampf in jedem Lande von jedem Volte mit aller Straft geführt werden. Größte Ordnung und Einheit in den Reihen der Kämpfer ist die Vorbedingung des Erfolges, damit nicht wertvolle Sträfte muglos verloren gehen. Das Weltenrad dreht sich mit unheimlicher Geschwindigkeit. Was heute noch oben ist, fann morgen schon unten sein, und wer sich fie stumm, ohne einen Laut von sich zu geben, den Augenblick erwartet, da die Sonne am Himmelsrand aufgehen werde. Es hat dabei den Anschein gehabt, als erfüllten sie ein ihnen heiliges, teures Gelübde, und als seien sie von einem tiefen inbrünstigen Glauben durchbrungen, wie ihn sonst nur die Kirche in die Herzen ihrer Kinder zu legen vermag.

Die Sonne ist nach allem, was nüchterne, einwandfreie Zeugen bekunden, an diesem Morgen am Himmel langsam und ruhig aufgegangen wie jeden Tag, ohne daß etwas Be­sonderes an ihr zu sehen gewesen wäre; die auf dem Hügel Versammelten gerieten jedoch bei ihrem Anblick zuerst in an­bachtsvolle Verzückung, schließlich aber in eine Art Freuden­taumel, der sich mehr und mehr steigerte, um zuletzt in eine wahrhafte Raserei auszuarten, bei der Männer und Frauen fich schluchzend in die Arme fielen, Schwüre und Beteuerungen ausstießen und sich, soweit aus der Ferne zu vernehmen war, unberbrüchlich gelobten, fest zusammenzustehen und alle Kräfte, Leben und Gut daranzusetzen, um die Herrschaft des Zaren im Baltenland zu brechen.

Am auffälligsten von allen benahm sich bei dieser Gelegen­heit die Kutufa, die unter andauernden lauten Rufen: Sie tanzt! Sie tanzt! Ein Wunder ist geschehen!..." wie irrsinnig im Kreise umhersprang, mit den Händen um sich schlug, dem Himmel für den Tod ihrer vier Söhne dankte und sich plötz­lich, wie vom Blizz getroffen, zu Boden sinken ließ, wo sie, am ganzen Körper bebend, mit Schaum vor dem Munde liegen blieb.

Sie sowohl wie ihre Anhänger, 122 an der Zahl, sind auf Befehl des Gendarmerieobersten Wassiljew, der von der nächt lichen Rundgebung durch Vertraute Kenntnis erhalten hatte, abgeführt und in militärischen Gewahrsam genommen, sodann aber vor das zuständige Feldgericht gestellt worden, das in

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dem Gang der Entwicklung zu widersezen versucht, wird überrannt werden. Ruhe und Besonnenheit ist in diesem Wirbel ebenso ant Plaze, wie jedes vorsichtige Tasten, jedes ängstliche Zögern vor ent­schlossenen Taten unangebracht und gefährlich ist. Jede Regierung muß sich darüber klar sein, daß es nicht angeht, um alter, lieb­gewordener Traditionen willen blutwarmes Leben zu opfern. Das deutsche   Volk will die friedliche Entwicklung der inner­politischen Verhältnisse und des Wirtschaftslebens zur Demokratie und zum Sozialismus. Es wird jede Regierung stützen, die dem Land ungesäumt zu Frieden und Ordnung verhilft, aber es würde ebenso entschieden jede Regierung beseitigen, die nicht die Volksrechte vertritt. Klara Bohm- Schuch.

Aus unserer Bewegung

ed. Elberfeld  - Barmen. Zwei gut besuchte Frauenversammlungen hörten Vorträge der Genoffin Schulte( Köln  ) über die dem Reichs­tag vorliegenden bevölkerungspolitischen Gesezentwürfe. Die verständlichen Ausführungen der Rednerin fanden bei den Ver­sammelten allseitige Zustimmung.

In der lebhaften Debatte gab eine Anzahl Sprecherinnen ihrer Entrüstung über das geplante Ausnahmegesetz gegen die Frauen Ausdruck. Einmütig billigte man die dem Reichstag seitens der sozialdemokratischen Frauen übermittelte Eingabe.

In Elberfeld   sprach Genosse Ullenbaum über die Neuregelung der Kriegsunterstügungen. Besonders erfreut waren die An­wesenden über den Erfolg, der der unermüdlichen Arbeit der sozial­demokratischen Stadtverordneten zu verdanken ist, daß jeßt. eine einmalige Zulage auf den Kopf der Kriegsunterstützung Beziehenden in Höhe von 10 bis 15 Mt. zur Auszahlung gelangen soll. Am Schluß der Versammlungen wurde von den Genoffinnen Heubeck und Dröner aufgefordert, der Partei beizutreten, die Freie Presse" und die Gleichheit" zu lesen. 24 neue Mitglieder wurden für die Partei gewonnen.

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Damit unsere Genossinnen in ganz Deutschland   ersehen, mit welchen Hemmnissen wir hier im Bereich des siebten Armeekorps zu rechnen haben, möchten wir furz schildern, wie schwierig es war, die beiden Versammlungen genehmigt zu bekommen. Am 21. August ersuchten wir die Polizei um Genehmigung zur Abhaltung von zwei öffentlichen Frauenversammlungen

seinem Urteil vom 23. August 1915 über ihr ferneres Schicksal den vorhandenen Aften gemäß entschieden hat. Das Feld­gericht ist bei seinem Urteilsspruch von der Erwägung aus­gegangen, daß Umtriebe wie diejenigen der Bäuerin Kutuſa zu Kriegszeiten die schwerwiegendsten Verwicklungen nach sich ziehen können, und hat gegen die Kutusa deshalb das Todes­urteil ausgesprochen, unter besonderer Würdigung des Um­standes, daß die feindliche Armee im Sommer des Jahres 1915

die baltischen Provinzen in der Tat, wie Kutusa es gewünscht und verheißen hatte, mit Waffengewalt erobert hat. Die Mit­schuldigen der Kutusa sind in Ketten gelegt, nach Sibirien   ver­bannt und dort auf Lebensdauer eingekerfert worden.

Ein Kind im Haus.

Das ist, als läge man den ganzen lieben langen Tag auf blumen bunter Wiese und schaue immerfort in die ziehenden Wolfen, es ist, als wäre man neu geboren, als hätte niemals die ganzen Jahre, durch die man ging, die Sonne geschienen.

Es ist, als wäre die Stube daheim mit weicher bunter Seide

tapeziert und der Fußboden mit Sonnenstrahlen gedielt und in den weißen Gardinen zwitscherten lauter gelbe Stanarienvögel, es ist,

als wären lauter Primeln und Beilchen im Hause, unendlich Weiches, Süßes und Bartes umweht einen wie am ersten Frühlingstage.

Ein Kind im Hause ist ein einziges Nehmen, freudig Genießen und Stillewerden. So oft die Hand über Kinderhaar gleitet, geht etwas Häßliches von einem. Das Lallen und Lächeln des Kindes

macht den regenschwersten Novembertag frühlingshell. So ein Jauchzer ist wie ein Lerchentriller ant Frühlingssonntagmorgen.

Doch das Allerschönste sind Kinderaugen, in denen liest man sämt liche Märchenbücher in einem Augenblick von Anfang bis zu Ende.

Frieda Schirbel.