Nr. 4
Die Gleichheit
Nach diesen Referaten, die die ersten Versuche einer kommunalen Arbeit schilderten, kam als Vertreterin der konfeffionellen Tätigkeit zuerst Tine Neuhans aus Dortmund zu Wort. Sie schilderte, wie aus den Besuchen auf der syphilitischen Station des Krankenhauses die enge Verbindung mit der Sittenpolizei erwuchs. Wie diese Tätigkeit von vornherein auf rein fonfeffioneller Grundlage ruhte, daß die Mädchen zuerst den Schwestern vom Guten Hirten zugeführt wurden, und wie sich aus einem kleinen 1899 gegründeten Verein ein Verband entwickelte, dem 1907 130 Vereine angehörten mit 40 Zufluchtshäusern und 3000 Betten. Die Zusammenarbeit mit der Sittenpolizei war, wenn auch nicht immer, so doch in den meisten Städten eine gute. In Dortmund selbst werden die Mädchen anfangs von den Damen in ihr eigenes Haus aufgenommen, jetzt habe man eine Vorsorge- oder Zufluchtstation mit einer kleinen Abteilung für Geschlechtskranke. Zu einer ersprießlichen Tätigkeit könne nur Schulung führen, die in einer besonderen Unterrichtsanstalt vermittelt würde. Trotzdem könne den Anforderungen nicht genügt werden, da im letzten Jahr über 20000 Fälle behandelt werden mußten.
Als Ergänzung dieser katholischen Liebestätigkeit schilderte Pfarrer Thieme aus Berlin , was die innere Mission auf diesem Gebiet geleistet hat. Auch sie arbeitet auf konfessioneller Grundlage in enger Verbindung mit der Sittenpolizei und verfügt über mehr als 100 Anstalten. Als der Redner auf die Zustände in der LandesHauptstadt zu sprechen kam, woselbst jährlich 1500 Mädchen in die Behandlung der inneren Mission kommen, und die Methoden seiner Fürsorgeeinwirkungen Harlegte, erschien es uns, als ob gerade diese einseitige, nur gefühlsmäßige Einwirkung wenig in unsere jezigen fozialen und kulturellen Zustände passen wollten, und das Bedenken, daß trotz allem guten Willen, der anerkannt sein soll, der Zweck sehr mangelhaft erreicht würde, wollte nicht zum Schweigen kommen.
Zum Schluß der Erörterungen zog Magistratsassessor Dr. Maier aus Frankfurt a. M. gleichsam die Nugnießung alles Vorhergesagten und schlug der Versammlung folgende Entschließung vor, die nach längerer Distusfion einstimmig angenommen wurde:
Die Teilnehmer der am 10. Oktober 1918 auf Einladung des Wohlfahrtsamtes zu Frankfurt a. M. stattfindenden Tagung für Gefährdetenfürsorge sind der Ansicht:
Die Gefährdetenfürsorge ist als Zweig der allgemeinen Wohlfahrtspflege anzusehen und deshalb nicht wie bisher in der Hauptsache von der Polizei, sondern von Fürsorgestellen mit sozial gefchulten Hilfskräften durchzuführen. Solveit polizeiliche Maßnahmen erforderlich sind, ist alsbald die Fürsorgestelle zu benachrichtigen
Hoffnung.
Es reden und träumen die Menschen viel
Don beffern künftigen Tagen;
Nach einem glücklichen, goldenen ziel Sieht man sie rennen und jagen.
Die Welt wird alt und wird wieder jung, Doch der Mensch hofft immer Verbesserung. Die Hoffnung führt ihn ins Leben ein, Sie umflattert den fröhlichen Knaben, Den Jüngling locket ihr 3auberschein, Sie wird mit dem Greis nicht begraben; Denn beschließt er im Grabe den müden Lauf, Noch am Grabe pflanzt er. die Hoffnung auf. Es ist kein leerer, schmeichelnder Wahn, Erzeugt im Gehirne der Toren! Im Herzen kündet es laut sich an: 3u was Besserm sind wir geboren; Und was die innere Stimme spricht, Das täuscht die hoffende Seele nicht.
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Eingegangene Schriften.
Der in seinem dreiundvierzigsten Jahrgang vorliegende NeueWelt- Kalender für das Jahr 1919( Hamburger Buchdruckerei und Verlagsanstalt Auer& Co. in Hamburg ) enthält unter anderem: Kalendarium.- Rüdblid.- Beachtenswerte Adressen.- Postalisches. Unsere Toten( mit Porträten). Messen und Märkte. Im Kreislauf des Jahres. Das stille Haus. Skizze von E. Preczang ( mit Illustrationen).- Soldatenschnurren aus alter Zeit. datenfriedhöfe( mit Illustrationen). Zum Nachdenken.
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Sol
Der
Flieger. Gedicht( mit Illustration). Aus der Geschichte des neueren Volks- und Arbeiterbildungswesens. Von Dr. Konrad Schmidt.
Der kleine Herzog. Erzählung von H. Stegemann( mit Illustrationen).
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Der Krieg und die Pflanzenwelt. Von Friedrich Zimmermann
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und heranzuziehen. Die Fürsorgestelle soll im Einvernehmen mit der Polizei im engsten Zusammenwirken der gemeindlichen Armenund Wohlfahrtspflege und den beteiligten Frauen- und konfessionellen Fürsorgevereinen arbeiten. Der frankenpflegerisch und sozial durchgebildeten Leiterin der Fürsorgestelle sind die Befugnisse einer Polizeiassistentin zu erteilen. Zur Durchführung der Gefährdetenfürsorge erachtet die Versammlung die Errichtung von Bewahranstalten und Arbeitslehrkolonien erforderlich, für deren Kosten die großen Armenverbände( Landarmenverbände) aufzukommen haben. Zur Durchführung der Gefährdetenfürsorge befürwortet die Versammlung folgende Gesetzesänderungen:
§ 1 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum 1. W. G. dahin zu ergänzen durch die Worte„ sowie die erforderliche Erziehung und Berufsausbildung".
§ 31 des Preußischen Ausführungsgesetzes zum 11. W. G. durch die Worte und Unterbringung gefährdeter Frauen und Mädchen in Bewahranstalten und Arbeitslehrkolonien" zu ergänzen. § 646 der Zivilprozeßordnung dahin abzuändern, daß ein Antragsrecht auch den Gemeinden und Drtsarmenverbänden des Aufenthaltsortes eingeräumt wird. ( Schluß folgt.)
Störenfriede!
Die Sozialdemokratische Partei Hamburgs hatte am 28. Oftober gemeinsam mit dem Frauenstimmrechtsverband Altona - Hamburg eine öffentliche Frauenversammlung einberufen, um für sofortigen Frieden und Frauenrechte zu demonstrieren. Der große Saal des Gewerkschaftshauses war überfüllt. Es waren zirka 5000 Personen gekommen. Die„ Unabhängigen" verstanden es aber, unter Führung von Luise Zieß, die Versammlung so zu stören, daß sie vorzeitig geschlossen werden mußte. Nur Frau Bardenheuer( Bremen ) vom Frauenstimmrechtsverband hatte ein kurzes und eindringliches Referat halten können. Genossin Juchacz ( Berlin ) wurde dagegen durch den Radan der„ Unabhängigen" am Sprechen verhindert. So sorgen die Unabhängigen für neue Mundsperren für unbequeme Männer und Frauen, nachdem die neue Regierung die alten Hindernisse beseitigt hat.
Über die traurige Rolle, die die Genoffin Zieg bei der Spren gung der Versammlung übernahm, tann man nur den Kopf schütteln. Glaubt sie wirklich dadurch das Proletariat zu erlösen, daß fie es antreibt, sich gegenseitig zu zerfleischen? Viele Genossinnen, denen der Name Zietz durch die frühere Tätigkeit der Trägerin und
( mit Illustration). ( mit Illustrationen).
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Der moderne Industriebau. Von B. Adolfi Drei Gedichte: Die junge Mutter, Gedanken ins Feld, Jm Herbst. Allerlei vom Fliegen und von Flugzeugmaschinen. Von F. Braunmühl( mit Abbildungen).- Statistisches. Spruchweisheit. Der Kalbshund. Humoreske von Theodor Thomas( mit Illustration). Der Krieg und die Frauen. Bon Gertrud Hanna ( mit Illustrationen). Kriegerheimstätten. Von Aug. Ellinger( mit Illustrationen). Das Erbrecht in der Kriegszeit. Sein Lachen. Gedicht von Ernst Preczang.-Ersatz- Schuhmacherei"( mit Abbildungen). Fliegende Blätter. Für unsere Rätsellöser. Außerdem ein Bild auf Stunstdruckpapier:„ Kampf", von Richard Klein, sowie ein Wandkalender. Der Preis des Kalenders beträgt 60 Pf.
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Der Vorwärts- Kalender 1919 ist erschienen und nimmt bereits seinen Weg in die Wohnungen der sozialdemokratischen Arbeiterschaft in Stadt und Land. Der Inhalt dieses sozialdemokratischen Abreißkalenders weist die gewohnte Vielseitigkeit auf. E. Preczang schöpfte abermals aus der reichen Fundgrube der Arbeiterbewegung, und was seine glückliche Hand an bedeutungsvollen Ansprüchen, statistischen Angaben über die Arbeiterorganisationen, wirtschaftlichen und politischen Daten, an Gedichten, Sprüchen und dergleichen der Vergessenheit entreißt, ist wohl wert, von jedem Arbeiter gelesen und beachtet zu werden. Das gewohnte symbolische Bild der Rückwand ist der Not der Zeit zum Opfer gefallen, wir sehen darin aber keinen Nachteil, der Kalender sieht in seiner jezigen Form weniger anspruchsvoll, dafür aber ästhetisch viel erträglicher als sonst aus. Zu beziehen ist der Kalender für 2 Mt. 50 Pf. durch jede Parteibuchhandlung oder direkt von der Vorwärts- Buchdruckerei, Berlin SW 68, Lindenstraße 3. Interessenten wollen den Kalender recht bald bestellen, da die Auflage auch in diesem Jahre vorzeitig vergriffen sein dürfte.
Die Weisheit, welche in einem Menschen bloß theoretisch da ist, ohne praktisch zu werden, gleicht der gefüllten Rose, welche wohl durch Farbe und Geruch andere ergött, aber abfällt, ohne Frucht angesezt zu haben. Schopenhauer.