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Die Gleichheit

durch ihre unschuldig erlittene Haft noch in bester Erinnerung war, sind jetzt durch sie selbst eines Besseren belehrt worden und wenden fich angewidert von ihr ab.

Die Hamburger Genossinnen lassen den Mut natürlich nicht sin­ten. Sie haben für Donnerstag, den 7. November wieder eine große öffentliche Frauenversammlung mit demselben Thema einberufen. Nur soll diesmal der Charakter einer reinen Frauenversammlung gewahrt bleiben. Es ist das sonst bei unseren Veranstaltungen nicht Sitte, aber es hat sich erwiesen, daß die organisierte Sprengkolonne zum größten Teil aus männlichen Vertretern der Unabhängigen be­standen hat. Darum sind solche Maßnahmen als Gegenwehr not­wendig.

Mehr Licht!

Es fehlt der arbeitenden Bevölkerung noch sehr oft an verschie­denem Licht. Heute soll es sich aber mur um das Licht handeln, das uns die liebe Sonne ersetzen muß.

Immer näher rückt der trostlose Winter heran, und zu den üblichen Unannehmlichkeiten wie Kälte, Schnee und Eis kommt noch eine weit größere hinzu: der Mangel an Beleuchtungsmaterial, an e- troleum und Spiritus, wird immer größer und ist für die arbei­tende Bevölkerung in Stadt und Land kaum zu ertragen.

Wir, die wir in unseren Wohnungen Gas oder elektrisches Licht haben, können wohl zufrieden sein. Aber was machen die Tausende von Menschen, die nur auf Petroleum angewiesen sind? Wieder sind es in erster Linie die schon ohnehin so schwer mit Sorge ge= plagten Arbeiterfamilien, die auch diesen Mangel am schwersten empfinden müssen, und ganz besonders wieder die Frauen.

Früh, wenn sie ihre Häuslichkeit verlassen müssen, ist es noch finster, und wenn endlich der langersehnte Feierabend erreicht ist, ist es schon wieder finster. In einem Kreise in   Schlesien( dicht bei  Breslau) hat man bereits im September verkündigt, daß es nur einen Viertelliter Petroleum für den Monat und Haushalt geben soll! Wohin soll aber eine solche Einteilung führen? Wie soll es den Frauen dabei möglich sein, ihr Heim und ihre Kinder sauber und in Ordnung zu halten? Es wird ihnen mit Gewalt die Möglich­feit entrissen, ihren Pflichten gerecht zu werden.

Solche Zustände tragen aber dann die Schuld daran, wenn die Frauen alle Lust und Liebe zu ihrer Arbeit wie zu ihrer eigenen

Häuslichkeit verlieren, wenn sie gleichgültig und nachlässig werden. Der Sonntag, der ohnedies gewöhnlich schon mit einer besonders großen Arbeit wie Wäsche, Großreinemachen oder Kleiderausbessern belastet ist, wird nun noch mehr belastet werden! Also jede Ruhe­stunde, die den Frauen neue Kraft und Lust zu all ihren Pflichten bringen soll, fällt weg! Man muß zugeben, daß das ein unhalt­barer Zustand für alle in Frage kommenden Volksschichten ist. Hier muß Rat geschafft werden, und jeder, dem es möglich ist, in dieser Frage etwas zu tun, muß das Seine auch tun zum Wohle der Ge­samtheit. A. F.

Frauenarbeit am Stichwahltag.

Ein wunderbarer Herbsttag! Goldig fielen die Strahlen der Mittags­sonne hernieder, als ich mich am Wahllokal einfand, um die dort anwesende Genossin abzulösen.

Ein vornehmes bürgerliches Lokal der   Friedrichstadt. Nur verein­zelt kamen die Wähler, und so hatte ich Zeit und Muße, meine Umgebung zu betrachten.

Neben mir am Tisch zwei Damen, Angestellte eines bürgerlichen Beitungsverlags, die gegen Entschädigung für die Freisinnige Partei tätig waren, denn die Freisinnigen lassen es sich etwas kosten. Beide tadellos gekleidet und schick frisiert. Auch den anivesenden Herren sah man den Lehrer oder Bankbeamten auf den ersten Blick an. Neben ihnen tam ich mir in meiner mehr als einfachen Kleidung recht unscheinbar vor.

Nach einer Stunde wurde ich gebeten, den vor der Tür stehenden Genossen, der die Bettel verteilte, abzulösen.

Neben mir standen zwei vom Zentralarbeitsnachweis geschidie Männer mit je einem Platat auf Brust und Rücken: Wählt Kemp ner." Der eine war Urlauber, der durch diesen Nebenverdienst seine Löhnung aufbessern wollte.

Nach einiger Zeit wurde mir der Auftrag zuteil, die bis dahin ausgefüllten Zettel nach der Zentrale zu bringen, damit man dort die Anzahl der Wähler möglichst schnell und genau feststellen konnte. Mein Weg führte durch die Friedrichstraße. Welch prickelnder Reiz lebt in ihr, selbst jetzt im Kriege! Welch sinnberauschendes Hin und Her von geputzten Männern und Frauen! Und dann die Schau­fenster! Hier echte Brillanten, dort Talmi, aber der gleiche aufdring­

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liche Glanz! Wieder ein Laden; Bernsteinschmuck nnd fein geschnigte Figuren aus Elfenbein usw.

Und dort an der Ecke eine Kunsthandlung! Bilder!

Unwillkürlich stockt mein Fuß, ich muß sie betrachten. Was Bril­lanten und andere Dinge nicht vermocht haben: den Wunsch nach Besitz, hier wird er lebendig! Nur zwei davon in mein kleines Heim! Doch die Preise!

Gewaltsam reiße ich mich los, die Genossen erwarten mich. Es fehlt noch an Kräften, die säumigen Wähler aufzusuchen und sie au ihre Pflicht zu mahnen.

Auch hierbei gibt es mancherlei Zwischenfälle. Dem einen kommt man um 6 Uhr abends noch zu früh, es wäre doch noch eine ganze Stunde Zeit, ein anderer erklärt im Unteroffizierston, er kommt überhaupt nicht wählen. Ja, in einem vornehmen Geschäft ist es mir passiert, daß, als ich nach dem Wähler, der als Angestellter dort tätig war, fragte, die Antwort erhielt, der Herr sei- verheiratet! Erst später stellte sich heraus, daß der Herr eingezogen ist.

Doch zurück zum Wahllokal. Denn jetzt beginnt die Auszählung. Das Resultat in unserem Bezirk ergibt für Stempner nur wenige Stimmen mehr als für Heimann. Wie wird es in den anderen Bezirken sein? Und selbst wenn das Resultat nicht voll zu unserer Zufriedenheit ausfällt, wenn Heimann nicht gewählt werden sollte, so haben doch alle, die von unserer Seite geholfen haben, das Be­wußtsein, ihre Pflicht im Dienste der Partei getan zu haben.

Auf dem Nachhausewege stieg ein Bild vor meinen inneren Augen auf! Ich sehe hunderttausende Frauen in Fabriken, Kontoren und bei Behörden arbeiten. Sie alle geben ihr Bestes. Doch heute am Wahltag schließen sie früher und gehen zur Wahlurne, um der Kandidatin ihrer Partei ihre Stimme zu geben. Denn nicht mehr rechtlos ist die Frau, nicht mehr Bürgerin zweiten Grades, sondern an­erkannt vom Staate als gleichberechtigter Faktor im öffentlichen Leben! Würdevoll und frei schreiten sie dahin, ihre Pflicht zu erfüllen. M. K. Wann wird aus dem Traume Wahrheit?

Bekanntmachung.

Die Zwischenscheine für die 4% Schatz­anweisungen der VIII. Kriegsanleihe und für die 4% Schatzanweisungen von 1918 Folge VIII fönnen vom

4. November d. Js. ab

in die endgültigen Stücke mit Zinsscheinen umgetauscht werden. Der Umtausch findet bei der ,, Umtauschstelle für die Kriegs­anleihen",   Berlin W 8, Behrenstraße 22, statt. Außerdem übernehmen sämtliche Reichsbankanstalten mit Rasseneinrichtung bis zum 15. Juli 1919 die kostenfreie Vermittlung des Umtausches. Nach diesem Zeitpunkt tönnen die Zwischenscheine nur noch un­mittelbar bei der Umtauschstelle für die Kriegsanleihen" in   Berlin umgetauscht werden.

Die Zwischenscheine sind mit Verzeichnissen, in die sie nach den Beträgen und innerhalb dieser nach der Nummernfolge geordnet ein­zutragen sind, während der Vormittagsdienststunden bei den ge­nannten Stellen einzureichen; Formulare zu den Verzeichnissen sind bei allen Reichsbankanstalten erhältlich.

Firmen und Rassen haben die von ihnen eingereichten Zwischen­scheine rechts oberhalb der Stücknummer mit ihrem Firmen­stempel zu versehen.

Mit dem Umtausch der Zwischenscheine für die 5% Schuld­verschreibungen der VIII. Kriegsanleihe in die endgültigen Stücke mit Zinsscheinen kann erst später begonnen werden; eine besondere Bekanntmachung hierüber folgt alsdann.

Von den Zwischenscheinen der früheren Kriegsauleihen ist eine größere Anzahl noch immer nicht in die endgültigen Stücke um­getauscht worden. Die Juhaber werden aufgefordert, diese Zwischen­scheine in ihrem eigenen Interesse möglichst bald bei der Um­tauschstelle für die Kriegsanleihen",   Berlin W 8, Behren­straße 22, zum Umtausch einzureichen.  

Berlin, im Oktober 1918.

Reichsbank- Direktorium.

Havenstein.

v. Grimm.

Verantwortlich für die Nedaktion: Frau Marie   Juchacz,   Berlin SW 68. Druck und Verlag von J. H. W. Dieß Nachf. G.m.b.§. in   Stuttgart.